9. Juni 2013

Kaskadeneffekte. Über die Folgen eines großflächigen und langandauernden Stromausfalls

Unter einer Kaskade (von ital. cascare "fallen") versteht man gemeinhin einen in Stufen angeordneten Wasserfall. Man mag hier an Wasserspiele im Garten von Versailles denken oder an Händels Wassermusik. Spricht man dagegen, etwa in technischen Zusammenhängen, von einem Kaskadeneffekt, dann ist damit eine Stufenfolge von Ereignissen gemeint, wobei Ereignis A Ereignis B auslöst oder verursacht; Ereignis B wiederum zu Ereignis C führt usw. Kaskadeneffekte lassen sich in einer Vielzahl von Zusammenhängen entdecken. So kann (oder muß) man wohl bei der Berichterstattung über den havarierten Atomreaktor von Fukushima 2011 von einem medialen Kaskadeneffekt sprechen. Die Dramatik und zunehmende Irrationalität, in der ein Bericht versuchte, noch das Katastrophisieren des vorangegangenen Berichts zu übertreffen, was zu einem Wiedererstarken der Anti-AKW-Bewegung führte  an deren Ende die Regierung Merkel nachgab und die "Energiewende" ausrief: kaskadierende Unvernunft, gegen die Zettel, der Begründer dieses Blogs, sich seinerzeit sichtbar die Finger wund geschrieben hat. 
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Zettel faßte das damals unter dem griffigen Topos der "Kollektiven Besoffenheit" zusammen. Nun folgt auf jeden Rausch zunächst die Ernüchterung und dann der Kater. Ausufernde Kosten der Energiewende, die sich in ständig steigenden Strompreisen für Verbraucher niederschlagen; eine zunehmend träge Subventionswirtschaft zugunsten so genannter "erneuerbarer Energien", die unter weitgehender Ausschaltung von Marktmechanismen immer mehr planwirtschaftliche Züge bekommt, steht einer praktisch folgenlos gebliebenen Kraftwerkshavarie in Japan gegenüber. Auch wenn noch im März diesen Jahres die Tagesschau, im Internet sekundiert von Claudia Roth, von 16.000 Fukushimatoten,  fabulierte: die Toten sind und bleiben Opfer des Tohoku-Bebens und der anschließenden Tsunamikatastrophe, die Japan im März 2011 heimgesucht haben. 

Aktuell kommt eine groß angelegte Studie der UN-Unterorganisationen UNscear zu dem Schluß, daß durch radioaktive Strahlung infolge der Kraftwerkshavarie in Fukushima keinerlei gesundheitliche Folgen für die Bevölkerung zu erwarten sei, wie sogar die ehemals liberale, heute grüne, ZEIT  zähneknirschend einräumen mußte. Nicht ein Krebstoter aufgrund des Unfalls ist in Fukushima zu erwarten.

Davon läßt man sich bei der ZEIT allerdings insofern nicht entmutigen, als nun die psychischen Folgen von "Evakuierung und Stigmatisierung" der Betroffenen in den Vordergrund rücken, womit sich der Kreis zu den Folgen medialer Kaskadeneffekte schließt. 

Keinerlei mediale Kaskadeneffekte dagegen hat die Meldung der Bundesnetzagentur verursacht, daß diesen März 38 Mal "massiv" in die Regelkreise der bundesdeutschen Stromversorgung eingegriffen werden mußte. "Im Stromnetz hat´s gewackelt" titelte das Handelsblatt am 15. April. Hintergrund waren die "rasanten Steigerungsraten bei der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen". Dies überlaste die Netze und gefährde mittelbar die "Systemsicherheit".

Was hier angedeutet wird, ist die Gefahr eines Kaskadeneffektes ganz anderer Art, nämlich die inzwischen offenbar stark gestiegene Gefahr eines kaskadierend verlaufenden, großflächigen Stromausfalles. Dem Rheinischen Grundgesetz folgend, mag man zwar sagen "Et hät noch emmer joot jejange", aber wenn man sich anschaut, welche Konsequenzen bei einem langandauernden und großflächigen Stromausfall drohen, dann mag man sich diesen Satz verkneifen. Es handelte sich binnen kürzester Zeit um eine nationale Katastrophe. Der Ablauf dieser Katastrophe wurde bereits simuliert, worauf ich im folgenden näher eingehen möchte.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die Drucksache 17/5672 vom 27.4.2011 lenken. Es handelt sich um einen Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung an den deutschen Bundestag und er titelt: Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung. 
Ich möchte Ihnen die Lektüre dieses Berichtes ausdrücklich ans Herz legen; er liest sich über weite Strecken so spannend wie ein Krimi.

Im folgenden möchte ich versuchen, auf Basis dieses Berichtes, die Konsequenzen eines solchen großflächigen und langandauernden Blackouts zu beschreiben. Ich verwende dabei ausschließlich die Informationen aus dem Bericht; alles, was ich im folgenden beschreibe, finden Sie dort wieder. Das ist mir insofern wichtig, als ich nicht die Methoden der Angstmacherei verwenden möchte, mit der seit Jahrzehnten die "Atomdebatte" von seiten der Grünen und ihren Anhängern geführt wird.

Tag 1
Nahezu sämtliche Kommunikationssysteme brechen von der ersten Minute an zusammen. VoIP und Mobilfunk fallen aus, ebenso DSL-Verbindungen. Mobile Geräte (Laptops, Smartphones) funktionieren zwar noch einige Zeit, jedoch kann aufgrund der Stromgebundenheit der Orts- und Fernvermittlungsstellen auch mit analogen Festnetzanschlüssen bereits nach etwa 15 Minuten nicht mehr telefoniert werden, außer in den seltenen Fällen, in denen Ortsvermittlungsstellen mit Notstromaggregaten (im folgenden: NSA) ausgerüstet sind. Spätestens nach 24 Stunden brechen aber auch diese Strukturen zusammen. Gleiches gilt für Mobilfunk und Fernsehübertragungen. Einzig ein notfallmäßig aufrechterhaltener Rundfunk funktioniert noch, sofern die Bürger über batteriebetriebene Empfangsgeräte verfügen, so daß eine rudimentäre unidirektionale Information der Bürger zunächst gewährleistet bleibt. 
Durch den plötzlichen Ausfall sämtlicher Ampelanlagen und anderer Verkehrsleitsysteme kommt, insbesondere in Ballungsgebieten, der Individualverkehr nahezu unmittelbar zum Erliegen; es ereignen sich eine Vielzahl von Unfällen mit zahlreichen Verletzten und Toten. Notrufe können jedoch kaum mehr abgesetzt werden, Rettungskräfte haben größte Schwierigkeiten, sich durch blockierte Straßen zu arbeiten. Auch die Kommunikation von Behörden untereinander ist empfindlich gestört, nachdem man den alten analogen Funkstandard auf den digitalen TETRA-Standard umgestellt hat, für den eine batterieversorgte Überbrückung eines Stromausfalls nur für 2 Stunden sichergestellt ist; es kommt zu erheblichen Störungen bei der Koordination von Hilfsmaßnahmen durch THW und Bundeswehr. Züge und Straßenbahnen kommen auf freier Strecke zum Stehen, was nicht nur zu Panikreaktionen bei Teilen der Passagiere führt, sondern v. a. auch zu einer "Verstopfung" von Schienentrassen, so daß im späteren Verlauf dieselbetriebene Loks zur Versorgung der Bevölkerung nicht durchkommen werden. Sämtliche nichtmilitärische Flughäfen stellen den Regelbetrieb ein;  Flüge werden storniert. Aufgrund guter Ausstattung mit NSA kann jedoch ein rudimentärer Flugbetrieb, etwa zum Transport von Rettungskräften oder Nahrungsmitteln, aufrecht erhalten werden. 
Krankenhäuser können ihren Regelbetrieb zunächst fortsetzen, da sie über gesetzlich vorgeschriebene NSA verfügen, die einen Betrieb für 24 Stunden garantieren. Jedoch wird es relativ schnell Versorgungsprobleme, etwa mit Blutkonserven, geben. Durch den Ausfall elektrischer Pumpen, fallen in den meisten Privathaushalten unmittelbar die Trinkwasserversorgung sowie die Abwasserentsorgung aus. Toilettenspülungen funktionieren nicht mehr. Kläranlagen funktionieren nur noch eingeschränkt. Im Winter fallen mit den elektrischen Wasserpumpen die Heizungen aus; Rohre frieren zu und bersten.

Tag 2-7
Der motorisierte Individualverkehr kommt nach und nach zum Erliegen. Die Zapfanlagen von Tankstellen sind ausgefallen. THW und Bundeswehr sowie Feuerwehren und Polizei werden durch Anzapfen der "Nationalen Ölreserve" mobil gehalten. Die Situation in Krankenhäusern spitzt sich zu; es fehlt an Insulin und Blutkonserven. Nach Ausfall der NSA sterben intensivmedizinisch versorgte Patienten, deren Abtransport nicht rechtzeitig organisiert werden konnte.  Arztpraxen bleiben geschlossen. Der Betrieb von Dialysezentren kann nicht aufrecht erhalten werden; man versucht die betroffenen Patienten an Sammelstellen zu konzentrieren, die den Dialysebetrieb aufrecht erhalten können. Patienten, die nicht erreicht werden können, sterben in den folgenden Tagen.
Der gesamte Wirtschaftskreislauf ist zum Erliegen gekommen; viele Geschäfte bleiben geschlossen, da elektrische Kassensysteme nicht funktionieren und auch der Warenverkehr infolge des Zusammenbruchs des Kommunikations- und Datenverkehrs zum Erliegen gekommen ist. Tiefkühlprodukte verderben. Nach und nach fallen die NSA von Großhandelslagern aus; die Produkte verderben auch hier. Supermärkte, die über ein NSA verfügen, können  noch für einige Tage einen provisorischen Betrieb aufrecht erhalten. 
In den ersten Tagen gibt es nachts in vielen Haushalten noch eine minimale Versorgung mit Licht durch batteriebetriebene Taschenlampen oder Kerzen. Bevorratete Lebensmittel in den Haushalten, etwa Nudeln, stehen einer massiv beschränkten Möglichkeit gegenüber, diese auch zuzubereiten, da Herde und Kochfelder nicht funktionieren. Auch die Landwirtschaft kommt zum Erliegen. Ställe werden nicht mehr klimatisiert; voll- oder teilautomatische Fütterungsmaschinen fallen aus; Tiere verenden. Einwirkende Kälte und fehlende Wasserversorgung zerstört Ernten von Nahrungsmitteln, die unter Glas produziert werden.

Tag 8-14
Das öffentliche Leben ist praktisch zum Erliegen gekommen. Die Menschen bleiben meist zuhause. Die hygienischen Bedingungen verschlechtern sich rapide. Nahrungsmittel werden knapp; um die verbliebenen Bestände entbrennen z. T. gewalttätige Konflikte, die von den Ordnungsbehörden zunehmend weniger unterbunden werden, da Notrufe nicht mehr abgesetzt werden können. THW und Bundeswehr erhalten eine Minimalversorgung mit Trinkwasser aufrecht. In der Bevölkerung häufen sich sowohl Fälle großer Solidarität untereinander als auch Plünderungen und andere Gewaltformen. Ohnmachts- und Hilflosigkeitsgefühle kennzeichnen die psychische Befindlichkeit vieler Menschen. Die volkswirtschaftlichen Kosten sind kaum zu beziffern; fast noch schwerer wiegt jedoch der Verlust basaler kultureller und zivilisatorischer Errungenschaften. Im Bericht heißt es:
Die sozialen Folgen eines Stromausfalls kommen einem „Kulturausfall“ gleich: Traditionell eingeübte Erlebens- und Verhaltensmuster sind infrage gestellt; bisherige Ordnungsprinzipien strukturieren und orientieren nicht mehr. Wichtig dabei ist, in Rechnung zu stellen, das „Ordnung“ als Prinzip nicht aufhört zu existieren, was aber verschwindet, sind „bisher bestehende samt ihrer eingeübten Binde- und Durchsetzungskräfte“ (Dombrowsky et al. 2009, S. 262). Im Unterschied zu anderen Katastrophen (wie einer Pandemie) hat der Stromausfall zudem eine einzigartige Zeitstruktur: Er tritt plötzlich, ohne jede Vorwarnung ein, und seine Dauer ist vollständig ungewiss. Beides erschwert den Umgang mit dieser Situation.
Im Bericht ist von einer insgesamt geringen Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios die Rede. Als mögliche Ursachen werden Naturkatastrophen, extreme Wetterereignisse, Terrorismus und Pandemien genannt. Die Folgen der "Energiewende" als Risikofaktor für einen kaskadierenden, langandauernden und großflächigen Stromausfall spielte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichtes im April 2011 noch keine Rolle. Die Wahrscheinlichkeitsschätzungen für ein solches Szenario müßten heute wohl deutlich nach oben korrigiert werden, wie man nicht zuletzt der oben zitierten mehrfachen Destabilisierung des Stromnetzes im März diesen Jahres entnehmen kann. 

Das den Grünen -und der Bundesregierung- ins Stammbuch. 



Andreas Döding


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