5. November 2012

Kurioses, kurz kommentiert: "Was zieh' ich morgen an?" Etwas aus dem täglichen Schulstress

Dorothea Friedrich, die sich für die Rhein-Main-Regional­ausgabe der FAZ gern mit Mode befaßt, hat sich jetzt eines Themas angenommen, das gründlich zu behandeln es auch wirklich Zeit wurde: Wie sollten sich Lehrer und Lehrerinnen eigentlich in der Schule kleiden?

Als ich das las, fiel mir auf, daß ich mich nie in meinem Leben mit diesem offenbar wichtigen Thema beschäftigt hatte.

Zu meiner Schulzeit waren der Lehrer und die Lehrerin so gekleidet, wie sich nun einmal jeder anzog, der nicht von Berufs wegen eine besondere Kleidung hatte: Die Lehrer trugen eine Kombination mit Sakko oder einen Anzug; dazu natürlich eine Krawatte. Die Lehrerinnen hielten es entsprechend, kamen folglich im Kleid in die Schule oder in Bluse und Rock.

Jetzt also las ich bei Dorothea Friedrich, daß das so einfach heutzutage nicht mehr ist. Auch für den Lehrer geht es inzwischen um das richtige Outfit:
Wer diesen Beruf ausübt, ist gezwungen, sich selbst zu inszenieren. (...) Mit der antiautoritären Erziehung schlich sich der Dresscode-Stress ins Lehrerleben. "Was zieh' ich morgen an?" fragen sich verzweifelte Referendare und Referendarinnen, bevor sie den Initiationsritus der ersten Tage schmerzhaft durchlaufen, von der Schülerschaft genauso argwöhnisch beäugt wie vom Kollegium.
Früher beäugten Schüler und Kollegen (und irgendwann die Damen und Herren vom Schulamt) eher, wie gut der Unterricht des Referendars war.

Heute aber geht es für ihn, für den Assessor, den Studien- und den Oberstudienrat offenbar nicht zuletzt darum, auch outfitmäßig auf einem schmalen Grat zu wandeln; demselben, der auch sein Verhalten bestimmt: Er darf um Gottes willen nicht wie ein autoritärer Knochen daherkommen, sollte andererseits aber doch noch das eine oder andere Allein­stellungs­merkmal gegenüber seinen Schülern aufweisen (für Lehrerinnen gilt sinngemäß dasselbe).

Dorothea Friedrich: "Den Eindruck von Kumpanei sucht der Lehrer zu vermeiden, den Eindruck, ein Wesen aus einer anderen Sphäre zu sein, aber auch". Ein Kumpel, ja schon; aber der Oberkumpel sozusagen. Mit Autorität, aber antiautoritärer Autorität.

Irgendwie scheinen Schlips und Anzug wohl doch etwas mit Autorität zu tun zu haben. Nur beim Schulleiter, so hat Dorothea Friedrich für Hauptschulen herausgefunden, akzeptieren die Schüler (und Eltern!) Krawatte und Anzug. Ihm verleiht, so scheint es, sein Rang das Recht, sich ordentlich zu kleiden.

Vielleicht kann man als Lehrer dann ja, sozusagen im Umkehrschluß, sein Ansehen ein wenig heben, wenn man sich konventionell anzieht? Die Autorin zitiert dazu eine Lehrerin, die sich bei ihrer Abiturklasse erkundigt hatte:
Eine Überraschung. Die jungen Leute sagen klipp und klar, sich bei nachlässig gekleideten Lehrern mehr herauszunehmen. (...) Lehrer zu sein, sagen sie, sei ein Beruf, und man solle es den Lehrern ansehen, dass sie in der Schule etwas anderes trügen als daheim auf dem Sofa.
Früher brachten die Lehrer ihren Schülern gutes Benehmen und ordentliche Kleidung bei. Möglicherweise wäre es gar nicht so schlecht, wenn das jetzt umgekehrt hier und da stattfinden würde. Vielleicht ein wenig kurios, aber irgendwie zeitgemäß.
Zettel



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