22. April 2015

Meckerecke: Nach zweihundert Metern nationalsozialistisch abbiegen

Hitler und sein Chauffeur überfahren ein Schwein. Der Chauffeur geht zum Bauern, kommt nach drei Stunden zurück. Mit Geschenken überladen. ,Was hast du gesagt', fragt der Führer. Fahrer: ,Heil Hitler, das Schwein ist tot!'

An diesen Klassiker unter den politischen Witzen musste ich heute denken, nachdem ich über eine Entscheidung des Amtsgerichts in Bremen gelesen habe. Es hat einen Betreiber einer Facebook-Seite zu 1.500 Euro Geldstrafe wegen übler Nachrede verurteilt, weil er einen Politiker der "Bürger in Wut" als "rechtes Schwein" bezeichnet hat. 

Jedoch war nicht das "Schwein" der Stein des Anstoßes (dann hätte der Tatbestand vermutlich als Beleidigung gegolten), sondern die Verortung als "rechts", wie die taz berichtet: 
Wenngleich Richter Sebastian Warzecha-Köhler befand, dass Runge „nicht nur als ’Rechter‘ bezeichnet wurde, sondern im Gesamtkontext gelesen als ’rechtes Schwein‘“, heißt es in seiner Begründung weiter: „Ferner wäre auch die alleinige Behauptung, der Zeuge Runge sei ein ’Rechter‘ geeignet, diesen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und verächtlich zu machen.“
Und weiter heißt es, dass
eine Bezeichnung einer Person als ’rechts‘ gemeinhin dahin verstanden (werde), dass es sich dabei um Anhänger des Nationalsozialismus handelt.
Ich kann es nicht beweisen, aber ich vermute einmal, dass der Richter nicht unbedingt zu den Ältesten seiner Zunft gehört. Nicht, dass ich ihm mangelnde juristische Erfahrung unterstellen möchte, aber sein politisches Verständnis weist auf einen Schulbesuch Mitte der 90er Jahre hin, als vor dem Hintergrund der fremdenfeindlichen Anschläge damit begonnen wurde, den Begriff "rechts" mit "Neonazi" gleichzusetzen.

Auch bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich nicht den Sack anstatt des Esels prügle, wenn ich den Richter für sein Urteil kritisiere. Denn dieses Verständnis existiert ja tatsächlich "gemeinhin", und es grenzt schon an Heuchelei, wenn ausgerechnet die Landeszentrale für politische Bildung in Bremen, wie im taz-Artikel ebenfalls beschrieben, für eine Wertneutralität des Begriffes "rechts" plädiert. Schließlich ist die Landeszentrale selbst als Mitglied im Beratungsnetzwerk "pro aktiv gegen rechts" proaktiv an der Begriffsverwässerung beteiligt.

Vielleicht sehen nun gerade die politischen Bildungsträger ein, dass sie der politischen Bildung mit der pauschalen Vermengung eines Spektrums von CDU bis NSU keinen Gefallen getan haben. Denn wenn es schon vor dem Gesetz als üble Nachrede gilt, einen Politiker einer offenkundig nicht linken Partei als offenkundig nicht links* zu bezeichnen, wenn er nicht gerade horstwesselliedgrölend durch Bremen zieht, macht das eine treffende Analyse des politischen Spektrums unmöglich.

Sie ernten, was sie selbst gesät haben.



Meister Petz

© Meister Petz. Titelvignette: Vorschriftssignal Abbiegen nach rechts verboten (Schweiz). Gemeinfrei. Für Kommentare bitte hier klicken.

* Solange das Urteil Bestand hat, mag ich mich nicht der Gefahr aussetzen, auch noch 1.500 Einheiten der europäischen Gemeinschaftswährung Richtung Bremen abzudrücken.