21. August 2015

Eine kleine Anmerkung zur Moral und warum einem nicht jeder leid tun muss.



Eine Geschichte, die es vielleicht nicht in die Top-Schlagzeilen dieser Tage geschafft hat, aber immerhin dennoch in den meisten Zeitungen zu finden war, ist der vor gut einem Monat ausgeführte Hack der Ashley-Madison Webseite. Oder vielmehr weniger der Hack als die Veröffentlichung der Nutzerdaten.

Falls Sie diese Webseite nicht kennen, spricht das zunächst einmal für Sie, lieber Leser, denn bei Ashley-Madison handelt es sich um ein Fremdgehportal. Man kann (oder konnte) sich dort registrieren lassen, um jemanden für eine Affäre zu finden. Nun denn. Nun trug es sich zu, dass, wie ja oben bereits geschrieben, das Portal gehackt wurde und die Nutzerdaten von einigen Zehnmillionen „Nutzern“ veröffentlicht wurden (über die genaue Zahl kann man lange streiten, aber es dürfte die Einwohnerzahl von Buxtehude schon ein bisschen überschritten haben). Ein Teil dieser Nutzer ist natürlich jetzt ziemlich dumm dran, denn statt sich fröhlich in fremden Kissen zu wälzen, müssen sie nun eher damit rechnen dem eigenen Partner demnächst erklären zu müssen, warum sie dort registriert waren. Dumm gelaufen.

Nun muss man zunächst natürlich zwei Dinge dazu feststellen:

1. Der Hack, wie auch die Veröffentlichung, sind selbstredend Straftaten, Straftaten zum Nachteil der Betreiber von Ashley-Madison (die mit dem Betrieb kein Gesetz verletzten) als auch von deren Nutzern.
2. Seinen Partner zu betrügen ist in den allermeisten Ländern der Welt nicht verboten, zumindest nicht im juristischen Sinne. 

Tja, und dennoch will sich bei mir nicht so richtiges Mitleid für die „Opfer“ einstellen. Nicht weil sie naiv genug waren ihre Daten auf einem solchen Portal zu hinterlassen und sich darauf verlassen haben, dass dort eine hinreichende Sicherheit vorliegen würde. Diese Form von Naivität ist weit verbreitet und das Opfer einer Fishing-Attacke würde ich durchaus den Opferstatus nicht absprechen, auch wenn er oder sie vielleicht unvorsichtig gehandelt hat.
Nein, mein Problem besteht eher darin, dass ich meine Schwierigkeiten damit habe, mit Leuten Mitleid zu empfinden, die gezielt ihren Partner betrügen wollen. Im letzten Bullen ist das mal ganz gut (in Bezug auf eine „Seitensprungagentur") ausgedrückt worden (sinngemäßes Zitat): „Auf einer Betriebsfeier, wenn was getrunken wird und das eine zum anderen kommt, dann kann man das vielleicht (?) noch verstehen, aber gezielte Planung? Das ist etwas anderes.“ Und genau so möchte ich das auch sehen. In Versuchung kann jeder geraten, Alkohol kann helfen, der Streit von gestern mit dem Partner, der Stress im Job oder das gemeinsam erlebte mit einem Kollegen. Das ist zwar immer noch nicht richtig, aber vielleicht irgendwann verzeihlich. Aber eine Seitensprungseite, das bewusste Erstellen eines Profils, das Warten auf Antworten, das Reagieren und das schliessliche Treffen, das ist Vorsatz. Und das finde ich ziemlich perfide. Man kann schlecht vorgeben seinen Partner zu lieben und dann hinter seinem Rücken mit gezielter Planung diesen hintergehen. 

Nun ist Schweinerei, wie ein großes deutsches Gericht einmal festgestellt hat, nicht verboten. Aus gutem Grund ist Ehebruch nicht strafbar und mit dem Einstampfen des Schuldprinzips bei Scheidungen ist die Frage welche Folgen ein solcher Betrug haben sollte, endgültig ins Verhältnis zwischen einem Paar verschoben worden. Was aber nix daran ändert, dass es eine Schweinerei ist. Und ich finde es ziemlich abstoßend. Entsprechend schwer tu ich mich damit Mitleid zu empfinden. Außer mit den verletzten Partnern, die jetzt doch etwas früher mit dem Verhalten ihres Partners konfrontiert werden.

Als kleine Randnotiz fällt mir auf, dass auf vielen Diskussionsseiten argumentiert wird, hier würde eine böse Straftat an den Nutzern verübt, die jetzt ihrer Privatsphäre beraubt würden und nur deshalb ertappt würden, weil jemand das Gesetz gebrochen hat. Das ist natürlich erst einmal richtig. Ich frage mich nur, wo dieselbe Aufregung war als die Bundesrepublik Deutschland im Ausland CDs gekauft hat, um Steuersünder zu überführen. Der Staat darf keine Gesetze brechen, um Strafverfolgung zu treiben. Und darum wurde damals zu dem (reichlich traurigen) Kunstgriff gegriffen, das der Ankauf der CDs ja keine deutschen Gesetze breche, sondern nur ausländische (in diesem Fall die Gesetze der Schweiz). Nun: Der Hack erfolgte auch nicht weltweit, sondern nur in einem Land und die Veröffentlichung ebenso. Nach deutschem Recht beispielsweise ist erst einmal gar keine Straftat vorhanden. Also mutet es ein bisschen seltsam an, wenn man Steuersünder mit (im Ausland) illegalen Mitteln verfolgen darf, aber Ehebrecher (meinetwegen auch Ehebrecherinnen) bitte nicht. Aber Doppelmoral ist ja nun auch nicht strafbar.
Ich muss sagen, ich habe sogar etwas mehr Mitleid mit den Steuersündern. Wer steuern „spart“, der nimmt erst einmal niemandem etwas weg, sondern verweigert einen staatlich definierten Anspruch auf das eigene Vermögen. Der Ehebrecher dagegen verletzt eine konkrete Person mit Vorsatz und nicht aufgrund eines oktroyierten Anspruches, sondern aufgrund eines nicht gehaltenen Versprechens. Ich finde das schlimmer. Aber das ist zugegebenermaßen eine persönliche Moralvorstellung. 

Llarian


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