18. März 2011

Die Lage in Fukushima Daiichi (Fortsetzung; Stand: Freitag, 13.30 Uhr)

Gegenüber dem Stand bei der letzten Aktualisierung des vorausgehenden Artikels von heute Nacht 1.00 Uhr hat sich die Lage deutlich verbessert. (Wenn nicht anders angegeben, stammen die folgenden Informationen vom Sender NHK. "mSv/h" sind Millisievert pro Stunde).

Ein wesentlicher positiver Faktor ist, daß im Lauf des heutigen Tags das KKW Fukushima Daiichi wieder an das Stromnetz angeschlossen werden wird. Das war schon für gestern (japanische Zeit) geplant gewesen, mußte aber wegen zu hoher Strahlung verschoben werden. Inzwischen ist die Strahlung so weit zurückgegangen, daß es wahrscheinlich nur noch einen halben Tag dauern wird, bis die Stromversorgung wieder hergestellt ist.

Wenn wieder Strom zur Verfügung steht, wird ein Teil der momentanen Probleme sehr schnell beseitigt sein. Das gilt vor allem für die Reaktoren 5 und 6, die bisher nicht beschädigt sind, bei denen aber die Temperatur in den Auffangbecken langsam steigt. Der Anstieg ist nicht sehr erheblich (4 bis 5 Grad pro Tag), und es würde noch eine Woche vergehen, bis bei diesem Anstiegstempo ein kritischer Wert erreicht wäre. Da der Anstieg allein auf mangelnder Zirkulation des Kühlwassers zurückgeht, dürfte dieses Problem aber jedenfalls bald gelöst sein, sobald wieder Strom zur Verfügung steht.

Weiterhin ist jetzt klar, daß man das im vorausgehenden Artikel beschriebene Problem, die Auffangbecken in Block 4 und auch in anderen Blocks zu kühlen, mit einer Art kombinierter Land-Luft-Operation angehen will. Die Wasserwerfer der Polizei sollen von Land her "angreifen", parallel dazu nun doch wieder Helikopter aus der Luft.

Ich hatte über die Unklarheit darüber berichtet, warum eigentlich gestern die Hubschrauberflüge erst einmal abgebrochen worden waren. NHK hatte gemeldet, daß dies wegen zu hoher Strahlenbelastung geschehen sei; und natürlich wurde das in den deutschen Medien groß herausgestellt. Ich hatte zunächst von unklaren Gründen gesprochen, dann aber die Version von NHK referiert.

Inzwischen gibt es Meldungen - beispielsweise bei World Nuclear News und auch im TV-Programm von CNN - , daß dies doch nicht der einzige Grund gewesen war. Vielmehr hatte es sich als schwierig erwiesen, die Wasserladungen zielgenau abzuwerfen. Zwei Helikopter hatten über Block 4 insgesamt vier solche Versuche gemacht und nur einmal getroffen. Als Ursache wird starker Wind genannt.

Die Strahlenbelastung war gestern allerdings auch extrem hoch gewesen. Vor der Fortsetzung der Aktion wurden deshalb Schutzmaßnahmen getroffen. Die Helikopter sind jetzt mit Bleiplatten verkleidet, und die Piloten tragen zusätzlich Schutzkleidung mit Bleiwesten. Inzwischen ist aber auch die Strahlenbelastung drastisch zurückgegangen und liegt derzeit bei 4,1 mSv/h in 30 m Höhe. Sie befindet sich damit weit unter dem Grenzwert für Militärpiloten.

Der Einsatz der Wasserwerfer scheint hingegen noch nicht begonnen zu haben. Es gibt offenbar Probleme dabei, den Schutt wegzuräumen, damit die Fahrzeuge nah genug an die Reaktoren heranfahren können. Des weiteren wird noch analysiert, wie die Wasserwerfer arbeiten müssen, um einen maximalen Effekt zu erzielen.

Insgesamt elf Wasserwerfer sollen eingesetzt werden. Es ist damit ein umfassender "Angriff von Land her" geplant. Dabei werden nicht nur Geräte der Polizei verwendet, sondern auch solche des Militärs. Ein Wasserwerfer benötigt ungefähr eine Minute, um seine gesamte Tankfüllung von 4000 Litern zu leeren. Es fährt dann weg, um mit Meerwasser wieder aufgefüllt zu werden, während die nächsten Wasserwerfer die Aktion fortsetzen. Es handelt sich also um eine außerordentlich massive Aktion.

Die Radioaktivität auf dem Gelände des KKW wird laut World Nuclear News gegenwärtig mit 3,8 mSv/h angegeben; allerdings ist unklar, an welcher Stelle diese Werte gemessen wurden. Das ist ein hoher Wert, aber er liegt zwei Zehnerpotenzen unter dem Wert von 400 mSv/h, der - angeblich, es gibt Zweifel an diesem Meßwert - kurz nach dem Feuer in Block 3 direkt neben diesem gemessen worden war.



Eine weitere Entwicklung der vergangenen Stunden betrifft die relative Wichtigkeit der beiden Blöcke 3 und 4. (Über den Zustand aller sechs Blöcke hat übrigens die GRS eine sehr nützliche detaillierte Tabelle veröffentlicht; der Stand ist 19.00 Uhr gestern Abend. Es handelt sich dabei um eine Übernahme vom Japan Atomic Industrial Forum, wo sich - englischsprachig - die jeweils neueste Version dieses Statusberichts findet).

Es hat sich nämlich nach der Analyse von Luftaufnahmen aus Hubschraubern herausgestellt, daß entgegen den bisherigen Vermutungen die Lage in Block 3 kritischer ist als in Block 4. In letzerem wurde noch eine beträchtliche Füllung des Auffangbeckens mit Wasser ausgemacht, während das Becken in Block 3 fast leer ist. Die Behörden haben deshalb entschieden, die heutigen Maßnahmen zunächst auf Block 3 zu konzentrieren.

Außerdem wurde inzwischen beschlossen, die Hubschrauberflüge zunächst erneut auszusetzen, denn nach der Auswertung der Wirkungen scheinen sie wenig effizient zu sein.



Zusammengefaßt ist die Lage damit im Augenblick so:
  • Der Anschluß an das Stromnetz wird, wenn er heute gelingt, etwaige Probleme mit den Blöcken 5 und 6 beseitigen und auch bei der Lösung der übrigen Schwierigkeiten von erheblichem Nutzen sein.

  • Von einem "GAU" oder gar "Super-GAU", wie ihn unsere Medien herbeiphantasieren, ist nach wie vor keine Rede. Ebenso absurd ist die Behauptung, die Techniker hätten in dem KKW die Kontrolle verloren.

  • Eine "Kernschmelze" in einem der Reaktoren wird also überhaupt nicht mehr erwartet. Es geht jetzt um die Auffangbecken, in denen sich abgebrannte Brennelemente befinden.

  • Dabei konzentriert man sich seit heute auf Block 3 anstatt wie gestern auf Block 4, und es wird hauptsächlich auf den Einsatz von Wasserwerfern gebaut.
  • Der heutige Tag dürfte damit, wie schon am Ende des vorausgehenden Artikels geschrieben, kritisch sein.

    Erweist sich der Einsatz der Wasserwerfer als erfolgreich und gelingt der Anschluß an das Stromnetz, dann ist sehr wahrscheinlich eine Wende erreicht, und die Lage wird sich Schritt für Schritt weiter entspannen.

    Falls es allerdings nicht gelingen sollte, die Auffangbecken mit dieser Methode wieder zu füllen, dann würde es zwar nicht zu einer Katastrophe kommen, aber doch zu einer Situation, in der das KKW in erheblichem Umfang Strahlung an die Umgebung abgeben würde.




    Aktualisierung um 18.00 Uhr:

    Die Nachrichten sind überwiegend positiv; aber nicht so positiv, wie man es sich für heute gewünscht hätte.

    In Japan ist es jetzt schon zwei Stunden nach Mitternacht; dies ist also ein Rückblick auf das, was dort am heutigen Tag geschehen ist. In den Nachrichten um 0.00 Uhr japanischer Zeit (16.00 MEZ) hat NHK einen Überblick über den Tag gegeben. Soweit nicht anders angegeben, stammen die folgenden Informationen von dort oder von CNN.

    Wie berichtet, sind die beiden entscheidenden Ziele derzeit die Wiederherstellung der Stromversorgung und die Abkühlung der Abklingbecken in den Blöcken 4 und vor allem 3.

    Die Maßnahmen zum Erreichen der beiden Ziele stehen in Wechselwirkung: Solange die abgebrannten Brennelemente nicht hinreichend gekühlt sind, bleibt die Strahlung hoch, was das Anschließen an das Stromnetz erschwert. Solange andererseits das KKW nicht wieder an das Stromnetz angeschlossen ist, kann die Kühlung nicht über die Pumpen erfolgen, sondern man ist auf externe Maßnahmen wie den Einsatz von Hubschraubern und von Wasserwerfern und Löschfahrzeugen angewiesen.

    Eine wesentliche positive Entwicklung des heutigen Tages ist es deshalb, daß die Strahlenbelastung erheblich zurückgegangen ist. Oben in diesem Artikel finden Sie den Wert von 3,8 mSv/h aus der vergangenen Nacht (1.30 MEZ; entsprechend 9.30 japanischer Zeit). Inzwischen ist dieser Wert nach Angaben der Japanese Nuclear and Industrial Safety Agency (NISA) auf 1,6 mSv/h gefallen.



    Zur Kühlung stellt sich die Lage jetzt so dar:

    Entgegen dem, womit heute Morgen zu rechnen gewesen war, hat der Tag noch keine Klarheit über die Effizienz der verschiedenen Methoden des "Angriff zu Land und aus der Luft" gebracht. Das liegt hauptsächlich daran, daß diese Maßnahmen erst langsam in Gang kamen.

    Vor allem das Heranführen der Fahrzeuge erwies sich als schwierig, weil - wie schon berichtet - zunächst Schutt weggeräumt werden mußte, so daß dieser Einsatz überhaupt erst um 19.00 Ortszeit (11.00 MEZ) beginnen konnte.

    Neben Wasserwerfern der Polizei wurden Löschfahrzeuge des Militärs eingesetzt. Der erste Einsatz dauerte 40 Minuten; die Einsätze sollen die Nacht über fortgesetzt werden.

    Es zeigte sich, daß die Wasserwerfer der Polizei es nicht schafften, mit ihrem Strahl das Abklingbecken zu erreichen. Die Fahrzeuge des Militärs waren hingegen erfolgreich. Es handelt sich um Geräte, die auf Flughäfen zum Löschen von Flugzeugbränden verwendet werden. Gegenwärtig sind vier davon im ununterbrochenen Einsatz; dies soll die Nacht über fortgesetzt werden.

    Die Strahlung aus Reaktor 3 konnte dadurch gesenkt werden; wie bereits erwähnt, von 3,8 mSV/h auf jetzt 1,6 mSv/h; also mehr als eine Halbierung. Das Wichtige an diesem - wie er sich gegenwärtig darstellt - Erfolg ist, daß dann, wenn diese Methode sich erst einmal als wirkungsvoll erwiesen hat, sie unbegrenzt weiter angewandt werden kann. Mittelfristig dürfte damit das Problem der Kühlung von Abklingbecken beherrscht werden; so lange, bis wieder die Pumpen zur Verfügung stehen.

    Die Hubschrauber wurden ebenfalls eingesetzt, konnten aber wegen der hohen Strahlung und auch deshalb, weil man eine erneute Explosion für möglich hält, nicht längere Zeit über Block 3 schweben. Die Wasserladungen wurden stattdessen im Überflug abgeworfen.

    Es gab vier derartige Überflüge mit jeweils einer abgeworfenen Wassermenge von 7.500 Litern; nur einmal scheint aber das Reaktorgebäude voll getrofffen worden zu sein. Diese Abwürfe fanden laut GRS heute ab 9.48 Uhr Ortszeit statt; also 1.48 Uhr MEZ. Es dürfte sich demnach um genauere Informationen zu den Versuchen handeln, die ich bereits heute Morgen erwähnt habe.



    Was den Anschluß an das Hochspannungsnetz angeht, zeigten sich die Sprecher von TEPCO optimistisch. Entgegen den ursprünglichen Erwartungen ist er zwar heute noch nicht gelungen, aber er wurde mit Zuversicht für morgen in Aussicht gestellt. Zunächst soll Block 2 angeschlossen werden, bei dem die Anschlüsse am wenigsten beschädigt sind.

    Wie erwähnt, hängt der Fortschritt bei diesen Arbeiten davon ab, wie schnell die Radioaktivität gesenkt werden kann. Es ist ja nicht damit getan, irgendwo ein Kabel einzustöpseln, sondern es müssen zahlreiche Leitungen und Verbindungen repariert werden.

    Ist erst einmal wieder Strom da, dann werden - darauf hat NHK hingewiesen - auch nicht sofort alle Pumpen wieder anspringen. Sie müssen einzeln überprüft und gegebenenfalls instandgesetzt werden. Die Reaktorblöcke haben ja, von den Explosionen und Bränden ganz abgesehen, ein schweres Erdbeben, einen Tsunami und mehrere Nachbeben hinter sich.



    Wenn man den Ton der Berichterstattung von NHK mit dem vergleicht, was die hiesigen Medien ihren Zuschauern bieten, dann glaubt man in eine andere Welt einzutreten. Hier in Deutschland ist das Rahmenszenario: "Es wird alles immer schlimmer". In Japan wird nüchtern und mit technischem Sachverstand berichtet, wie man Schritt für Schritt dieses schweren Störfalls Herr zu werden versucht.

    In Deutschland wird uns ein Realität gewordener Katastrophenfilm vorgeführt; je Schlimmeres sie berichten können, umso mehr scheinen diese Journalisten aufzublühen. In Japan erfolgt die Berichterstattung so, wie Journalismus sein sollte: Der Zuschauer erfährt die Fakten; Experten erklären sie ihm.

    Ein Erfolg der jetzigen Maßnahmen ist auch heute noch nicht garantiert. Aber von einer "nuklearen Katastrophe" ist Fukushima Daiichi jetzt weiter entfernt als irgendwann seit der Naturkatastrophe vor fast einer Woche.



    Noch zwei Aspekte, die über technische Informationen hinausgehen:

    Zum einen ist die Disziplin der Japaner weiterhin bewundernswert.

    Es wird beispielsweise soviel Strom gespart, daß trotz des Ausfalls der Reaktoren heute sogar mehr Strom erzeugt als verbraucht wurde.

    Einen wesentlichen Anteil daran haben Privathaushalte, die ihren Verbrauch freiwillig einschränken, soweit sie können. Sodann wurde in Tokio die Taktfrequenz im Nahverkehr gesenkt. Die Menschen nehmen es in Kauf, in den Zügen noch enger zu stehen als gewohnt und unter Umständen lang auf den Bahnsteigen zu warten.

    Zum zweiten: Wie steht es eigentlich mit der Gesundheit der Techniker und Arbeiter?

    CNN zitiert Hidehiko Nishiyama, den stellvertretenden Generaldirektor von NISA, der darauf hinwies, daß alle Sicherheitsbestimmungen eingehalten würden. Das von der Arbeit zurückkehrende Personal wird sofort medizinisch untersucht. Von 18 Arbeitern, bei denen das heute Morgen gemacht wurde, zeigten 17 keinen Befund. Bei einem wurde festgestellt, daß er eine erhöhte Strahlendosis erhalten hatte; es sei aber keine ärztliche Behandlung erforderlich gewesen.

    Bei der IAEA finden Sie weitere Angaben über Kontamination bei Arbeitern, Technikern, Polizisten und Feuerwehrleuten. Bisher ist kein schwerer akuter Fall einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bekannt; allerdings sind Langzeitschäden zu befürchten, die vor allem in einem erhöhten Krebsrisiko bestehen.



    Wenn Sie sich jetzt über den tatsächlichen Sachstand informiert haben, dann gehen Sie vielleicht einmal zu "Welt-Online" und lesen Sie dort den momentanen Aufmacher, publiziert um 17.29 Uhr. Überschrift: "ATOMARE KATASTROPHE - 20 Kamikaze gegen die Höllenmaschine Fukushima". Teaser: "Japan versucht alles im Kampf gegen die Katastrophe. Das letzte Aufgebot scheint eine Gruppe von Technikern zu sein, die auf Himmelfahrtskommando gehen".





    Aktualisierung am Freitag um 13.30 Uhr:

    Diese Aktualisierung stützt sich auf die Nachrichten von NHK um 20.00 Ortszeit (entsprechend 12.00 Uhr MEZ) sowie auf die Zusammenfassungen der Nachrichtenlage bei CNN mit Datierung von heute 12.21 Uhr MEZ und der Washington Post, datiert 12.25 Uhr MEZ.

    Das Gesamtbild ist dasjenige einer langsamen Verbesserung der Lage. Es geht nicht so schnell voran, wie erhofft, aber es ist auch keine Verschlechterung eingetreten. Im einzelnen:
  • Die Strahlung ist weiter zurückgegangen. Heute Vormittag teilte TEPCO mit, daß die am Westtor (der Hauptmeßstelle) gemessene Strahlung seit zwölf Stunden zwischen 0,26 mSv/h und 0,27 mSv/h liegt. (Zum Vergleich: Gestern sank sie im Lauf des Tages von 3,8 auf 1,6 mSv/h).

  • Allerdings gab es eine Strahlungsspitze von 20 mSv/h anscheinend unbekannter Ursache ausgerechnet in dem Nebengebäude, wo man am Anschluß an das Hochspannungsnetz arbeitet. Vermutlich im Zusammenhang damit wird dieser Anschluß am heutigen Freitag nicht mehr fertiggestellt werden und wird jetzt für morgen in Aussicht gestellt.

  • Die Bemühungen zur Kühlung der Brennelemente im Auffangbecken konzentrieren sich weiter auf Block 3; den einzigen, dessen Brennstäbe auch Plutonium (übrigens aus Wiederaufbereitung) enthalten. Als die effektivste Methode hat sich jetzt eindeutig der Einsatz von Löschfahrzeugen erwiesen. Neben sechs Geräten des japanischen Militärs wurde heute auch ein spezielles Löschfahrzeug eingesetzt, das aus den USA eingeflogen worden war. Es wird erwogen, auch den Reaktor 1, der seit Montag im Inneren des Containers mit Meerwasser gekühlt wird, zusätzlich von außen mit dieser Methode zu kühlen. Bisher ist das aber nicht entschieden.

  • Die NISA hat den Unfall jetzt von Stufe 4 nach Stufe 5 auf der International Nuclear and Radiological Event Scale der IAEA angehoben. Wenn Sie sich über diese Skala informieren wollen, empfehle ich Ihnen einen Blick in das Benutzerhandbuch. Mit dem Wert 5 wurde auch der Störfall im Reaktor Three Mile Island eingestuft. Dieser Unfall führte, wie Sie hier nachlesen können, weder zu akuten Gesundheitsschäden beim Personal noch zu einem erhöhten Auftreten von Krebserkrankungen in der Bevölkerung der Umgebung.

  • Die Temperaturen in den Abklingbecken der Blöcke 5 und 6 steigen weiter leicht an, sind aber immer noch weit von einem kritischen Wert entfernt. Wenn die Anschließung an das Hochspannungsnetz gelungen ist, wird dieses Problem vermutlich schnell gelöst sein, denn es gibt keinen Hinweis darauf, daß die Pumpen in diesen beiden Blöcken beschädigt sind.
  • Von der Katastrophe, die in unseren Medien heraufbeschworen wird, ist Fukushima auch nach dem momentanen Stand so weit entfernt wie die "Tagesschau" von einer seriösen Berichterstattung (siehe Die "Tagesschau" gestern über Fukushima: Vierzehn sachliche Fehler; ZR vom 18. 3. 2011). In den internationalen Medien kommt das darin zum Ausdruck, daß das Thema allmählich aus den Schlagzeilen verschwindet. Wenn Sie zum Beispiel zur Startseite von CNN gehen, dann müssen Sie im Kleingedruckten suchen, um dieses Thema überhaupt zu finden.

    Wie CNN hat auch die Washington Post die Libyenkrise als Aufmacher. In ihrem Artikel zur Lage in Fukushima Daiichi schreibt sie, daß die Verantwortlichen in Japan "were confronting a problem that would not be resolved quickly", vor einem Problem stünden, das nicht schnell gelöst sein werde.

    Das entspricht auch meiner Sicht. Es hat vor einer Woche die Möglichkeit gegeben, daß es zu einer nuklearen Katastrophe hätte kommen können; wenn auch die Wahrscheinlichkeit dafür sehr niedrig gewesen war. Diese Gefahr ist seit Montag beseitigt, als man erfolgreich dazu überging, die Reaktorkerne der Blöcke 1, 2 und 3 über deren Feuerlöschsystem zu kühlen, das mit Meerwasser gespeist wird.

    Seither geht es darum, die Schäden zu beseitigen, das Problem schmelzender Brennstäbe vor allem in den Auffangbecken in den Griff zu bekommen und dabei zu verhindern, daß die Gesundheit der beteiligten Mitarbeiter beeinträchtigt wird. Diese schmelzenden Brennstäbe stellen eine Gefahr dar, aber nicht die Gefahr einer Katastrophe. Bisher ist Strahlung in einer Stärke, von der eine gesundheitliche Schädigung der Bevölkerung zu erwarten ist, nicht aufgetreten.

    Möglicherweise wird es Monate dauern, bis keine weiteren Eingriffe mehr erforderlich sind. Wieder ans Netz gehen wird Fukushima Daiichi wohl nicht; jedenfalls nicht mehr die Blöcke 1, 2 und 3, die durch die Kühlung mit Meerwasser irreparabel geschädigt sind. Möglicherweise wird man sich entschließen, diese drei Reaktoren mit einer Schutzhülle ("Sarkophag") zu versehen, statt die dortigen Brennelemente zu entsorgen. Eine Katastrophe wäre das nicht.
    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Die Titelvignette zeigt ein von Tungsten in die Public Domain gestelltes Schema der fünf "Verteidigungslinien", die einen Reaktor schützen. Näheres finden Sie hier. Mit Dank an nilfisk und Elmar. Erstpublikation dieses Artikels am 17. 3. um 8.35 Uhr.