18. September 2015

Wer könnte und was können wir schaffen?

Die deutsche Vergangenheit weist Deutschland eine besondere Pflicht zu, die echten Flüchtlinge aufzunehmen. Unser Asylgesetz wurde vom Wissen um vergangene Verfolgungen von Millionen geschrieben. Sind es verrückte Gutmenschen gewesen, die mit Obst und Teddybären an die Bahnhöfe eilten, um die Fremden zu bewillkommnen? Vielleicht wollten die Deutschen nicht nur wiederum die Besten sein, wie andere Europäer spotteten.

Aber die Realität und der nahende Winter haben alle schnell eingeholt. Und erst recht, was noch mehr droht: Zusammenprall der Kulturen, Kriminalität, Bürgerkrieg. Nun geht die Besinnung ein Stück tiefer. Die Flüchtlingskrise kann nicht mit der von 1989 verglichen werden. Die Wiedervereinigung war eine von Bürgern. Jetzt stehen wir vor einer Völkerwanderung. Es geht um die Menschenrechte. Welchen Status haben Flüchtlinge, die Bürger werden wollen? „Die Wahrheit ist, dass wir nicht wirklich wissen, wie wir darauf reagieren sollen“, urteilt der israelische Philosoph Omri Boehm aus New York (DIE ZEIT, 17.09.2015). Da läuft eine Maus und das Sommermärchen ist aus.

Die Menschenrechte wurden von nach Amerika geflüchteten reformerischen Christen in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung hineingeschrieben. Sie stammten aus dem biblischen Geist, der alle Menschen als Ebenbilder Gottes würdigt. Gleichwohl half das auch dort noch lange nicht gegen das Fortbestehen des Sklavenwesens. Und in der europäischen Aufklärung meinten alle, die Menschenrechte seien eine Erfindung der französischen Revolution gegen die Kirche, - so wenig Anschauung von gelebten Menschenrechten muss diese Zeit gehabt haben.

Man könnte als Bonmot sagen: Juden haben die Menschenrechte erfunden, Christen haben sie nicht gelebt, Atheisten schreiben sich daher ihre Erfindung zu.

„Gott schuf den Menschen als sein Ebenbild“, behaupteten gelehrte Priester in Jerusalem oder im Exil zu Babel, jedenfalls wohl im 6. Jahrhundert, im Schöpfungsbericht Genesis 1,27. Da hatten sie die Flucht aus dem Sklavenstaat Ägypten als schon 600 Jahre alte Erzählung vor Augen, die sie Jahr für Jahr beim Pessachfest erinnert hatten, und die Deportation nach Babel gerade aktuell vor sich. In ihrer eigenen Sozialordnung war das Wohl der Fremden und Flüchtlinge tief verankert: „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (Levitikus 19,33-34)

Ist dieses Ideal lebbar? Nein, nicht von Bürgern, nur in einem Volk von Heiligen. Und so ist es an dieser Stelle (im wissenschaftlich so genannten Heiligkeitsgesetz) auch gemeint.

Man sollte sich also weder wundern, wenn der Papst utopische Vorschläge macht, noch dass auch die Christen die Pastorentochter und Kanzlerin nicht herausreißen aus ihrer säkularisierten Utopie. Wir sind eher schon ein gottloser Staat als noch die Hauptprovinz eines christlichen Abendlands. „Lebenswirklichkeits“-Christen werden ihre überflüssigen Kirchengebäude zum Umbau in Moscheen verschenken. Denn wir sind auch nicht reif für den Islam.

Wir müssen wohl nüchtern politisch und kulturell an einem neuen Deutschland arbeiten. Turnhallen umwidmen, Sprachkurse durch Freiwillige, in Übergangsklassen unsere Welt vermitteln, Wohnungen bauen scheint noch das Leichteste. Und nur die Polizei und die Bundeswehr aufzustocken, wird nicht reichen.

Ludwig Weimer

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