21. September 2015

Die Atomverschwörung (2): Privatisieren und sozialisieren

Der zweite Teil der Atomverschwörung ist aufgrund des Ausstiegs eigentlich in weiten Teilen eine Braunkohleverschwörung. Aber er passt so schön zum Thema, weil es hier auch darum geht, wie ein Thema kommuniziert wird und wie die Fakten sind. Wieder geht es um RWE.

Als Aufhänger diene folgende Meldung, die aber nur der Höhepunkt einer seit dem Beginn der Energiewende andauernden Entwicklung ist: 
Um rund 60 Prozent haben RWE-Aktien an Wert verloren - in nur einem Jahr. Experten warnen: Der Konzern droht mittelfristig aus dem Dax zu rutschen. Dem Essener Energiekonzern RWE droht nach Einschätzung von Experten ein Abstieg aus dem Deutschen Aktienindex (Dax).   
"Der Abstieg von RWE ist noch nicht akut, aber es darf auch nicht mehr viel passieren“, sagte der Index-Experte der Landesbank Baden-Württemberg, Uwe Streich.

Nun ist ein Ausscheiden eines Unternehmens aus dem Dax nichts Alltägliches, aber auch nichts Außergewöhnliches - ungefähr alle 2 Jahre im Schnitt ändert sich die Zusammensetzung. Aber unabhängig davon, der Wertverlust von RWE hat es schon in sich, ähnlich wie bei den mittlerweile fast im Pennystock-Bereich angekommenen E.on-Papieren. Selbst die wegen nicht ausreichenden Streubesitzes nicht im Dax gehandelten EnBW-Aktien haben ordentlich eingebüßt.

Nun erfreuen sich die großen Energiekonzerne weder in der Presse noch in der Bevölkerung großer Beliebtheit, weshalb man mit Krokodilstränen, die ob dieses Niedergangs vergossen werden, nicht zu rechnen braucht. Und die Grünen, deren Mitglied als Ministerpräsident des Landes Baden Württemberg Herr über 46% EnBW-Anteile ist, plärren wie gewohnt laut los:
„Es kann nicht sein, dass die Energiekonzerne über Jahrzehnte hohe Gewinne an ihre Aktionäre abwarfen und jetzt die Altlasten auf den Steuerzahler abwälzen wollen“, sagte NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). „So werden Gewinne privatisiert und Kosten sozialisiert."  
Wirft man mal einen Blick auf die RWE-Aktionärsstruktur, die ein Düsseldorfer Abgeordneter, selbst wenn er ein Grüner ist, vermutlich auch nach 20 Altbieren noch fehlerfrei aufsagen kann, merkt man, wie unehrlich diese Behauptungen sind. Denn ungefähr ein Drittel aller RWE-Anteile sind in der Hand nordrhein-westfälischer Kommunen. Die Trennung zwischen "Aktionäre", an die ausgeschüttet wird, und "Steuerzahler", die die Kosten tragen müssen, ist eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit, und zwar eine ziemlich ungeschickte - wissen doch die Bewohner vieler Ruhrgebietsstädte ziemlich genau um die Bedeutung der RWE-Anteile für ihren kommunalen Haushalt.

Essen besitzt beispielsweise 19 Millionen davon. Nicht nur, dass der Wertverlust von 60 Prozent eine Katastrophe für die Bilanz der Stadt ist, auch die Dividende (1 Euro für das Geschäftsjahr 2015) ist im laufenden Haushalt fest eingeplant. Deshalb üben auch die Kommunen in NRW jedes Jahr wieder ordentlich Druck auf RWE aus, trotz Umsatz- und Gewinnrückgang die Dividende nicht zu senken.

Zwischen allen Stühlen sitzt die gebürtige Mülheimerin (9,4 Mio. RWE-Aktien) und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Als SPD-Landesvorsitzende liegen ihr natürlich die kommunalen Haushalte der oft SPD-regierten Städte und Gemeinden am Herzen. Geht RWE den Bach runter, saufen viele Kommunen mit ab. Auf der anderen Seite sitzen ihr die Grünen, ihr eigener Koalitionspartner, wegen Garzweiler im Nacken - ganz zu schweigen von den roten Ministerpräsidenten in den Windländern Schleswig-Holstein, Brandenburg und Niedersachsen, die natürlich auch einen ansehnlichen Anteil an Windparks in öffentlicher Hand haben.

Wie so oft und typisch für die Energiebranche ist die Pauschalisierung "guter Staat - böse Konzerne" völlig realitätsfremd. Auch braucht ein Politiker nicht von RWE geschmiert worden zu sein, um ein Interesse am Wohlergehen des Konzerns zu haben. Genau genommen verpflichtet ihn dazu die Sorge um das Wohlergehen der öffentlichen Haushalte. Als deren Totengräber sich die Grünen in dieser Sache erweisen.
  
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Meister Petz

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