12. Mai 2007

Marginalie: Wollte Sarkozy in ein Kloster? Oder watschelt da mal wieder eine Ente?

Ein Kommentar hier im Blog hat mich darauf aufmerksam gemacht, und ein weiterer Kommentator war dann so freundlich, auf meine Nachfrage hin eine Quelle ausfindig zu machen: Nicolas Sarkozy soll vor knapp einer Woche angekündigt haben, er wolle die Tage nach dem Wahltag, dem 6. Mai, in einem Kloster verbringen.

Eine Meldung, die sich natürlich aufs Schönste mit dem kontrastieren läßt, was Sarkozy dann wirklich tat: Sich auf der Luxus- Yacht eines Milliardärs erholen.

Dieses gefundene Fressen ließ sich das "Neue Deutschland" sozusagen genüßlich auf der Zunge zergehen. Unter der Überschrift "Luxuriöse Askese" schrieb dort Uwe Sattler:
Das Kloster war es denn doch nicht. Die Auszeit, die sich Frankreichs künftiger Präsident nach seinem Wahlsieg selbst verordnet hatte, fand nicht, wie von Sarkozy laut gedacht, in abgeschiedener Askese statt. Vielmehr gönnte sich die erste Familie des Landes einen Kurztrip auf einer 60-Meter-Jacht vor Malta.
Aber auch die seriöse Presse nahm sich des Themas gern an. Viele Zeitungen übernahmen einen dpa-Bericht von Tobias Schmidt, der so beginn:
Paris. Vielleicht hätte er sich doch lieber in ein Kloster zurückgezogen, um über seine künftige Rolle als Staatspräsident der Wirtschafts- und Atommacht Frankreich nachzudenken. Doch nein, aus einem Abstecher zu den Mönchen wurde nichts, Nicolas Sarkozy erholte sich ganz anders von seinen Wahlkampfstrapazen: Auf dem 60 Meter langen schwimmenden Palast "Paloma".



Hat Sarkozy "laut gedacht", also mitgeteilt, er gedenke ein paar Tage in einem Kloster zu verbringen? Oder hat der Kommentator des "Neuen Deutschland", der das behauptete, es sich nur leise so gedacht?

Für den "Tagesspiegel" berichtet Hans-Hagen Bremer aus Paris, und der schreibt:
Vorige Woche hatte Sarkozy noch erklärt, er wollte sich vor der Amtsübernahme einige Tage "zurücklehnen, um durchzuatmen" und die "nötige Distanz" zu seiner Aufgabe als "Mann der Nation" zu finden. Mitarbeiter hatten erst von einem Kloster, dann von Korsika als möglichem Ort der Kontemplation gesprochen.
Wenn wir Hans-Hagen Bremer glauben, dann hat also Sarkozy keineswegs gesagt ("laut gedacht"), er gedenke für ein paar Tage in ein Kloster zu gehen. Vielmehr hätten Mitarbeiter von einem Kloster als einem möglichen Ort für den Kurzurlaub des Präsidenten gesprochen.



Das klingt schon anders, nicht wahr? Versuchen wir nun, uns der Quelle zu nähern, um dort vielleicht ein wenig Erkenntnis zu schöpfen. Soweit ich das zurückverfolgen konnte, ist die Quelle "Le Monde".

Dort erschien die Meldung, die ich gleich zitieren werde. Die Version, die jetzt im Netz steht, ist vom Sonntag, 21.56 Uhr datiert, aktualisiert am Montag um 13.37 Uhr. Diese aktualisierte Version beginnt so:
Nicolas Sarkozy vient d'être élu président de la République. Il a célébré sa victoire lors d'un grand rassemblement de ses partisans à la Concorde.

Puis le futur président de la République a fait savoir qu'il se retirerait peut-être quelques jours dans un monastère, "pour habiter la fonction, prendre la mesure de la gravité des charges qui pèsent désormais sur (s)es épaules, et se reposer après le fracas de la campagne". "Qu'il y ait une dizaine de jours pour digérer la campagne et habiter la fonction présidentielle, cela ne me semble pas de trop", avait déclaré Nicolas Sarkozy dans l'entre-deux-tours.

Nicolas Sarkozy ist nun zum Staatspräsidenten gewählt worden. Er feierte seinen Sieg bei einer großen Versammlung seiner Anhänger auf der Place de la Concorde.

Sodann hat der künftige Staatspräsident wissen lassen, daß er sich vielleicht für einige Tage in ein Kloster zurückziehen werde, "zur Gewöhnung an die Funktion, um das Maß der Schwere der Lasten zu nehmen, die künftig auf (s)einen Schultern ruhen, und um sich nach dem Tosen des Wahlkampfs auszuruhen". "Daß es ein Dutzend Tage gibt, um den Wahlkampf zu verdauen und mich an die Funktion des Präsidenten zu gewöhnen, das scheint mir nicht zu viel zu sein" hatte Nicolas Sarkozy in der Zeit zwischen den beiden Wahlgängen geäußert.
Man muß das genau lesen: Erst wird über die Feier auf der Place de la Concorde berichtet. Dann heißt es, der Präsident habe das mit dem Kloster "wissen lassen".

Bei flüchtiger Lektüre könnte man meinen, er habe das also auf dieser Kundgebung gesagt. Aber das hat er nicht; und wenn man genau liest, behauptet das die Meldung auch nicht. "Wissen lassen" (faire savoir) kann man auch auf dem Weg über Vertraute. Und daß wir in diesem Absatz der Meldung gar nicht mehr bei der Kundgebung vom Sonntag sind, erfährt man an deren Ende: "zwischen den beiden Wahlgängen" (dans l'entre- deux- tours) sind die zitierten Sätze gefallen.

Wann also, und wer hat das mit dem Kloster gesagt? Es gibt dazu noch eine zweite Meldung in "Le Monde". Und diese Meldung stammt bereits vom Samstag vor dem zweiten Wahlgang; datiert um 15.10 Uhr. Die Fassung, die jetzt im Netz steht, ist am Wahlsonntag um 8.00 Uhr morgens aktualisiert worden.

In diesem Artikel von Christophe Jakubyszyn geht es um das, was Royal und Sarkozy für den Wahlsonntag und die Tage danach planen. Und zu Sarkozy heißt es in diesem Zusammenhang:
Sarkozy prépare sa retraite. Aussitôt élu, aussitôt parti. Le possible président a fait savoir qu'il se retirerait, peut-être dans un monastère, "pour habiter la fonction, prendre la mesure de la gravité des charges qui pèsent désormais sur ses épaules, se reposer après le fracas de la campagne".

Sarkozy bereitet vor, sich zurückzuziehen. Kaum gewählt, schon verreist. Der mögliche Präsident hat wissen lassen, daß er sich zurückziehen würde, vielleicht in ein Kloster, "zur Gewöhnung an die Funktion, um das Maß der Schwere der Lasten zu nehmen, die künftig auf (s)einen Schultern ruhen, und um sich nach dem Tosen des Wahlkampfs auszuruhen".
Also, Sarkozy hat das nicht selbst gesagt, sondern es ist ein Zitat von irgendwem aus seiner Umgebung. Der hat - vielleicht auf die Frage, wohin sich denn der frisch gewählte Präsident beispielsweise zurückziehen könnte - offenbar auch die Möglichkeit eines Klosters erwähnt.

Daß Sarkozy das selbst jemals erwogen hätte, geschweige denn es "laut gedacht" hätte, ist eine Ente.

Und als die nun durch die Medien watschelte, hat Sarkozy natürlich dementieren lassen. Der Pariser Korrespondent des "Daily Telegraph" Henry Samuel, berichtete in einer Meldung, die offenbar am Dienstag formuliert wurde:
Fresh from his electoral triumph, France's new president Nicolas Sarkozy left yesterday on a holiday with his family (...) François De La Brosse, Mr Sarkozy's spokesman and a family friend, dismissed suggestions that the president-elect would spend time alone in a monastery to meditate on his new five-year mandate.

Direkt nach seinem Wahltriumph ist der neue französische Präsident gestern zu einem Urlaub mit seiner Familie aufgebrochen (...) François De La Brosse, Sprecher Sarkozys und ein Freund der Familie, hat Behauptungen zurückgewiesen, daß der gewählte Präsident eine Zeit allein in einem Kloster verbringen würde, um über sein fünfjähriges Mandat zu meditieren.



Daß Sarkozy erst einen Kloster- Aufenthalt angekündigt hätte, um dann Luxusurlaub zu machen, ist also schlicht nicht der Fall. Er hat die Idee mit dem Kloster weder geäußert noch autorisiert; sondern irgendeiner aus seiner Umgebung hat das irgendwann zwischen den beiden Wahlgängen als eine Möglichkeit genannt; offenbar unter anderen, wie Korsika.

Und als das in den Medien verbreitet wurde, hat es Sarkozy dementieren lassen.

C'est tout.