13. März 2012

Deutschland im Öko-Würgegriff (29): "Ökofimmel". Ökologismus-Kritik innerhalb des Ökologismus. Kontraproduktive Maßnahmen und ideologische Dominanz

Wann hat eine Religion, wann hat eine Ideologie vollständig gesiegt? Wenn selbst Kritiker sich in ihrem Rahmen bewegen.

So war es, als beispielsweise Oppositionsgruppen in sozialistischen Ländern deren Regierungen vorwarfen, sie hätten sich vom wahren, dem eigentlichen Marxismus entfernt. So ist es heute, wenn im Iran die Opposition nur noch aus Leuten besteht, die innerhalb der herrschenden Theokratie einen etwas anderen Kurs einschlagen wollen als der Ayatollah Chamenei.

Es ist der Fall, wenn - um in einen anderen Bereich zu gehen - in der Kunst bestimmte Formen derart dominieren, daß nur noch kritisiert wird, daß jemand sie nicht gut beherrscht; nicht aber mehr thematisiert wird, ob es nicht auch andere Formen geben könnte und sollte. (Ein Beispiel ist das heutige Regietheater, ein anderes die Dominanz der Abstrakten Kunst Mitte des vorigen Jahrhunderts).

So ist es jetzt, jedenfalls in Deutschland, mit dem Ökologismus. Schon das Wort ist bezeichnenderweise nicht gebräuchlich. Im Englischen spricht man vom ecologism oder environmentalism; im Französischen von écologisme. Die deutsche Entsprechung "Ökologismus" ist hingegen, so die Wikipedia, eine "abwertende Fremdbezeichnung".

Die Endung "-ismus" bezeichnet eine Weltanschauung, eine Denkrichtung, eine Ideologie. Das will der Ökologismus nicht sein. Er möchte nicht eine bestimmte Haltung innerhalb der Gesellschaft sein, sondern die Haltung der Gesellschaft.

Die Umweltschützer verstehen sich nicht (mehr) als eine Gruppe mit einem Anliegen, sondern unser aller Anliegen soll der Umweltschutz sein. So, wie im Sozialismus alle Menschen Marxisten sein sollten und heute im Iran nur noch innerhalb des Islamismus öffentlich argumentiert werden kann. Eine Ideologie, die allen Bürgern verordnet wird, verliert den Charakter der Ideologie; sie wird zu einen Stück des Systems von Selbstverständlichkeiten, das eine Kultur, das eine Gesellschaft kennzeichnet.



Mir ist das aufgefallen, als ich im aktuellen "Spiegel" (11/2012 vom 12. 3. 2012, S. 60) den Artikel "Deutschland - ein Ökomärchen" von Alexander Neubacher las; Kondensat eines Buchs, das Neubacher jetzt unter dem Titel "Ökofimmel" publiziert hat. In Form einer konzertierten Aktion hat gestern in "Spiegel-Online" auch Jan Fleischhauer in seiner Kolumne "Der schwarze Kanal" das Thema aufgegriffen und den Kollegen Neubacher für das gelobt, was er in seinem "wunderbaren Buch" geschrieben habe.

"Ökofimmel" und "Ökomärchen" - klingt das nicht hoffnungsvoll? Sollte ich als ein Kritiker des Ökologismus (siehe diese Serie) mich nicht über solche Titel freuen; über das, was sie verheißen?

Ja, gewiß. Aber bei Neubacher wie auch bei Fleischhauer wird eben das sichtbar, was ich oben allgemein skizziert habe: Sie kritisieren; aber sie kritisieren nicht den Ökologismus, sondern nur innerhalb des Ökologismus, auf seinem Boden stehend.

Neubachers Artikel beginnt verheißungsvoll:
Wenn etwas der Umwelt dient, entfällt jede Begründungsnotwendigkeit; wo ein Öko-Label draufklebt, erübrigt sich jeder Streit. Die politischen Parteien sind sich im Prinzip einig: Umwelt kann es nicht genug geben. Kein fortschrittlicher Politiker will sich dem Verdacht aussetzen, es mangle ihm an ökologischem Bewusstsein, sonst wäre seine Karriere am Ende.
So ist es. Die Ideologie, die einmal diejenige einer kleinen Gruppe von Zeloten gewesen war, ist längst zur Staatsreligion erhoben.

Wenn man das verstanden hat, dann müßte der nächste logische Schritt eigentlich sein, eine Rückkehr zum Pluralismus zu fordern; darauf zu beharren, daß unsere Umwelt gesund ist und kaum eines weiteren "Schutzes" bedarf; daß unser Klima in Ordnung ist und es derzeit keine belastbaren Belege dafür gibt, daß sich das demnächst drastisch ändern wird. Rational betrachtet ist "Umwelt" ein Fetisch.

Davon aber schreibt Neubacher nichts. Er kritisiert nicht die Religion. Er kritisiert ihre Auslegung. Er meint nicht, daß wir weniger für die Umwelt tun sollten. Er meint nur, daß das, was wir tun, nicht das Richtige, nicht das Effektive ist. Ihn stört nicht das Hineinregieren des Staats in unser Leben; er möchte nur gern, daß besser hineinregiert wird.

Neubacher führt vieles auf, das nicht neu ist und von dem Sie manches auch schon in dieser Serie und anderswo in ZR lesen konnten. Beispielsweise:
  • Bis zu 64 Prozent der Verpackungen in den "Gelben Säcken" werden gar nicht recyclet, sondern verbrannt oder sonstwie verwertet - ganz nach Belieben des Müllverwerters.

  • In Deutschland gibt es keinen Wassermangel. Der einzige Effekt des "Sparens" von Wasser ist, daß die Rohrleitungen verstopfen, daß sich dort giftige Schwermetalle ablagern und daß stinkende Gerüche entstehen (siehe "Absurde Logik des Wassersparens"; ZR vom 27. 9. 2010).

  • Die sogenannten "Energiesparlampen", die zu verwenden uns durch das Verbot von Glühbirnen aufgezwungen werden soll, enthalten hochgiftiges Quecksilber. Schon wenn eine einzige solche Energiesparlampe zerbricht, führt das zu einer Belastung der Raumluft weit jenseits aller Grenzwerte. Entsorgt werden diese Quecksilber-Bestandteile in Deutschland in einer Sondermülldeponie in einem Salzbergwerk; wie Atommüll (siehe "Politiker revoltieren gegen Glühbirnenverbot"; ZR vom 22. 10. 2010).

  • Wärmedämmung verändert das Klima in den Häusern und begünstigt die Schimmelbildung. Zugleich werden durch die "thermische Sanierung" die Fassaden alter Häuser verhunzt (siehe "Wärmedämmung - die Burka für das Haus"; ZR vom 5. 2. 2012).
  • Das alles und etliches mehr beschreibt Alexander Neubacher sehr schön. Und welches Fazit zieht er? Fordert er die Abkehr von diesem ganzen Ökowahn; den Ausstieg aus dem Ökologismus? Ach nein. Er schreibt am Schluß seines Artikels:
    Ein Dosenpfand, das ausgerechnet die umweltfreundlichen Mehrwegflaschen aus dem Handel drängt, sollte grundlegend reformiert werden, ebenso die Förderung der ineffizienten Solarenergie, die eine oder andere Dämmvorschrift und der gelbe Sack. (...)

    Und solange eine einmal verwendete Papiertüte eine schlechtere Ökobilanz aufweist als eine Plastiktüte, sollten grüne Sittenpolizisten noch einmal darüber nachdenken, ob es wirklich der Kunststoffbeutel ist, den sie verbieten wollen.
    Mit anderen Worten: Daß auf allen diesen Gebieten vorgeschrieben, verboten und verordnet wird, nur weil der Ökologismus es so will, das kritisiert Neubacher nicht. Nur soll es effizienter geschehen. Wenn eine Vorschrift nicht den erhofften Effekt bringt, dann hätte er sie gern durch eine bessere ersetzt.

    Daß es aber schon als solches ein Irrweg ist, daß der Staat alle Lebensbereiche im Namen einer Ideologie zu kontrollieren versucht - das sieht Neubacher nicht; jedenfalls schreibt er es in dem Artikel nicht.

    Immerhin aber schreibt er dies; und auch das ist ja schon etwas:
    Niemand sollte gezwungen werden, sich giftige Quecksilberleuchten ins Haus zu holen. Es ist unvernünftig, weitere Atomkraftwerke abzuschalten, wenn wir dadurch von Atomstrom-Importen aus Frankreich abhängig werden.
    Mit dieser letzten Forderung freilich begibt sich Neubacher bereits bedenklich weit hinaus aus unserer deutschen Volksgemeinschaft.
    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen bisherigen Folgen dieser Serie findet man hier. Titelvignette: Schiffe sinken im Sturm. Gemälde von Ludolf Backhuysen (ca 1630).