21. April 2007

Amoklauf in Virginia: Waffengesetze, die USA, wir Europäer, die wissenschaftliche Wahrheit

Welche Auswirkung hat das amerikanische Waffenrecht auf die Kriminalität? Das ist eine dieser Fragen, auf die fast jeder Journalist die Antwort zu wissen glaubt, auch wenn er keine einzige Arbeit von Wissenschaftlern dazu gelesen oder gar verstanden hat.

Er hat exakt null Ahnung, der europäische Journalist. Aber er hat ja dafür seine Überzeugung.

Ja, natürlich, so schallt es uns aus den deutschen Medien entgegen, so schreibt es die europäische Presse, - natürlich ist das Waffenrecht "der USA" schuld daran, daß solche Verbrechen passieren können wie jetzt das in Virginia.

Man hat ja, nicht wahr, "Bowling for Columbine" gesehen; dieses agitatorische Machwerk, eines Goebbels würdig.



Auf der Suche nach Informationen darüber, wie denn nun tatsächlich das liberale Waffenrecht in einem Teil der Staaten der USA sich auswirkt, bin ich auf einen schon etwas älteren Beitrag des Cato Institute gestoßen, also eines konservativen Think Tanks, dessen Publikationen immer lesenswert sind.

Mir scheint das, was Jeffrey R. Snyder unter dem Titel "Crime, Self-Defense, and the Right to Carry a Handgun" ("Verbrechen, Notwehr und das Recht, eine Feuerwaffe zu tragen") schreibt, hochaktuell zu sein.

Also hier ein Überblick, mit einigen Zitaten. Am besten liest man aber den Artikel selbst.



1987 war Florida der erste Staat, der es gesetzestreuen, volljährigen Bürgern erlaubte, in der Öffentlichkeit zur Selbstverteidigung Feuerwaffen mit sich zu führen. Nicht offen, aber verdeckt, also etwa in der Manteltasche.

Damals wurde von Linken der Wilde Westen an die Wand gemalt: Würde es in Florida bald so zugehen wie in Carson City?

Nein. Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ging die Diskussion nur noch darum, wie stark es die Kriminalität reduziert hat. Daß es diese Wirkung hatte, ist unbestritten.

Aufgrund dieser positiven Erfahrungen hatten bis 1997 - als der Artikel von Snyder erschien - 23 weitere Staaten ähnliche Gesetze verabschiedet.

Nur bedeutet das eben in keiner Weise, daß jedem Kriminellen der Zugang zu Waffen erlaubt ist. Die meisten US-Staaten legen unter anderem diese Kriterien fest:
Man muß volljährig sein, in dem betreffenden Bundesstaat wohnen, seinen Fingerabdruck zur Verfügung stellen und ein polizeiliches Führungszeugnis beibringen. Man darf also nicht vorbestraft sein, nicht illegal in den USA leben, nicht wegen Drogendelikten auffällig geworden sein, nicht in einer psychiatrischen Einrichtung gewesen sein, nicht unehrenhaft aus der den Streitkräften entlassen sein, nicht entmündigt sein, nicht eines Verbrechens angeklagt sein, Übungskurse im Gebrauch von Waffen absolviert haben und die Gebühr für Waffenbesitz bezahlt haben.
Mit anderen Worten: Wer in den USA Waffen erwerben darf, der unterliegt im Prinzip denselben Einschränkungen wie in Deutschland. Der einzige Unterschied ist, daß man in Deutschland auch noch Jäger sein muß, Sportschütze oder dergleichen. Was natürlich jeder werden kann, der Waffen besitzen möchte.

Teilweise sind die Bestimmungen in den USA sogar strenger als in Deutschland. Der Waffenschein muß beispielsweise zum Teil alle zwei Jahre erneuert werden; in den meisten Bundesstaaten alle vier Jahre.

Besonders streng sind die Gesetze in Texas. Dort darf noch nicht einmal jemand einen Waffenschein erhalten, der Unterhaltszahlungen oder Steuern nicht gezahlt hat oder der ein Studiendarlehen nicht zurückgezahlt hat.



Was spricht nun nach Ansicht von Snyder dafür, daß Waffenscheine nicht nur an Jäger und Sportschützen ausgegeben werden sollten, sondern an jeden gesetzestreuen Bürger, der den aufgezählten Anforderungen gerecht wird?
  • Die Polizei kommt meist zu spät, um ein potentielles Opfer davor zu bewahren, ein Opfer zu werden: "Call for a cop, call for an ambulance, and call for a pizza. See who shows up first." "Verlange die Polizei, verlange den Rettungsdienst, verlange eine Pizza. Schau, wer zuerst kommt".

  • Kriminelle kalkulieren kühl. Sie nehmen sich diejenigen als Opfer, die sie für schwach halten. Wenn sie befürchten müssen, daß ein potentielles 0pfer sich mit Waffengewalt wehrt, dann begehen sie das betreffende Verbrechen eben nicht.

  • Kriminelle werden immer an eine Waffe kommen. Wenn man zugleich den gesetzestreuen Bürgern das Tragen von Waffen verwehrt, dann begünstigt man nur die Kriminellen.

  • In allen Staaten der USA darf [wie auch in Deutschland; Zettel] die Polizei erst einschreiten, wenn eine Straftat geschehen ist; nicht schon dann, wenn jemand bedroht wird. Der Bedrohte ist hilflos, wenn ihm das Recht verwehrt wird, für seine eigene Sicherheit zu sorgen.

  • Und bei weitem am Wichtigsten: Kriminologische Untersuchungen (wie die von Lott und Mustard) zeigen, daß das Recht gesetzestreuer Bürger, in der Öffentlichkeit Waffen zu tragen, Verbrechen verhindert,
  • Diese Autoren haben Daten aus 3054 counties in den Vereinigten Staaten von 1977 bis 1992 analysiert. Das Ergebnis war, daß nach Einführung der Freiheit, Waffen zu tragen, die Zahl der Morde um 7,65 Prozent abnahm, die der Vergewaltigungen um 5,2 Prozent, die der Überfälle um 2,2 Prozent und die des schweren Raubs um 7 Prozent.

    Keine sehr großen Prozentsätze. Aber wenn man das in absolute Zahlen umrechnet, dann hätte eine Erlaubnis für gesetzestreue Bürger, in der Öffentlichkeit Waffen zu tragen, in den Staaten, die das nicht hatten, 1414 Morde, 177 Vergewaltigungen, 11898 Raubdelikte und 60363 Fälle von schwerem Raub verhindert.



    Wie das in der Kriminologie üblich ist, haben Lott und Mustard ihre Daten varianzanalytisch aufgearbeitet. Also die Wirkungen andere Variablen wie Änderungen in der Bevölkerungsstruktur, Einkommen, Alter und Rasse usw. auspartialisiert.

    Das ist trivial für jeden Wissenschaftler; aber Journalisten und andere Laien glauben ja oft, auf dieser Ebene Kritik üben zu dürfen.



    Mit das Ärgerlichste an der linken Dominanz in Deutschland ist, daß Linke sich - egal, worum es geht - ihrer Wissenschaftlichkeit brüsten und uns Liberale und Konservative als ideologiebelastet hinzustellen versuchen.

    Nur ist halt das Gegenteil der Fall. Sehr oft findet man, daß die angeblich so fundierten linken Meinungen sich mehr der Ideologie als der Wissenschaft verdanken.

    Und sehr oft - sicher nicht immer - sind es wir Liberale und Konservative, die die besseren wissenschaftlichen Argumente auf unserer Seite haben.

    Nur muß sich das halt erst herumsprechen.