11. November 2015

Generation Facebook ? Ein Gedankensplitter zu Pioniergeist und Zufriedenheit.


Verbinden Sie etwas mit dem 23. Januar 1960, lieber Leser? Vermutlich eher nicht, zumindest nicht ad hoc. Wie steht es mit dem 29. Mai 1953? Oder dem 20. Mai 1927 ?  12. Mai 1961 ? Wenigstens den 21. Juli 1969 ?

Nun, die Antworten sind vergleichsweise einfach: Im Jahr 1927 überquerte Lindbergh als erster Non-Stop den Atlantik. 1953 bestiegen Hillary und Norgay das erste Mal in der Geschichte den Mount Everest. 1960 drangen Picard und Walsh das erste Mal in den Marianegraben vor. 1961 flog mit Juri Gagarin der erste Mensch ins All und 1969 erfolgte dann (jetzt werden Sie es erraten haben, lieber Leser) die Mondlandung und Armstrong betrat als erster Mensch den Mond.
All dieses Männern (sorry, aber historisch, wenn auch nicht politisch, korrekt) ist ein bestimmter Geist gemeinsam: Der Wille etwas zu erreichen, was noch keiner vor ihnen erreicht hatte. Und das durchaus unter teilweise geradezu aberwitzigem Risiko. Die Menge an abgestürzten Fliegern, an toten Astronauten, Tauchern, Bergsteigern und Testpiloten ist Legion. Und trotzdem wurden diese Dinge erreicht. Und auch wenn die einzelnen Taten dem Fortschritt der Menschheit sicher nur in deutlich übersichtlichen Dosen geholfen haben dürften, so sind das alles Dinge, die die Phantasie und den Erfindungsreichtum von ganzen Generationen nachhaltig geprägt haben dürften. Dieser Autor hat die Mondlandung vielleicht nicht erlebt, aber er ist davon nachhaltig geprägt worden und hat diese „Irren“ immer als große Vorbilder betrachtet. Denn der Ausfluss dieser Vorbilder und dieses Pioniergeistes hat eben auch außerhalb ihrer jeweiligen Felder viel bewegt.
Allerdings ist dieser Liste noch etwas mehr gemein: Es sind alles Dinge, die vergleichsweise lange her sind. Die meisten von uns haben sie kaum real erlebt, selbst die Mondlandung als letztes Beispiel der Liste ist inzwischen fast 50 Jahre her. 50 Jahre. Das sind immerhin schon anderthalb Generationen, selbst nach heutigen Maßstäben. Was ist eigentlich seitdem passiert?
Erstaunlich wenig. Pioniergeist ist selten geworden. Die Berge sind bestiegen, das Meer ist betaucht, auf den Mond will man eigentlich nicht mehr (mal ab von ein paar Chinesen) und ein Flugzeug das um die Erde fliegt ist sowas besonderes nicht mehr. Was nicht heißt, dass nicht durchaus Herausforderungen existieren würden. Aber sie werden nicht verfolgt. Der Flug zum Mars, obschon technisch wahrscheinlich durchaus in Reichweite, findet allenfalls in Hollywood statt. Die Idee Städte auf oder unter dem Meer zu bauen, ist nicht weiter als zurzeit von Jules Vernes. Und wenn jemand einen Zug auf mehr als vierhundert Stundenkilometer beschleunigen möchte, dann klappt das allenfalls noch in China, aber sicher nicht mehr im Lande der Dichter und Denker.
Sicher, es gibt immer noch wissenschaftliche wie technische Durchbrüche. Das Internet ist sicher der Populärste in den letzten 30 Jahren. Aber auch autonome Fahrzeuge sind ein solcher. Oder der Handy-Boom der letzten 10 Jahre. Aber dennoch: Irgendwie ist es doch ein schales Gefühl, dass „wir“ uns so wenig bemühen die scheinbaren Grenzen der Natur einzureißen.
Wobei ich mir natürlich darüber klar bin, dass dieses „wir“ nichts weiter als ein verklausulierter Wunsch des „ich“ ist, dass von sich auf eine Mehrheit schließen möchte, die vermutlich gar nicht da ist. Aber dennoch erlaube ich mir die Frage: Warum ist sie nicht da? Wann sind wir abgebogen? Warum interessiert es uns so wenig zu unseren Nachbarplaneten zu reisen? Warum juckt es uns nicht, was in der Tiefsee passiert? Warum haben wir heute so viel Angst vor Technologie (Stichwort Atomkraft, Genetik, Fracking, etc. etc. etc.) und so wenig Hoffnung darauf Grenzen aufzustoßen?
Selbst wenn man kein großer Anhänger von Science Fiction ist, so ist den meisten Menschen Captain Kirk und die Welt, die sich Roddenberry ausgedacht hat, ein Begriff. Es ist eine utopische Vision der Zukunft, mit der die meisten, ob von links bis rechts, von liberal bis kollektiv, etwas anfangen können. Hat irgendjemand mal danach gefragt, ob wir je in einer utopischen Welt leben werden, wenn wir Technologie verbieten und verteufeln, Pioniere belächeln und unsere wichtigste Herausforderung darin sehen, über das „soziale Geschlecht“ nachzudenken ?
Ich fühle mich in diesem Denken nicht zuhause. Ich möchte, frei nach Goethe, immer noch wissen was die Welt im Inneren zusammenhält. Ich möchte technische Protzbauten sehen, Großprojekte, Quantensprünge und überhaupt den Mut etwas Neues zu tun. Ich sehe aus meiner liberalen Seele, dass man diese Wünsche nicht einfach „staatsfinanzieren“ kann, wie sich linke Gesellschaftsklempner das gerne vorstellen. Aber ich finde es schade, dass „wir“ es nicht tun. Und das wir es nicht wollen(!).
Wie ich schon etliche Male in unserem Zimmer geschrieben habe, halte ich wenig bis gar nichts vom dem Irrsinn, der sich Energiewende nennt. Es ist ökonomisch der letzte Unsinn und es gefährdet Deutschland als Industriestandort. Aber, auf die Gefahr mir jetzt selber zu widersprechen, es hat trotz allem etwas pionierhaftes. Es ist fehlgeleitet, sicher, aber es ist tatsächlich der Versuch etwas anders zu machen. Ich halte aus meinem technischen Sachverstand wenig von dem Projekt, aber aus einer romantischen Sicht heraus erlebe ich zumindest eine kleine, verhaltene Freude darüber, dass wir als Gemeinschaft unser Geld lieber für ein solches Projekt ausgeben, statt eine neue Professur zu schaffen, die sich damit beschäftigt, wie man die deutsche Sprache verhunzt.
Nun ist das hier ein Gedankensplitter und keine Aufforderung etwas zu tun oder zu lassen. Aber geht es Ihnen nicht auch, in einem stillen Moment vielleicht, ein bisschen so, dass sie sich freuen würden, wenn wir als Gemeinschaft etwas Großes zuwege bringen? Sollte ITER eines Tages funktionieren bin ich ganz sicher, dass ich mich freuen werde. Und wenn ich im Altersheim irgendwann sehe, dass ein Chinese den Mars betritt, dann werde ich mich ebenso freuen. Aus Sicht der Zukunft ist jeder Stand der Menschheitsgeschichte immer nur eine Zwischenstation zur Zukunft gewesen. Eine Geschichte voller Schritte, Entwicklung und Pioniergeist. Ich würde mich freuen, wenn meine Generation vielleicht auch ein paar Schritte geht. 

Llarian


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