19. Dezember 2012

Peter Struck ist gestorben. Nachruf auf einen rechten Sozialdemokraten


Peter Struck ist, erst 69 Jahre alt, einem Herzinfarkt erlegen. Aus der aktiven Politik hatte er sich schon 2009 zurück­gezogen, als er nicht wieder für den Bundestag kandidierte. Er wurde Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung; erst letzte Woche wiedergewählt.

Struck repräsentierte eine SPD, die es kaum noch gibt. Er war Einer, der die Gesellschaft nicht verändern, sondern sie ordentlich organisieren wollte. Er war kein Karrierist, sondern ein, wie man sagte, "Parteisoldat".

Soldat nicht nur in dem Sinn, daß er für seine Partei schuftete. Sondern er hatte auch das anständige Verhältnis zum Militär, das sogenannte rechte Sozialdemokraten immer gekennzeichnet hat und das sie auch in die Verantwortung brachte - von dem Reichswehrminister Gustav Noske bis zu den Bundesverteidigungsministern Helmut Schmidt, Georg Leber, Hans Apel und Rudolf Scharping.

Peter Struck war Verteidigungsminister vom 19. Juli 2002 bis zum 22. November 2005. Er mußte, zuvor Vorsitzender der SPD-Fraktion, in das Amt hinein, nachdem Rudolf Scharping hinausgemobbt worden war.

Der Satz, der mit Strucks Zeit als Verteidigungsminister verbunden bleiben wird, lautet: "Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird heute auch am Hindukusch verteidigt". Das sagte er vor zehn Jahren. Es war ein ungeheuer mutiger Satz; zumal für einen Sozialdemokraten. Die Linke hat ihm diese Haltung nie verziehen.

Struck war kein Linker. Er war nachgerade die Verkörperung des rechten Sozialdemokraten. Zuverlässig, rational, pragmatisch. Bei ihm kam das Bodenständige hinzu; das vielleicht allzu Bodenständige für den Mann aus Uelzen, der sich als Verteidigungsminister auf einmal auf der Bühne der internationalen Politik fand.



Die Sozialdemokratie hat immer aus zwei Parteien bestanden.

Sie war und ist zu einem Teil eine Partei, die von einer gesellschaftlichen Utopie träumt; einer vom Staat kontrollierten Gesellschaft, in der alles das, was das Leben gefährlich und unwägbar macht, durch Netze und Stützen abgemildert, am besten ganz aufgefangen wird. Eine Partei der Sanftheit und des Stillstands also; der Ablehnung von Konkurrenz und Wachstum. Eine der Parteien, die sich uns Bürger als umsorgt von Mutter Staat wünschen.

Zu ihrem anderen Teil war die SPD aber auch immer die Partei von wagemutigen Leuten wie Ferdinand Lasalle, der bei einem Duell ums Leben kam; wie Friedrich Ebert und Gustav Noske, die sich dem Versuch einer kommunistischen Revolution entgegenstellten. Die SPD war im Widerstand gegen die Nazis ebenso wie gegen die Kommunisten.

In der Tradition dieser rechten SPD - von Ebert und Noske über Kurt Schumacher, Carlo Schmid, Ernst Reuter und Heinz Kühn bis zu Willy Brandt und Helmut Schmidt - stand Peter Struck, der Motorradfahrer und Rocker, der Mann, der öffentlich seine Pfeife rauchte.

Es ist die Tradition einer versunkenen, einer jedenfalls versinkenden Sozialdemokratie.
Zettel



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