9. Juli 2011

"Starke Aufheiterungstendenzen im reformatorischen Glauben"

Gerade mit einer Lutherbotschafterin Käßmann also könnten, sofern die Kirche ihre Sündentheologie nicht mit neuem Ernst ausbuchstabiert, die starken Aufheiterungstendenzen im reformatorischen Glauben befördert werden.
(Matthias Kamann in der "Welt")


Die EKD hat Margot Käßmann zu ihrer "Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017", kurz: "Lutherbotschafterin" ernannt.

Selbst der ewige Spötter und Ätzer Broder bescheidet, nun sei es gut mit dem Käßmann-Bashing, lässt sich zusammen mit ihr und dem EKD-Ratsvorsitzenden Schneider ablichten und überrascht uns mit einem nachgerade sympathiegeschwängerten Artikel über die Ex-Bischöfin. Broder sozusagen als Käßmannbotschafter.

Der oben zitierte Artikel von Matthias Kamann, wie der von Broder in der Online-Ausgabe der "Welt" erschienen, lässt da schon eher Distanz und Zweifel anklingen.

Denn mit einigem Recht darf man fragen, was die Botschaft Margot Käßmanns denn mit der Martin Luthers zu tun hat. "Frieden stiften" wolle sie und sich für "Gerechtigkeit in unserem Land" einsetzen.

Der Autor weist zurecht darauf hin, dass die Gerechtigkeit, über die Luther so emphatisch sprach, die Gerechtigkeit im theologischen Sinne war, die Gerechtigkeit nämlich, mit der der sündige Mensch vor Gott bestehen kann. Käßmann würde diese Rechtfertigungstheologie aber verfreundlichen, wenn sie diese lediglich als "die fröhliche Zuversicht, nicht alles selbst machen und schaffen zu müssen" verstehe.

In diesem Zusammenhang fällt auch der oben zitierte Satz von den "Aufheiterungstendenzen". Man könnte auch sagen: Gott wird nicht mehr ernst genommen. Von dem Gott, der die Sünde verdammt und den Sünder zur Verantwortung zieht, scheint Käßmann nicht mehr viel zu wissen. Ihr Gott ist der liebe Gott, dem es am Ende wohl auch egal ist, ob wir an ihn geglaubt haben oder nicht. Mit dem Gott, an den Luther geglaubt hat, hat das in der Tat nicht mehr viel zu tun.

Man könnte fortsetzen, und Kamann setzt fort, indem er an Luthers Freiheitsbegriff und an das lutherische Pflichtethos erinnert, zu denen Käßmann wohl auch eher ein distanziertes Verhältnis hat.

Ergänzen könnte man, dass zum neureformatorischen Aufheiterungsprogramm à la Käßmann nachgerade die Umkehrung der traditionellen, nicht nur reformatorischen, Sündenlehre gehört. Ökonomisch gesprochen: Dein Konto ist schon bei Deiner Geburt in den schwarzen Zahlen, und nichts, was du tust, kann es in die roten Zahlen bringen, zitiert Reinhard Mohr in einem bissigen, aber treffenden Artikel aus ihrem neuen Buch "Sehnsucht nach Leben".

Nun, das steht im eklatanten Widerspruch zum lutherischen Bekenntnis, auf das sie ordiniert worden ist. In der Augsburger Konfession, Art. II, heißt es:
Weiter wird bei uns gelehrt, dass nach Adams Fall alle natürlich geborenen Menschen in Sünde empfangen und geboren werden, das heißt, dass sie alle von Mutterleib an voll böser Lust und Neigung sind und von Natur keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott haben können, ferner dass auch diese angeborene Seuche und Erbsünde wirklich Sünde ist und daher alle die unter den ewigen Gotteszorn verdammt, die nicht durch die Taufe und den Heiligen Geist wieder neu geboren werden.
Nun, das ist das genaue Gegenteil dessen, was Käßmann schreibt: Dein Konto ist schon bei Deiner Geburt in den roten Zahlen, und nichts, was du tust, kann es in die schwarzen Zahlen bringen.

Zugegeben, das ist die unbequeme, vielgescholtene christliche Erbsündenlehre. Wenn man darüber diskutieren möchte, bitte. Nur möge man sich dann nicht auf Luther berufen und möge sich überhaupt das Etikett "lutherisch" nicht mehr anheften.

Und schließlich – und das Thema ist mir immer wieder wichtig –: Käßmann steht mit dem lutherischen Verständnis von Obrigkeit und Staat auf der einen Seite sowie Kirche und Reich Gottes auf der anderen Seite eklatant auf Kriegsfuß (Vgl. dazu: Gedanken zur christlichen Friedensbotschaft, Beobachtungen aus Afghanistan und eine Erinnerung an Luthers Zwei-Reiche-Lehre. Ein Gastbeitrag von Herr; ZR vom 1. 1. 2010). Wer mit den Taliban zusammen beten möchte, bzw. wer es gar nicht selber möchte, aber es anderen vorschlägt, der wäre in Luthers Augen schlichtweg ein Schwärmer gewesen, der das Evangelium vom Reich Gottes mit der tätigen Verantwortung des Christen in der Welt vermengt. Luther hat angesichts der türkischen Bedrohung auch zum Gebet aufgerufen, aber zum Gebet nicht mit, sondern gegen den Türken. Und zum Kampf mit der Waffe ... (M. Luther: Vom Kriege wider die Türken, 1529).

Wenn Margot Käßmann die Botschaft Luthers in unserer Zeit repräsentieren soll, dann kann ich wirklich nur noch sagen: Das kann ja heiter werden!

Herr

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