19. Januar 2007

Rückblick: Putins zweites Bein

Auf die, sagen wir, Bereinigung der Parteienlandschaft im Vorfeld der Duma- Wahlen in Rußland habe ich vor zwei Wochen aufmerksam gemacht. Rund die Hälfte der bisherigen Parteien wird gar nicht mehr zur Wahl zugelassen; und Putin ist offenbar dabei, als Opposition zu seiner eigenen Partei "Geeintes Rußland" die Partei "Gerechtes Rußland" zu etablieren.

Sozusagen His Majesty's Opposition, nur daß das "His" eine etwas andere Bedeutung haben dürfte als in der britischen Demokratie.

Zu diesem Thema gibt es jetzt in B.L.O.G. einen interessanten Beitrag von Karsten zu lesen, der neue Informationen bringt und mit der Frage schließt, "wie der Spruch mit dem 'lupenreinen Demokraten' bloß zustande gekommen sein mag".

Die Antwort gibt vielleicht eine kürzliche Veranstaltung im Berliner Hotel Adlon. Gestaltet von der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik" anläßlich des Wechsels im G8-Vorsitz von Rußland zu Deutschland. Ihr Höhepunkt war eine "symbolische Schlüsselübergabe".

Seltsamerweise nicht an die Kanzlerin, den Außenminister oder sonst jemanden, der nun für diesen Vorsitz zuständig geworden ist. Sondern an einen Frühstücksdirektor des russischen Staatskonzerns Gazprom: Gerhard Schröder, früher einmal auch Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der sich, wie es sich gehört, mit einer Rede bedankte.

Die Netzeitung schreibt dazu:
Putin geht für Schröder den Weg "der Stabilität und Verlässlichkeit" und das sei eine "historische Leistung". Kritik an Innen- und Außenpolitik des Kremls werden vom Altkanzler als "anti-russische Reflexe" abgetan. Auch in anderen Ländern würden Journalisten umgebracht – was die Opfer in Russland nicht entschuldige – aber man müsse die Verhältnismäßigkeit wahren, beschreibt Schröder sein Russland. Das Land habe erfolgreich begonnen "eine Rechtsstaatlichkeit" aufzubauen.

Begonnen, eine Rechtsstaatlichkeit aufzubauen. So sieht das Schröder. Eigentlich hat man ja eher den Eindruck, daß das Gorbatschow vor rund zwanzig Jahren begonnen hat, eine Rechtsstaatlichkeit aufzubauen. Daß Jelzin es voranzutreiben versuchte, und daß Putin zielstrebig dabei ist, diese Rechtsstaatlichkeit wieder zu beseitigen.

Der zweite Teil des lesenwerten Artikels der Netzeitung handelt von Michael Chodorkowski. Dessen Verurteilung ja bekanntlich ein leuchtendes Beispiel für die Rechtsstaatlichkeit ist, die Putin aufzubauen begonnen hat.