21. August 2013

Ein Bild sagt mehr als eine Studie


Händchenhalten ist ein Zeichen inniger Verbundenheit. Die ersten zaghaften Annäherungen in der Pubertät beginnen so. Es ist eine Geste, die Säuglinge bei ihren ersten Gehversuchen kennenlernen - erst werden beide Hände gehalten und wenn die Schritte sicherer werden, nur noch eine.

Und es ist eine Versicherung des füreinander Einstehens. 
Auch Pärchen im hohen Alter sieht man mitunter so spazieren gehen. Ja, die Liebe kann sehr lange währen, bei manchen für immer. 
Es gibt kein stärkeres Argument für die Preisgabe von Freiheit, als in Liebe und Zuneigung ein Leben gemeinsam zu entwerfen und zu gestalten. Kein größeres und andauerndes Glück steht den Menschen zur Verfügung. Als unerschöpflicher Quell für Kraft und Ausdauer und für die Bewältigung der Herausforderungen, welche sich im Laufe eines Menschenlebens so einstellen. 
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Teamgeist hat hier seinen Ursprung. Gemeinsam können größere Risiken eingegangen werden, was die Chancen für beide Teile des Paares erhöhen.
Das Halten der Hände ist viel mehr die ständige Erneuerung des Commitment, als ein Signal nach außen, an die Gesellschaft.

Meine Frau und ich halten uns immer noch die Hände. Mir ist es ein Bedürfnis und ich habe noch nie darüber nachgedacht, nur gespürt und das Gefühl der Verbundenheit genossen.

Bis gestern. Das las ich von einer Studie in der es um die Position der Hände beim Halten geht und ihre Beziehung zur sozialen Position. Ich war geneigt "Hierarchie" zu lesen, was freilich nicht dastand.
Meine Händehaltung bestätigt die Studie, das will ich gleich mal vorausschicken. Aber in dem Artikel in der "Welt" wurde noch ein Foto mitgeliefert. Hier können Sie es sich, lieber Leser, ansehen.

Mitterrand suchte die Hand Kohls und fand sie. Helmut Kohl suchte den Blick seines "Partners", fand ihn aber nicht. 

Die Hand Mitterrands liegt oben, der Studie zufolge läge bei ihm also die soziale Dominanz. Dabei ist es für den Menschen von geringerem Wuchs einfacher, die Hand von unten zu greifen. Aber sei es drum, die Studie betont das Soziale und darum soll es auch gehen.
Denn schaut man sich das Foto genauer an, liegt die Dominanz bei Helmut Kohl:

Der haltende Arm Mitterrands ist gestreckt, fast zieht es ihn zu Kohl. 
Der Bundeskanzler dagegen steht kerzengerade, sein Arm ist leicht gebeugt, völlig anstrengungslos.
Seine Mundwinkel umspielt so etwas wie der Anflug eines Lächelns.

Diese Versöhnungsgeste der beiden Architekten des Europas, wie wir es kennen, drückt auf eine sehr eigenwillige Weise aus, wie viel Gemeinsamkeit zwischen Frankreich und Deutschland möglich und wie viel Eigenständigkeit nötig ist.

Kinder mögen es, sich beim Händehalten zu ziehen und selbst hier noch Konkurrenzen auszutragen. 
Ein altes Ehepaar ist in dieser Haltung sehr locker verbunden, da streckt sich nichts. 
Erling Plaethe


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