14. Dezember 2012

Seit Dienstag gilt in Michigan ein Recht-auf-Arbeit-Gesetz. "Ein Schlag gegen die Gewerkschaften"

Was in der Washington Post am Mittwoch als Überschrift zu lesen war, klingt paradox: "Michigan enacts right-to-work law, dealing blow to unions" - Michigan beschließt ein Recht-auf-Arbeit-Gesetz, ein Schlag gegen die Gewerkschaften.

"Recht auf Arbeit", das ist doch eine linke Parole? Wie kann so etwas ein Schlag gegen die Gewerkschaften sein? Weil in den USA mit diesem Begriff etwas anderes gemeint ist als bei uns.

Was meist als Recht-auf-Arbeit-Gesetzgebung bezeichnet wird, nennt der republikanische Gouverneur von Michigan, Rick Snyer, eine "Freedom-to-work"-Gesetzgebung - also die Freiheit zu arbeiten betreffend. Das ist auch richtiger.

Es geht um etwas, das schlecht zu der in Deutschland verbreiteten Vorstellung vom rüden Kapitalismus in den USA paßt: die sogenannten closed shops; wörtlich also gesperrte Betriebe. Gesperrt waren diese Betriebe für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Unternehmer und Gewerkschaften handelten aus, daß niemand eingestellt wurde, ohne Mitglied der jeweiligen Gewerkschaft zu sein oder das innerhalb einer kurzen Frist nach seiner Einstellung zu werden.

Natürlich unter Zahlung der in den USA teilweise sehr hohen Gewerkschaftsbeiträge, aus denen die Gewerkschaften auch ihre politische Macht bezogen; nämlich über erhebliche Spenden zur Finanzierung der Demokratischen Partei.



Ich schreibe das in der Vergangenheitsform; denn ganz so ist es schon seit 1947 nicht mehr, als das Taft-Hartley-Gesetz beschlossen wurde, mit dem der Übermacht der Gewerkschaften entgegengetreten werden sollte. Unter anderem wurden closed shops in ihrer strengen Form verboten (in der zum Beispiel ein Ausschluß aus der Gewerkschaft wegen rückständiger Beiträge zur sofortigen Entlassung geführt hatte).

Faktisch änderte sich aber nicht sehr viel, weil Schlupflöcher offen blieben; beispielsweise in Form des union shop: Pflicht für den Arbeitgeber ist nicht die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft, aber die Zahlung von Beiträgen an sie, die als Entgelt für deren Leistungen für alle Arbeitnehmer interpretiert werden.

Oder es werden hiring halls beispielsweise auf dem Bausektor eingerichtet, in denen die Gewerkschaften gegen Bezahlung die Arbeitsplätze vergeben. Faktisch sind bei beiden Modellen alle Arbeitnehmer von den Gewerkschaften abhängig und müssen an diese zahlen; auch wenn sie nicht unbedingt formal Mitglieder sein müssen.

Das also ist jetzt im Staat Michigan nicht mehr erlaubt.



In seinem aktuellen Kommentar in der Washington Post zeichnet Charles Krauthammer die Geschichte dieser Regelungen nach, die vor allem auf die Autoindustrie zurückgehen.

Als diese in den USA boomte und das Land seine Ami-Schlitten in alle Welt exportierte, konnte die Auto­mobil­gewerkschaft UAW solche Bedingungen durchsetzen und glänzende Löhne erstreiten. Das ist lange her, und inzwischen fehlt für solche Sonderrechte der Gewerkschaften die ökonomische Grundlage.

Michigan hat jetzt also mit der republikanischen Mehrheit, die dort seit den Wahlen von 2010 existiert, die Schlupflöcher geschlossen; wie zuvor schon andere Staaten wie Indiana.

Orientiert man sich an den vorhandenen Daten, dann wird die Folge ein leichter Rückgang der Löhne um ungefähr drei Prozent sein, und zugleich ein Rückgang der Arbeitslosigkeit. Krauthammer wundert sich zu Recht darüber, daß den Gewerkschaften - und der Demokratischen Partei - die Arbeitslosen offenbar weniger am Herzen liegen als das Lohnniveau. Präsident Obama hat die Entscheidung des Staats Michigan scharf kritisiert.

Und noch etwas gibt Krauthammer zu bedenken:
[I]t is more than slightly ironic that Democrats, the fiercely pro-choice party, reserve free choice for aborting a fetus while denying it for such matters as choosing your child’s school or joining a union.

[E]s ist mehr als nur eine leichte Ironie, daß die Demokraten, die so leidenschaftlich für die freie Entscheidung des Einzelnen eintreten, die freie Entscheidung für die Abtreibung eines Fötus reservieren, während sie diese vorenthalten, wenn es darum geht, für sein Kind eine Schule auszusuchen oder einer Gewerkschaft beizutreten.
Milton Friedman, der große liberale Ökonom, war übrigens gegen ein gesetzliches Verbot von union shops, wie es jetzt in Michigan beschlossen wurde.

Er meinte, der Staat müsse den Unternehmern und den Gewerkschaften die Freiheit lassen, auch so etwas zu vereinbaren. Freilich müsse durch eine Anti-Trust-Regelung verhindert werden, daß einzelne Gewerkschaften ein Monopol erlangen. Auf einem freien Arbeitsmarkt würde dann kaum ein Unternehmer sich entscheiden, mit Gewerkschaften derartige Vereinbarungen zu treffen.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette vom Autor Daniel X. O'Neil unter Creative Commons Attribution 2.0 Generic-Lizenz freigegeben.