25. Mai 2016

Linkspopulisten


Im Zuge der Bundespräsidenten Wahl in Österreich und der denkbar knappen Rettung des "anderen Abendlandes", die der geschätzte Noricus hier Kommentierte, forderte der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, eine "Brandmauer" gegen Rechtspopulisten. Was sind das für Menschen, die Özdemir auf diese Art und Weise mit einer physischen Vernichtung des eigenen Wohnraumes vergleicht und was bedeutet es, dass man nach den vermuteten Antipoden, den Linkspopulisten, eher vergeblich Ausschau hält? Dazu habe ich mir ein paar Gedanken gemacht.

Es erscheint mir zunächst offensichtlich zu sein, dass die Worte "rechts" und "links" im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel erfahren haben. Während "rechts" ursprünglich nationale, hierarchische und konservative Positionen attribuierte, attribuierte "links" soziale, sozialistische und supranationale Positionen. Heute dagegen attribuiert das Wort "rechts", im verwendeten Sprachgebrauch, eher alle denkbaren, politischen Gegenpositionen zu einem Utopia, welches von den aktuellen, politischen und intellektuellen Eliten gewünscht ist. Also die Gegenpositionen zu einer ökologischen, pazifistischen und bunten Gesellschaft, welche ihre Wertemaßstäbe aus dem Moralempfinden einer Gruppe bezieht, die ich als Öko Bourgeoise bezeichnen würde. Mit dem Wort "rechts" werden so in der Folge sowohl wirklich rechtsextreme, wie auch nationalistische, konservative, liberale und zum Teil sogar linke Positionen attribuiert, zumindest wenn man davon ausgeht, dass die SPD eher linke Positionen vertritt. Im Gegensatz hierzu findet man dabei aber auch durchaus nationalistische und damit klassisch "rechte" Positionen auf der Seite der Befürworter dieses Utopias, sofern es zum Beispiel das Sendungsbewußtsein im Hinblick auf die eigenen Ideale betrifft. Das Wort "rechts" erscheint mir in diesem Verständnis als Teil des Versuchs der Abgrenzung einer gewünschten Konsensgesellschaft gegen Außenstehende und Andersmeinende zu sein, die durch eine, bezogen auf ihre Wertemaßstäbe, dominante Gruppe vorangetrieben wird. Diese Abgrenzung dient der Festigung des gewünschten Konsens ebenso, wie der Stärkung des "Wir Gefühls" und wirkt so seiner potenziellen Gefährdung, über ein mögliches Aufbrechen von außen, entgegen. Sie ist dabei um so wirkungsvoller, als daß die Attribuierung "rechts" historisch mit einem ultimativen Feindbild verknüpft ist, welches auch noch heute starke Wirkung entfaltet. Man muß nicht notwendiger Weise "Animal Farm" gelesen haben, um hierin ein Symptom eines neuerlichen Anlaufs zu erkennen, den "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" zu etablieren. Oder eben Utopia. Die Benennung ist lediglich eine Frage des Geschmacks.

Das Wort "links" hat in diesem Sinne seine Bedeutung als politisches Attribut verloren. Der Antipode zu "rechts" ist nun der gesellschaftliche Konsens des neuen Utopias, die neue, durch eine spezifische Moral definierte, gesellschaftliche Mitte. Man braucht daher das Wort "links" nicht mehr. Im Gegenteil, es erscheint mir gar unerwünscht, da es politisiert und die neue gesellschaftliche Mitte ist keine Frage der politischen Positionierung, sondern der vernünftigen Schlüsse, inklusive der ex cathedra verkündeten Prämissen auf denen diese beruhen: Vom statischen Naturbild bis hin zur notwendigen, westlichen Selbstkasteiung. Genau in diesem Sinne kann man auch die Merkelsche Modernisierung der CDU verstehen, die ihre Partei an diesen Prämissen, welche gleichzeitig die Ideale der neuen Gesellschaft sind, augesrichtet hat.

Betrachtet man den zweiten Teil der heute so häufig zu hörenden Komposition, nämlich das Wort "populistisch", kann man feststellen, dass es ausschließlich im Sinne eines Pejorativs verwendet wird. Das Wort "Rechtspopulist" ist damit die sprachliche Verknüpfung der Gegner des neuen Konsenses auf dem Weg zu Utopia mit einer implizit enthaltenen Abwertung. In dieser Sicht macht das Wort "Linkspopulist" in zweierlei Hinsicht keinen Sinn. Zum einen ist die Opposition zu dem neuen "rechts" der neu definierte Konsens und nicht etwa "links". Zum anderen wäre es im Sinne der Utopisten töricht, irgendeine, und sei es nur vermeintliche Gegenposition zu "rechts", mit einem Pejorativ zu verknüpfen und damit implizit das zur eigenen Abgrenzung und für das neue Gemeinschaftsgefühl notwendige Feindbild zu schwächen. – Man braucht den exklusiven Gegner, in diesem Falle von "rechts", zur Einigung der eigenen Gemeinschaft. Nicht nur Lesern von Orwell könnte auch dieser Gedanke bekannt vorkommen.

Folgt man dieser Interpretation, könnte man das Fehlen von Linkspopulisten in der öffentlichen Debatte als Indikator dafür verstehen, wie etabliert der Glaube an das neue Utopia derzeit bei denjenigen ist, die diese Debatte führen.


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