7. Juni 2014

Putins Eigentore.

Wladimir Putin sagte kürzlich in einem Interview lt. der "Welt":
Wenn Leute Grenzen überschreiten, machen sie das nicht, weil sie so stark sind, sondern weil sie so schwach sind. Aber vielleicht ist Schwäche nicht die schlechteste Eigenschaft für eine Frau.
Es ist mehr als bemerkenswert, dass dem russischen Präsidenten nicht in den Sinn kommt, es könnten auch die Grenzen gemeint sein, die er wortwörtlich überschritt und überschreitet. Und dass seine Schwäche in der Tat die Begründung für die Annektierung der Krim sein kann. 
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Das Zitat war Putins Antwort, als er auf einen Vergleich Hillary Clintons von ihm und Hitler angesprochen wurde.
Wenn das ein Konter gewesen sein sollte, wurde daraus ein Eigentor.

Die Wirtschaftspolitik der Nationalsozialisten brachte Deutschland 1938 an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Diese wurde letztlich vermieden durch die Ausraubung der europäischen Juden und der Länder die Deutschland annektierte. 

Auch Putin ist mit seiner Wirtschaftspolitik gescheitert. War sie zu Beginn seiner Amtszeit noch gekennzeichnet von wirtschaftsliberalen Reformen wie die Privatisierung von Staatsunternehmen und der Senkung der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung, stellte die Zerschlagung des Jukos-Konzerns eine Wende dar. 
Putin ging den Weg den alle paranoiden und kleptokratischen Herrscher gehen:
Sie beuten aus, wessen sie habhaft werden. Vom Regulierer der Wirtschaft wurde der Staat zum Eigentümer. Mit den bekannten Konsequenzen die eine planwirtschaftlich geprägte Wirtschaft mit sich bringt. Investoren ziehen sich zurück, da ihnen ihre Gewinne streitig gemacht werden.

Putin mag der Ansicht sein, wie auch seine Versteher in Deutschland, was in China funktioniert, sollte auf einem tragfähigen Wirtschaftskonzept fußen.
Die chinesischen Staatsunternehmen, welche die Wirtschaft prägen, verdanken ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht ihrer innovativen Stärke oder der Effizienz der Produktionsabläufe. Ihre Trumpfkarte ist die Ausbeutung einer immer noch wachsenden Zahl von Wanderarbeitern, die den größten Anteil der Arbeiter in der Industrie darstellen. Laut Auswärtigem Amt stieg ihre Zahl im Jahr 2013 auf 269 Millionen und deren größter Teil ist ohne Familie allein in fremden Provinzen unterwegs. Auf der miserablen Bezahlung dieser Arbeitskräfte, wenn sie denn überhaupt entlohnt werden, beruht Chinas Wettbewerbsfähigkeit. 

Nicht dass ich falsch verstanden werde: Natürlich ist diese Entwicklung auch der raschen Industrialisierung geschuldet und eine ähnliche Situation gab es auch seinerzeit in den sich entwickelnden Industrienationen Europas.
Nur ist es eben ein Unterschied ob der Staat der Arbeitgeber ist oder ein Privatunternehmen das dem Druck von Arbeitskämpfen nachgeben muss.
Der Staat als Arbeitgeber hat ganz andere Möglichkeiten solch einem Druck zu begegnen. 

Die staatlich dominierten Volkswirtschaften wie Russland und China kranken an erheblichen Einkommensunterschieden. Breite Teile der Bevölkerung partizipieren nicht an dem Wohlstand der durch die exportorientierte Wirtschaft erzielt wird.
Eine korrupte Bürokratie und ein unersättlicher Staat schaffen eine ausgedehnte Unterschicht der der Weg zum wirtschaftlichen Aufstieg verschlossen bleibt. 
Hier liegt ein Grund für die Schwäche Russlands aber auch Chinas.

Und auch einer für die zunehmende Aggressivität beider Länder gegenüber seinen Nachbarn.
Denn die innenpolitischen Probleme die aus der Knebelung dieser Unterschicht entstehen, wurden noch von allen Diktatoren durch einen ausgeprägten Nationalismus und die Implementierung angeblicher, das Volk bedrohende, äußerer Feinde versucht zu kaschieren.
Dies ist ganz besonders in Russland zu beobachten. Mit zum Teil grotesken Auswüchsen; wie der Gefahr des Faschismus, welche angeblich von der Ukraine ausgeht. 
Außerhalb Russlands finden sich darum auch Befürworter der Politik Putins die seine Anschuldigungen und seine Propaganda ebenfalls zu einem Eigentor werden lassen, wie die "Welt" vorigen Monat schrieb:
Tatsächlich aber pflegt der Kreml beste Beziehungen zur westeuropäischen äußersten Rechten. Von der Front National in Frankreich über den belgischen Vlaams Belang bis zur neonazistischen, antisemitischen Jobbik-Partei in Ungarn haben sich die Parteien dieses Spektrums geschlossen auf Putins Seite geschlagen.
Vorgänge zu vergleichen, heißt nicht sie gleichzusetzen. Die Empörung über das Ziehen derartiger Parallelen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sie gibt und dass es kein Tabu sein sollte, darüber nachzudenken und zu reden.

Denn andernfalls würde man sich dem Willen autokratischer Herrscher beugen. Eine "Haltung" die von Putin in jüngster Zeit immer wieder herausgefordert wird und die er in Teilen Europas schon zu erkennen meint.  


Erling Plaethe


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