25. November 2014

Echter Zoigl

Egal wie dunkel man das Frühmittelalter ansieht - die Zeit der Völkerwanderung wird schwerlich als eine der Prosperität angesehen werden können. Die Nahrung bestand aus viel Fleisch sowie aus Brot und aus Brot. Flüssig wie fest. Gebacken oder gegärt. 
Gebrauten Getreidesaft benötigte ein Haushalt um eine trinkbare und lagerbare Flüssigkeit zur Verfügung zu haben. 
Ein Braukessel gehörte zur Mitgift.
Das Bierbrauen war nicht nur eine Frauensache, sondern auch eine häusliche.
So wie eben das Backen von Brot.
Profis gab es natürlich auch. Die brauten in den Klöstern,  nachgewiesenermaßen schon 820 die Benediktiner im Kloster in Sankt Gallen.
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Als dann die Städte wieder aufgebaut wurden, kontrollierten dort zunehmend Zünfte auch die Tätigkeiten, welche aus dem häuslichen Bereich heraus, Teil einer allgemeinen Arbeitsteilung wurden. Das Brauen von Bier zum Beispiel.
Doch es gab auch Städte wie Nürnberg und Würzburg, in denen die Zünfte im 14.Jh. verboten wurden und der Rat deren Rolle übernahm. Als Alternative und wegen der schlechteren Altersversorgung (im Vergleich zu den Zünften) schlossen sich dort die Handwerker zu Brüderstiftungen zusammen.

Die älteste bekannte Darstellung eines Bierbrauers (Titelvignette) stammt aus dem Hausbuch der ältesten dieser Stiftungen: Der Mendelsschen Zwölfbrüderstiftung aus Nürnberg die im Jahr 1388 gegründet wurde (das Nürnberger Zunftverbot wurde 1348 erlassen). Interessanterweise war Mendel ein reicher Handelsmann.
Und ebenfalls sehr interessant ist das Zeichen, welches auf dieser ersten Darstellung zu sehen ist: ein Davidstern.
Der allerdings Zoiglstern genannt wird. Dazu später mehr.

Die Mendelssche Zwölfbrüderstiftung hatte, neben ihrer einflussreichen Stellung in Nürnberg, auch ein sehr distanziertes Verhältnis zum Klerus. Geistliche und Ordensbrüder bekamen keinen Zugang zur Stiftung. Nichtsdestotrotz war sie Vorbild für andere Stiftungen in Franken und der Oberpfalz.
Die Darstellung des brauenden "Bruders" ist also keineswegs die eines Mönchs oder Geistlichen, man kann sogar sagen: ganz im Gegenteil.

Und die Brauherren sahen sich auch nicht als Handwerker, sondern als Händler wie aus den hier verlinkten Abbildungen hervorgeht.
Das eigentliche Brauen wurde von städtischen Braumeistern und deren Knechten durchgeführt. So kontrollierte die Stadt nicht nur das Brauen, sondern auch die Besteuerung.

Bis zum heutigen Tag gehen die Brauer in der Oberpfalz in eine der Kommunbrauereien, brauen dort unter Aufsicht eines Braumeisters die Würze, bringen diese nach Abkühlung ins eigene Haus, fügen Hefe hinzu und schenken nach der Gärzeit das Bier in ihren urgemütlichen Räumen aus, die eher an eine Wohnstube erinnern, denn an ein Gasthaus. 
Wo gerade ausgeschenkt wird, zeigt der Zoigl (Zeiger) über der Haustür an.
Mit einer Brotzeit die jedem Gourmet unvergesslich sein wird. Wie das Bier natürlich, dass ohne Zusatz von CO2 und mit einer unübertroffenen Würzigkeit dem Autor in ewiger Erinnerung bleiben wird.
Kaum ein anderer "Gerstenwein" kann mit diesem Bier konkurrieren.

Der hoch geschätzte Kollege Meister Petz hatte kürzlich einigen Autorenkollegen und mir die Möglichkeit geboten, solch eine Kommunbrauerei in Eslarn zu besichtigen. Der zuständige Braumeister erklärte uns: Wenn die Brauherren auf ihn hören, wird das Bier gut.
Wenn nicht, dann nicht.
Während ich am schmucken schmiedeeisernen Geländer die Stufen rauf und runter stieg und die Handwerkskunst der Treppe bewunderte, fiel irgendwann mein Blick auf einen Stern, der mitten auf einer jeden Stufe prangte. 
Bei näherem Hinsehen nahm ich einen Davidstern wahr. 
Den Zoigl.
Die Neugier herauszufinden warum der Zoigl so aussieht wie ein Davidstern, wurde nicht so recht befriedigt mit den Begründung des reinen Zufalls die ich im Internet fand. Oder mit der Alchemie. 
Und tatsächlich scheint mehr dahinterzustecken, wie Matthias Trum in seiner Diplomarbeit 2002 an der TU München nachvollziehbar beschreibt:
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß das Hexagramm aus dem Orient nach Europa gelangte, und die Juden dabei als Bindeglied und Fernhändler eventuell einen Anteil hatten. Des weiteren wurde gezeigt, daß nach heutigem Wissensstand das von alters her überlieferte Hexagramm
1. als explizit jüdisches Zeichen erstmalig ca. 1350 in Prag auf der Flagge der jüdischen Milizen verwendet wurde und 

2. als Brauerstern in einer Darstellung erstmalig 1425 in Nürnberg auftauchte.
Neben der räumlichen existiert also auch eine deutliche zeitliche Nähe der beiden erstmaligen Vorkommen. Außerdem scheinen beide Zeichen nach bisherigem Wissensstand auf einen gemeinsamen Ursprung im Orient zurückzugehen.
Matthias Trum fährt fort, dass Nürnberg als freie Reichsstadt direkt dem Kaiser, der ab Mitte des 14. Jh. in Prag residierte, untergeordnet war. Ebenso wie die Prager Juden die als "Kammerknechte" für den direkten Schutz eine Judensteuer zu zahlen hatten. Diese wurde u.a. an Stadträte verpfändet. Auch an den in Nürnberg, der dafür 400 Gulden an den Kaiser zahlte. Von den Mendels der Zwölfbrüderstiftung ist überliefert, schreibt Herr Trum, dass sie
in ihrer Eigenschaft als Ratsmitglieder bei verschiedenen Gelegenheiten diese Steuer nach Prag überbrachten.
Der Davidstern war ein Schutzsymbol welches die aus Nürnberg und Franken fliehenden Juden nach Prag mitnahmen und dort zum Symbol ihrer Gemeinde machten, schreibt Matthias Trum.
In Franken und der Oberpfalz blieb er als Brauerstern erhalten. 
Nur dort.

Erling Plaethe


© Erling Plaethe. Mit herzlichem Dank an Matthias Trum und seiner Arbeit 
"Historische Darstellungen, Zunftzeichen und Symbole des Brauer- und Mälzerhandwerks".
Titelvignette: herttel pyrprew aus dem Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung von 1425, gemeinfrei. Foto: Stadtbibliothek Nürnberg, Amb. 317.2°
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