6. Dezember 2016

Statistik und kognitive Dissonanz im Jahr 2016

Die Reaktion der ARD auf den Mord von Freiburg dürfte an Armseeligkeit nur schwer zu überbieten sein, aber da das ausnahmsweise sogar mal in der Presse laut thematisiert wird, soll das nicht das Thema diesen Artikels sein. Etwas anderes brennt diesem Autor auf den Nägeln und das widerum hat vor allem nicht zuletzt mit den Artikeln zum Thema ARD, aber auch mit der Reaktion diverser Politiker auf den Fall zu tun. Politik wie Presse ist bemüht vor allem eine Nachricht zu transportieren: Es handelt sich um einen (tragischen) Einzelfall und generell sind Flüchtlinge (ersatzweise Geflüchtete, Zuwanderer, Migranten, etc. pp) nicht krimineller als Deutsche. Diese Aussage ist derart in Stein gemeisselt, dass man sich schon seltsam vorkommt, sie zu diskutieren. Im Gegenteil, man muss vielleicht sogar befürchten, dass die pure Behauptung des Gegenteils strafbar sein könnte. 


Da Recherche inzwischen nicht mehr Teil der deutschen Printmedien ist (und der elektronischen schon mal gar nicht), hat sich dieser Autor erlaubt, mal genau das zu tun.
Fangen wir am Anfang an: Liest man die verschiedenen Artikel, dann wird sehr, sehr oft (eigentlich fast nur), die BKA Statistik diesen Jahres zitiert. Auch die gerne dieser Tage immer wieder gerne zitierten Kriminologen verweisen eigentlich nur auf diese Statistik. Nun, von dieser BKA Statistik gibt es inzwischen zwei, eine für die ersten drei Monate diesen Jahres und eine für die ersten sechs Monate. In den ersten drei Monaten wurden 69.000 Straftaten ermittelt in denen wenigstens ein Verdächtiger aus dem Kreis der Geflüchteten gehört, für die ersten beiden Quartale wurden 142.500 Straftaten erfasst. Das ist durchaus in sich sehr plausibel und entspricht damit so knapp 70.000 Straftaten pro Quartal. Anschließend wird in diesen Artikeln darauf hingewiesen, dass es in Deutschland pro Jahr knapp 6 Millionen Straftaten gibt und anschließend wird gefolgert damit seien Geflüchtete nicht krimineller als die "normale" deutsche Bevölkerung (in der Sprache unserer Frau Bundeskanzler "Menschen, die schon länger hier sind").
Auf den ersten Blick (und nur auf diesen) sieht das ganze ja tatsächlich erst einmal so aus. Bis man mit gar nicht so komplizierten Überlegungen dazu kommt, was da alles nicht stimmt. Es sind erst einmal zwei massive Fehler, die sich dem aufmerksamen Leser aufdrängen müssten. Der erste Fehler ist der Zeitraum. Hier wird ein Quartal mit dem Wert Wert eines Jahres verglichen. Da fehlt ein Faktor von vier. Setzt sich die Statistik fort, so sind für 2016 insgesamt knapp 280.000 Straftaten durch Flüchtlinge zu erwarten. Die sehen dann schon anders aus. Der zweite Fehler springt dagegen nicht sofort ins Auge, ist aber typisch für schlechte Statistik. Denn hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Die sechs Millionen Straftaten sind eine Gesamtheit aller Straftaten, und zwar aus denen mit bekannten Tätern wie auch die von unbekannten Tätern. Die Aufklärungsquote liegt in Deutschland bei um die 56% (mal mehr, mal weniger). Das heisst bei 44% weiss man nicht, wer die Tat begangen hat. Selbst wenn wir noch einen Aufschlag zugeben für den Fall, dass eine Tat zwar nicht aufgeklärt werden kann, aber trotzdem ein Verdächtiger existiert, bleibt übrig, dass man nur vier Millionen Straftaten hat, bei denen der Hintergrund des Täters bekannt ist.
(Man kann es auch anders formulieren: Die zwei Millionen Taten, bei denen völlig unklar ist, wer der Täter ist, teilen sich ebenso auf Flüchtlinge und Nichtflüchtlinge auf, d.h. eben auch, dass die 70.000 pro Quartal, die weiter oben zitiert werden rein statistisch zu niedrig ist.)
Setzt man nun diese vier Millionen in einen Zusammenhang von den 280.000, so kommt man dazu, dass der Anteil von "geflüchteten" Tätern so um die 7% liegt. Hätten also Flüchtlinge die selbe Wahrscheinlichkeit Straftaten zu begehen, wie die ansässige Bevölkerung, so müsste ihr Anteil an der Gesamtheit der Menschen 7% betragen. Der offizielle Anteil an der Bevölkerung ist aber 1,2 Millionen von 80 Millionen. Also, mit etwas Salz, so um die 1,4%. Zwischen 1,4% und 7% ist ein gewaltiger Unterschied, so ungefähr ein Faktor fünf. Oder anders gesagt: Die Botschaft, die Presse und Politik versucht zu transportieren ist sachlich falsch. Selbst wenn man großzügig die Straftaten mit unbekannten Tätern komplett der autochthonen Bevölkerung zuschlägt, bleibt immer noch ein gewaltiger Faktor.
Nun soll aber die Aussage dieses Artikels nicht sein, dass die Flüchtlinge alle kriminell sind. Das wäre selbstredend falsch und zwar extrem falsch. Die meisten Flüchtlinge begehen mit ziemlicher Sicherheit keine Straftaten. Aber die meisten sind in einer Frage nach Kriminalität eben nicht ausschlaggebend. Die allermeisten Bürger begehen in ihrem Leben keine Straftaten. Das sagt aber am Ende nur verdammt wenig aus. 

Erlauben Sie mir, lieber Leser, nun zum zweitenTeil des Artikels zu kommen: Der kognitiven Dissonanz. Denn nicht wenige von den Poltikern und Journalisten, die besagte Nachricht transportieren, mühen sich in dem Kontext die Kriminalität "Einzelner" zu erklären. Mit Kriegstraumata, der archaischen Erziehung, den eigenen Gewalterfahrungen, dem sozialen Status und noch ein paar Dingen mehr. Merken Sie was, lieber Leser? Erst wird erzählt, es sei nicht so, und dann werden Begründungen nachgeschoben, um es zu entschuldigen. Das nenne ich kognitive Dissonanz. 
Ich will diese Begründungen selber nicht einmal bestreiten: Ich halte sie für im Wesentlichen ausgesprochen plausibel. Wenn jemand erzogen wird, dass Gewalt eine normale Methode der Auseinandersetzung ist, dann hat der Betreffende eben auch eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit eben genau das anzuwenden. Wenn jemand bettelarm ist (und das sind die meisten Flüchtlinge) und wenig zu verlieren hat, dann hat er eine deutlich gesteigerte Wahrscheinlichkeit, sich fremder Leute Eigentum anzueignen. Und, um auch den besonders üblen Teil der Kriminalität nicht aussen vor zu lassen, wenn jemand anerzogen bekommt, dass Männer über Frauen herschen sollten, dann ist die Wahrscheinlichkeit von Sexualstraften eben deutlich höher. Das ist alles ziemlich trivial. Und deshalb passiert das auch. Es wäre, und das ist einer der größten Lächerlichkeiten am ganzen Kontext, vollkommen unerwartet, wenn es anders wäre. Wenn die heutigen Flüchtlinge, die mehrheitlich männlich, jung und arm sind, aus archaischen Verhältnissen stammen und vielfach Gewalterfahrungen und Traumata erlebt haben, im Schnitt "nur" genauso oft Straftaten begehen würden wie die normale, deutsche Bevölkerung, dann wäre das eine ziemliche Überraschung. Denn es würde all dem widersprechen, was seit Jahren in der Kriminalitätsforschung betrieben wird. Es würde die meisten Dinge, die Soziologen zum Thema Kriminalität seit Jahrzehnten behaupten, ad absurdum führen. Armut wäre keine Disposition für Kriminalität. Erlebte Gewalt wäre keine Disposition für Kriminalität. Männlichkeit wäre keine Disposition für Kriminalität (ein Fakt, der ansonsten geradezu permanent bei jeder Gelegenheit gehämmert wird). Frauenunterdrückung wäre keine Disposition für Sexualstraftaten. Das wäre allesamt ein Hammer.

Kommen wir zum Ende: Die obige Aussage, dass Flüchtlinge genauso kriminell sind, wie "die Deutschen" ist schlicht falsch. Und das ist nicht einmal besonders schwer zu zeigen, Statistik der Mittelstufe ist völlig ausreichend. Aber kein Journalist in Deutschland kommt auf die Idee mal nachzurechnen. Stattdessen schreibt einer vom anderen ab. Können tausende von Journalisten allesamt zu dumm sein, um einfache Statistik anzuwenden? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich kanns nicht so recht glauben. Und wenn es so wäre, wieso muss man dann entschuldigende Gründe finden? Wenns doch nicht so sein soll?
Nein, das ist von A bis Z unglaubwürdig. Es ist schlicht Volkserziehung. Sozusagen umgekehrte Volksverhetzung. Wenn etwas geeignet wäre ein negatives Licht auf eine schützenswerte Gruppe zu werfen, so wird dieses Faktum bestritten, ignoriert oder schlicht falsch dargestellt. Es ist diese Art von "Lüge", die mir mehr aufstösst als alles andere. Man kann ja zu dem Ergebnis kommen, dass die Humanität es gebietet, die Flüchtlinge aufzunehmen. Ich persönlich bin anderer Meinung, aber ich bin auch Demokrat genug, um einzusehen, dass ich auch in der Mindermeinung sein kann. Aber wenn dem so geboten ist, die Humanität alles schlägt, wieso müssen Lügengeschichten erfunden werden, wenn es um Effekte geht, die das ganze mit sich bringt? Wieso muss erzählt werden, Deutschland werde einen Wirtschaftsboom durch die Flüchtlinge erleben, wieso wird (beispielsweise durch den Justizminister) erzählt, dass ganze würde nichts kosten und niemandem würde etwas weggenommen? Die Billion (wenn die reicht) wächst nicht auf Bäumen und natürlich wird die jemandem weggenommen. Wieso erzählt uns die Politik, es gäbe kein Mehr an Kriminalität, wenn die Fakten das Gegenteil belegen? Wieso muss, wenn die Humanität das alles gebietet, so viel gelogen werden? Das ist, was mich unheimlich anfrisst. Es wird immer behauptet die Deutschen würden in Mehrheit hinter Merkels Flüchtlingspolitik stehen. Davon mal ab, dass schon das zweifelhaft ist, selbst wenn es so wäre: Was wäre es wert, wenn ein guter Teil nur deshalb dafür ist, weil zentrale Fakten erfunden und andere verschwiegen wurden?
Ich wills mal noch platter formulieren: Die 280.000 Straftaten (Hellfeld, in der Realität sind es mehr), die da 2016 begangen wurden, sind eine Folge der Flüchtlingskrise. Die Ermordete von Freiburg ist eine Folge der Flüchtlingskrise. Sie wäre mit aller Sicherheit noch am Leben, wenn Frau Merkel 2015 nicht ihre verheerende Entscheidung getroffen hätte. Man kann (!) zu dem Ergebnis kommen, dass das eben der notwendige Preis war. Aber man sollte den Preis nicht verschweigen. Den Preis für die Humanität des einen zahlen oftmals, viel zu oft, andere.


Llarian

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