25. September 2012

Marginalie: "Energiewende" - Aktuelles für Häuslebauer, Hintergründiges für die Geschichtsbücher

Über die verheerenden Folgen der "Energiewende" könnte man fast täglich einen Artikel schreiben. Aktuell zum Beispiel darüber, wie sie sich auf diejenigen Bürger auswirkt, die ein Eigenheim bauen wollen; auch auf diejenigen, die Miet­wohnungen in neu erbauten Häusern beziehen.

Die "Welt" hat darüber am vergangenen Donnerstag berichtet; Überschrift: "Energiewende macht Eigenheim-Traum unbezahlbar".

Warum macht sie das, die Energiewende? Weil der "Ausstieg" aus der sauberen Atomenergie zwangsläufig dazu führt, daß in Deutschland die CO2-Emissionen aus Kraftwerken steigen, die fossile Energieträger verbrennen. (Bekanntlich müssen diese immer dann eingesetzt werden, wenn der Wind zu wenig weht und/oder die Sonne zu wenig scheint). Also versucht man seine "ehrgeizigen" Klimaziele wenigstens halbwegs zu retten, indem der Energieverbrauch für Heizungen gesenkt wird; durch mehr Wärmedämmung. Die "Welt":
Bauherren müssen bald tiefer in ihre Taschen greifen. Die Bundesregierung will die Energieeinsparverordnung (EnEV) in den kommenden Jahren verschärfen. (...) Mit den nun geplanten Vorgaben würde der maximal zulässige Verbrauch für Heizung und Warm­wasser­aufbereitung bei Neubauten im Jahr 2014 auf 6,125 Liter Heizöl pro Quadratmeter und Jahr sinken. (...) Wohnimmobilien, die von 2016 an errichtet werden, dürften dann nur noch 5,36 Liter Heizöl verbrauchen.
Das bedeutet einen massiven Anstieg der Baukosten, die bereits jetzt durch die gesetzlich verlangte Wärmedämmung sehr hoch sind. Nach Schätzungen werden sie sich 2014 erneut um mehr als vier Prozent und 2016 nochmals um mehr als sechs Prozent verteuern. Fachleute, die in dem "Welt"-Artikel zitiert werden, befürchten, daß dann neu errichtete Mietwohnungen nur noch im oberen Preissegment angeboten werden und daß immer mehr Deutsche sich zum Kauf eines Altbaus entschließen, statt selbst zu bauen.



Eine Facette nur; ein Mosaikstein, in dem Bild des Wende-Horrors, das immer mehr Gestalt annimmt.

Wie konnte es dazu kommen, daß ein intelligentes, zivilisiertes Volk in einen Zustand kollektiver Besoffenheit gerät, in dem es sich für den Irrwitz dieser "Energiewende" entschied?

Der Mainzer Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger und sein Mitarbeiter Richard Lemke haben dazu eine bemerkenswerte Untersuchung durchgeführt, über die sie im März dieses Jahres auf der Jahrestagung 2012 der Strahlenschutzkommission berichteten. Auf diesem Vortrag basiert ein Artikel, den die beiden Autoren im August in der "Welt" publiziert haben. Die Folien zu dem Vortrag können Sie sich hier ansehen.

Die beiden Autoren haben die Berichterstattung deutscher, schweizer, französischer und britischer Medien zur Zeit des Reaktorunfalls in Fukushima analysiert. Ihre Ergebnisse sind eindeutig: Weder in Frankreich noch in England wurde von den Medien derart eine Verbindung zwischen dem Unfall und der Kernkraft im eigenen Land hergestellt wie in Deutschland; lediglich in der Schweiz zeigte sich eine ähnliche Tendenz.

In der Zusammenfassung ihres Vortrags vor der Strahlen­schutz­kommission schreiben die Autoren:
Deutsche Medien haben im Unterschied zu den englischen und französischen Medien die Reaktor­kata­strophe in Japan durch die Intensität und den Inhalt ihrer Berichterstattung als typisch für die Gefahren der Kernenergie dargestellt. Fukushima wurde dadurch zum Menetekel, das Konsequenzen verlangt.
Und in dem Artikel in der "Welt" lautet ihr Fazit:
Das Geschehen in Japan schien aus Sicht vieler deutscher Journalisten nur das zu bestätigen, was man hier schon lange zu wissen glaubte, nämlich die Unbeherrschbarkeit der Kernenergie.

Ihre Darstellung entsprach, wie Umfragen zeigen, der Sichtweise eines Großteils der Bevölkerung. In Deutschland ging es, anders als in Frankreich und England, nicht vorrangig um die japanischen Opfer des Tsunami, sondern um die deutschen Opfer der seit Tschernobyl verbreiteten Atomangst.
Damit sind wir beim Kern der Sache: German angst - diese seltsame deutsche Irrationalität, was die Nuklearenergie angeht. Ich habe diesem Phänomen einmal die Serie "Die Deutschen und das Atom" gewidmet, in der ich versucht habe, die Entwicklung dieser sehr deutschen Haltung von der Bewegung "Kampf dem Atomtod" der fünfziger Jahre über die Anti-Kernkraft-Krawalle der achtziger Jahre und die Tschernobyl-Hysterie bis in die Gegenwart nachzuzeichnen.

Vielleicht mögen Sie das nachlesen; Sie verstehen dann, denke ich, besser, wie unser Land in den jetzigen Schlamassel geraten konnte. Und wenn Sie sich die Ergebnisse von Kepplinger und Lemke im einzelnen ansehen wollen, dann lesen Sie am besten erst ihren Artikel; nach dessen Lektüre werden Sie die Folien zu ihrem Vortrag leicht verstehen können.




Nachtrag am 26. 9.: Siehe dazu auch den Artikel in der gestrigen "Neuen Zürcher Zeitung": "Hochgespieltes Fukushima - Haben Journalisten die Energiewende herbei­geschrieben?".
Zettel



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