5. November 2010

Marginalie: Gorleben. Gesetzesbrecher und wie die Medien über sie berichten

Während ich dies schreibe, läuft die "Tagesschau". Aufmacher: Ein ausführlicher Bericht über "Aktivisten", die offen ankündigen, wieder einmal die Gesetze zu brechen, indem sie einen Castor-Transport aufzuhalten versuchen.

Ein Bericht im Stil einer Kriegberichterstattung - wobei eindeutig ist, wer "unsere" sind, nämlich diese Gesetzesbrecher. Journalistische, um nicht zu sagen propagandistische Unterstützung also.

Kein offener Aufruf zum Gesetzesbruch zwar, wie ihn sich jüngst Abgeordnete der Partei "Die Linke" geleistet haben (siehe "Ziel unserer Aktion ist es, die Schienen unbrauchbar zu machen"; ZR vom 14. 10. 2010); aber doch ein Bericht, der es völlig ausblendet, daß das, worüber man berichtet, keine Demonstration ist, sondern blanker Rechtsbruch. Ein Bericht, der "Aktivisten" und Polizei sozusagen als gleichberechtigte Gegner darstellt; als würden sich nicht die einen gegen den demokratischen Rechtsstaat wenden und die anderen ihn verteidigen.

Das finanzieren wir mit unseren Gebühren. Wir finanzieren ebenso mit unseren Steuern die immensen Kosten für den Polizeieinsatz; Ausgaben, die erforderlich sind, damit das, was rechtens ist, überhaupt gegen die Gesetzesbrecher durchgesetzt werden kann.

Was alles zu einem solchen Polizeieinsatz gehört, davon können Sie sich in dem - natürlich in einem ähnlichen Tenor einer Kriegsberichterstattung gehaltenen - Vorbericht von "Spiegel-Online" ein Bild machen. Auszug:
Ruben ist Aktionskletterer. Auch an diesem Wochenende, wenn wieder ein Castor nach Gorleben rollt, werden Kletterer versuchen, den Transport zu blockieren. Und auch Ruben will erneut protestieren. (...)

Für Protestierer wie Ruben gibt es spezielle Kletterteams der Polizei. "Sie sind mit den Höhenrettungsteams der Berufsfeuerwehren zu vergleichen und darauf trainiert, Menschen aus der Höhe zu bergen", erklärt Christian Poppendieck, Sprecher der Bundespolizei in Hannover.

Ruben Neugebauer schätzt diese Teams: "Die haben Ahnung." Außerdem respektierten die Polizisten erfahrene Demonstranten wie ihn - "die wissen, jemand wie ich ist nicht gewalttätig". Polizeisprecher Poppendieck bestätigt das: "Kletteraktivisten haben bisher keine unmittelbare Gewalt gegen Polizisten angewandt, und wir setzen auf Kommunikation."
Deutschland im Jahr 2010. Die Polizei ist froh, wenn Gesetzesbrecher keine Gewalt anwenden. Statt sie so zu behandeln wie jeden anderen, der sich nicht an Recht und Gesetz hält, versucht man mit ihnen die "Kommunikation".



Welches Ressort ist für diesen Bericht von "Spiegel-Online" zuständig? Sie werden es nicht glauben: Der "Schulspiegel". Das Ressort also, das Berichte für Schüler anbietet, die man als künftige erwachsene Leser an "Spiegel-Online" heranführen möchte.

Sie werden in der Tat ans Leben herangeführt, diese Schüler. Sie lernen die Lektion, daß man im Deutschland des Jahres 2010 keineswegs der allgemeinen Mißbilligung anheimfällt, wenn man Gesetze bricht; sondern daß man im Gegenteil auf Wohlwollen stößt.

Daß man, richtiger gesagt, damit auf Wohlwollen stoßen kann. Dann nämlich, wenn man auf der richtigen Seite des politischen Spektrums die Gesetze bricht. Stellen Sie sich einen Augenblick vor, wie die Medien berichten würden, wenn nicht Links- sondern Rechtsextemisten sich in dieser Weise über die Regeln unseres Zusammenlebens hinwegsetzten.



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