14. November 2012

Marginalie: Ein persönlicher Nachruf auf die "Frankfurter Rundschau"

Daß es mit der "Frankfurter Rundschau" jetzt offenbar zu Ende geht, erfüllt mich mit Wehmut.

Mittels der "Frankfurter Rundschau" habe ich lesen gelernt. Meine Großeltern bezogen sie in der Nachkriegszeit. Ich war nicht ganz vier Jahre alt und wollte gern lesen lernen. Daß die Zeitung "Frankfurter Rundschau" hieß, wußte ich. Also bedeuteten die Buchstaben ganz oben, die dort sehr groß standen, F-R-A-N-K-F-U-R-T-E-R-R-U-N-D-S-C-H-A-U.

Damit hatte ich schon die meisten Buchstaben; der Rest ging leicht. Ich fragte, glaube ich, auch noch die Erwachsenen, wie die eine oder andere Überschrift in der FR denn lautete. Es eröffnete sich mir die unglaubliche Welt des Lesens.



Kein Wunder, daß ich zu dieser Zeitung mit ihrem Grün dann ein sehr persönliches Verhältnis gehabt habe. Es gab eine Kinderseite mit einem Onkel, dessen Namen ich nicht mehr sicher weiß ("Onkel Otto"?). Es gab dort Fortsetzungsromane für Kinder, zum Beispiel Tom Sawyer und Huckleberry Finn.

Später dann habe ich die Karikaturen von Felix Mussil sehr geliebt. Ihm habe ich nachzueifern versucht, als ich mich selbst im Zeichnen von Karikaturen versuchte. Da wohnte ich allerdings schon nicht mehr im Einzugsgebiet der FR; aber mein Großvater schnitt sie für mich aus, und wenn ich die Großeltern besuchte, fand ich eine Mappe mit den Karikaturen von Mussil vor.

Eben habe ich gesehen, daß inzwischen Originale Mussils von einem Auktionshaus versteigert werden. Er scheint immer noch zu leben und geht wohl auf die hundert zu.

Die politische Ausrichtung der FR hat mich damals naturgemäß nicht interessiert. Ich traure dem Onkel (Otto?) und Felix Mussil nach.
Zettel



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