17. Januar 2007

Rückblick: Chausseestraße 131

Bis gestern schien die Berliner PDS entschlossen, eine Ehrenbürgerschaft von Wolf Biermann nach Kräften zu verhindern. Gestern vormittag noch war in der Berliner Zeitung zu lesen:
Der Dichter habe sich "immer wieder für Kriegseinsätze" ausgesprochen, argumentiert Fraktionsvize Stefan Liebich, auch etwa beim Kosovo-Krieg, den die Linkspartei nach wie vor für völkerrechtswidrig halte. Liebich betonte, dass Biermanns scharfe Kritik an der SED-Führung, die ihn im Jahr 1976 aus der DDR ausbürgerte, dennoch "jeder Ehrung" wert sei - "auch wenn uns dies nicht geglaubt wird". Die Ausbürgerung vor drei Jahrzehnten sei aber ein "Kainsmal" der DDR gewesen, sagte Liebich. "Das macht es jetzt auch so schwer, Nein zu sagen." Dies sei aber die klare Tendenz in der Linksfraktion, die ebenfalls heute über den Oppositionsantrag zur Ehrung debattieren will.

Also, nicht etwa seine Aktivitäten in der DDR bestimmten, so Liebich, die ablehnende Haltund der PDS. I wo, gerade diese sind nach Ansicht der PDS "jede Ehrung" wert. Nur leider, leider, in Sachen Kosovo und Irak lag und liegt Biermann nicht auf PDS- Kurs.

Und jemanden, der nicht auf PDS- Kurs liegt, nicht wahr, denn kann man doch nicht zum Ehrenbürger Berlins machen. Das sollte doch jedem einleuchten.



Aber kaum hatten alle PDS-Genossen diese Linie verinnerlicht, da galt schon eine neue Linie.

Denn inzwischen hatte die Berliner SPD, nicht eben im Sinn Wowereits, aber unter Druck von ehemaligen Bürgerrechtlern aus der Bundes- SPD wie Thierse und Meckel, sich einen Ruck gegeben und war plötzlich für die Ehrenbürgerschaft.

Und das wären schlechte Kommunisten, die nicht flugs ebenfalls umschwenken würden, wenn sich die Lage derart geändert hat.

Freilich auch wieder nicht. Das Ergebnis ist eine dialektische Argumentation, die man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen sollte:
Die Linkspartei-Fraktion, die parallel über das Thema diskutierte, hielt jedoch grundsätzlich an ihrer Meinung fest. Nach einer kontroversen Debatte folgte sie mit großer Mehrheit einem Vorschlag des Vorstandes, den Antrag der Opposition abzulehnen, sagte Sprecherin Kathi Seefeld. Sollte die SPD einen eigenen Antrag einbringen, werde sich die Fraktion der Stimme enthalten, um ihre Kritik an Biermann zu demonstrieren, aber der Ehrenbürgerwürde nicht im Wege zu stehen.
Hier nachzulesen.

Also: Man ist gegen die Verleihung der Ehrenbürgerwürde. Den betreffenden Antrag der Opposition wird man ablehnen. Wenn aber derselbe Antrag von der SPD eingebracht wird, dann wird man sich enthalten. Und damit will man demonstrieren, daß man erstens dagegen ist und zweitens der Verleihung nicht im Wege stehen will.

Merke: Manchmal bringen die Kommunisten Sachen fertig, die sich auch der begabteste antikommunistische Satiriker nicht würde ausdenken können.