17. Januar 2007

Rückblick: Verworren

In einer Marginalie habe ich vor ein paar Tagen argumentiert, daß es ein sehr eigenartiges Verständnis des demokratischen Systems offenbart, wenn die bayerische SPD jetzt Neuwahlen verlangt - nur, weil es in der Regierungspartei Streit darüber gibt, wie lange der Ministerpräsident Stoiber noch weitermachen darf.

Neuwahlen sind in einem parlamentarischen System als letzter Ausweg für den Fall vorgesehen, daß es dem Parlament nicht oder nicht mehr gelingt, aus seiner Mitte heraus eine stabile Regierung zu wählen und sie dauerhaft zu unterstützen. Bayern verfügt nicht nur über eine stabile Regierung, sondern diese hat sogar eine Zweidrittel- Mehrheit des Parlaments hinter sich. Nichts begründet die Vermutung, daß diese Mehrheit nicht ohne Schwierigkeiten einen Nachfolger Stoibers wählen könnte, falls denn dieser zurücktreten sollte.

Als ich darüber schrieb, dachte ich noch, die bayerische SPD mißbrauche die in der bayerischen Verfassung vorgesehene Möglichkeit von Neuwahlen, um ein wenig Wind zu machen. Um auf sich aufmerksam zu machen; um zu zeigen, daß sie gern auch einmal wieder dieses Land regieren würde.

Daß das ernst gemeint war, hatte ich mir nicht vorstellen können.



Es ist aber ernst gemeint. Heute schreibt die "Welt":
Mit einem Volksbegehren zur Auflösung des bayerischen Landtags wollen SPD und Grüne Neuwahlen in Bayern erzwingen. Diese könnten frühestens im Juli und spätestens in einem Jahr stattfinden, sagte SPD-Fraktionschef Franz Maget in München. (...) Maget sagte, die SPD werde in der regulären Plenarsitzung am 30. Januar Stoibers Rücktritt fordern. Nach der erwarteten Ablehnung durch die CSU-Mehrheit im bayerischen Landtag werde die Opposition dann mit der Sammlung von Unterschriften beginnen.

Starke Worte. Wenn die bayerische SPD sich nicht lächerlich machen will, dann muß sie das jetzt durchziehen. Also, wie Maget das heute angekündigt hat, mit der Sammlung der Unterschriften schon im Februar beginnen. Von da an geht die Sache dann ihren Gang.

Die bayerische SPD hat damit vielleicht einen momentanen Propagandaerfolg, aber wie stellt sie sich denn das Weitere vor? 25 000 Unterschriften wird sie mühelos sammeln können. Der nächste Schritt ist ein Volksbegehren, in dem mindestens eine Million Wahlberechtigte sich für einen Volksentscheid aussprechen müssen. Falls das gelingt, dann findet der Volksentscheid darüber statt, ob der Landtag "abberufen" werden soll. Dann erst gibt es, falls die Mehrheit das will, Neuwahlen.

So bestimmt es Paragraph 18, Absatz 3 der Verfassung des Freistaates Bayern zusammen mit den einschlägigen Verfahrensvorschriften. Was die SPD jetzt leichtfertig in die Wege leitet, das ist also ein Verfahren, das die Bayern, falls es zum Erfolg führt, dreimal an die Urnen rufen wird: Zum Volksbegehren, zum Volksentscheid, zur Neuwahl des Landtags.

Das dürfte, so hat es ein Verwaltungsrechtler vorhin im Bayerischen Rundfunk gesagt, insgesamt ungefähr ein Jahr dauern. Ein Jahr, in dem die bayerische Politik praktisch lahmliegen wird.



Und das sollen die Bayern mitmachen? Und am Ende denjenigen, die diesen Unfug angezettelt haben, auch noch eine Mehrheit geben?

Als wenn sie nicht wüßten, die Bayern, daß das, was sich jetzt abspielt in der CSU, beste bayerische Tradition ist: "Der barlamendarische beruf ist aufreubend und man bringt ein groses Obfer fier den Wallgreis. Aber in Goznamen, ich bring es und denk, fieleicht is es doch schöner als daheim, wo einem die Alde aufbasst." (Jozef Filser an Herrn Bechler Gorbinian)