12. Januar 2007

Zettels Meckerecke: Mündige Bürger? Vollmundige, jedenfalls

In der ORF-Nachrichtensendung "Zeit im Bild" war heute Abend der Meteorologe Herbert Gmoser zu Gast. Natürlich wurde er gefragt, ob der diesjährige milde Winter denn der Ausdruck einer Klimaänderung sei. Und natürlich sagte er das, was jeder ernstzunehmende Wissenschaftler sagen wird: Vielleicht, vielleicht nicht. Wir wissen es nicht. Das Wetter weist nun einmal eine große Variabilität auf. Und er erinnerte daran, daß letztes Jahr der Winter ausgeprochen streng gewesen ist.

Was die Fachleute nicht wissen, das wissen allerdings die Laien. Jedenfalls die deutschen Laien. Jedenfalls die rund tausend Deutschen, die vom ZDF für das heute gesendete Politbarometer befragt wurden. Jedenfalls fast alle von ihnen.

Genauer: Ungefähr 960 von den ungefähr tausend Befragten wußten das, was den Meteorologen leider verborgen ist.

Sie wurden gefragt, ob das diesjährige milde Winterwetter die "Folge des Klimawandels" sei. 60 Prozent bejahten das. 36 Prozent wählten die Alternative, daß es sich um "normale Klimaschwankungen" handle. Die restlichen 4 Prozent entschieden sich für keine der beiden Alternativen - sei es, weil sie die Frage nicht verstanden hatten; sei es, weil sie - vielleicht - den Gedanken fassen konnten, daß sie das gar nicht wußten.

Daß sie schlicht nicht sagen konnten, ob es nun normale Klimaschwankungen sind, die uns diesen Winter beschert haben, oder ob er eine Folge "des Klimawandels" ist.



Ein Anlaß für einen Beitrag in der "Meckerecke"? Ja. Wobei ich weniger über die 960 Menschen zu meckern habe, die etwas zu wissen glaubten, was nicht einmal die Fachleute wissen. Sie haben dumm geschwätzt, ob sie nun dem einen oder dem anderen Statement zustimmten. Sie haben sich auf eine Antwort festgelegt, die sie überhaupt nicht verantworten konnten.

Aber viel mehr Meckerei verdienen natürlich diejenigen, die sich solche saublöden Fragen ausdenken. Und die mit ihrer Formulierung der Frage auch gleich noch suggerieren, ein "Klimawandel" sei bereits bewiesen. Die die Menschen, die sie befragten, dazu aufforderten, zu einer Frage eine Meinung zu äußern, zu der sie überhaupt keine begründete Meinung haben konnten.



Zu einer Frage, die überhaupt nicht der Gegenstand von Meinungen ist; anders, als etwa die Beurteilung eines Politikers oder eine Regierung.

Es geht hier ja vielmehr um Fakten, mindestens um wissenschaftlich begründete Hypothesen. Wer sich in der betreffenden Wissenschaft nicht auskennt, der sollte eigentlich in der Lage sein, sein Nichtwissen zu erkennen. Statt irgend etwas zu behaupten zu einem Thema, von dem er keine Ahnung hat.

Unsere Schulen sollten eigentlich ihre Schüler zu kritischem Denken erziehen. Dazu gehört ganz zuvorderst, daß man ein Verständnis dafür hat, was man selbst weiß, was die Wissenschaft weiß, und was man eben nicht oder noch nicht weiß.

"Kritisches Denken" - das wird aber von vielen Pädagogen, vielen Kultusbürokraten, vielen Politikern umgekehrt gerade so verstanden, daß die Schüler lernen müßten, "sich eine Meinung zu bilden".

Über alles und jedes, wovon sie keine Ahnung haben. Die Sicherheit der Nuklearenergie, die Gefährlichkeit von Genfood. Vor etlichen Jahren über die Wahrscheinlichkeit, daß der "Rinderwahn" zu einer Epidemie unter Menschen führen würde.

Auch damals haben vermutlich die Demoskopen danach gefragt. Und die Befragten, die das so wenig wußten, wie sie heute wissen, ob der milde Winter etwas mit globaler Erwärmung zu tun hat, werden in ihrer Mehrheit dennoch eine Antwort gewußt haben.

Mündige Bürger? Eher vollmundige Bürger.