24. Juli 2007

Gedanken zu Frankreich (17): Sarkozys mediterrane Strategie

Nicolas Sarkozy hat einen fulminanten Start hingelegt. Innenpolitisch war das zu erwarten gewesen. Schon im Mai hatte er angekündigt, daß seine Regierung die Reformen nicht einzeln nacheinander anpacken werde, sondern alle zugleich ("mener toutes les réformes en même temps").

Überraschender ist, daß Sarkozy in der Außenpolitik dasselbe Tempo vorlegt. Und dabei zeichnet sich eine Strategie ab, eines Napoléon würdig, mit dem Sarkozy ja mancherlei gemeinsam hat.



Klar war von vornherein gewesen, daß Sarkozy in der EU Deutschland die Rolle der Nummer eins streitig machen würde.

Dazu diente, sozusagen als Einstieg, Sarkozys Idee eines traité simplifié, eines vereinfachten Vertrags, anstelle der gescheiterten Europäischen Verfassung.

Die Konferenz von Brüssel war aus französischer Sicht primär nicht ein Erfolg Merkels, sondern ein Triumph Sarkozys, der anschließend ohne falsche Bescheidenheit verkündete, mit der Annahme dieser seiner Idee sei Europa gerettet worden.



Nur ändert das ja langfristig nichts daran, daß Deutschland nun einmal mehr Einwohner hat als Frankreich, eine größere Wirtschaftskraft. Jetzt zeichnet sich ab, was Sarkozy dagegen setzen will.

Er will einen geographisch- kulturellen Vorteil nutzen, den Frankreich gegenüber Deutschland hat: Es ist nicht nur ein westeuropäisches Land, sondern zugleich ein Mittelmeer- Land.

Und zwar nicht nur in dem Sinn, daß Südfrankreich zur mediterranen Kultur gehört, daß Frankreich mit Marseille einen der größten Mittelmeer- Häfen hat.

Sondern auch insofern, als es enge historische Verbindungen über das Mittelmeer hinweg hat, nach Nordafrika. Vor allem nach Algerien, das ja lange ein Teil des französischen Staatsgebiets war und keine Kolonie.



Sein erster Besuch eines afrikanischen Landes führte Sarkozy am 10. Juli nach Algerien.

Unter den Journalisten, die ihn im Flugzeug begleiten durften, war Jean Daniel, der Herausgeber des linken Nouvel Observateur; eines Blattes, das im Wahlkampf heftig für Ségolène Royal eingetreten war.

In seinem Leitartikel dieser Woche, betitelt "Sarko l'Algérien" berichtet Daniel Erstaunliches über das, was Sarkozy auf diesem Flug den Journalisten darlegte.



Er werde, sagte Sarkozy, zum Nationalfeiertag 2008 alle Länder des Mittelmeer- Raums einladen. "Je crois plus que tout à la force des symboles. Après l'Union européenne, ce sera l'Union méditerranéenne." Er glaube mehr als alles an die Kraft der Symbole. Auf die Europäische Union werde die Mittelmeer- Union folgen.

Und so, wie das couple Franco- Allemand, das französisch- deutsche Paar, wie man in Frankreich sagt, den Kern der EU bildet, so soll eine enge Allianz zwischen Frankreich und Algerien den Kern einer solchen Mittelmeer- Union bilden.
Nicolas Sarkozy déclare avec tranquillité qu'il entend conclure avec les Algériens un partenariat si privilégié, si exceptionnel et qui profiterait de manière si égalitaire aux deux parties que cela dissuaderait les ambitions compétitives des autres grandes puissances.

Nicolas Sarkozy teilt ruhig mit, daß er beabsichtigt, mit den Algeriern eine so privilegierte, so außergewöhnliche Partnerschaft einzugehen, von der auf eine so ausgeglichene Weise beide Seiten profitieren, daß das die damit im Wettstreit stehenden Ambitionen der anderen Großmächte vereiteln werde.


Voilà! Klassische Bündnispolitik. Deutschland und Frankreich bilden die Führungs- Allianz der EU. Aber Frankreich und Algerien bilden die Führungsallianz der neuen Mittelmeer- Union. Im Machtgefüge der einen Union kann Frankreich jeweils seine Rolle in der anderen Union in die Waagschale werfen.

Zusammen mit Deutschland ist es stärker als irgendwer sonst in der EU. Zusammen mit Algerien ist es stärker als irgendwer sonst in einer Mittelmeer- Union. Die beiden Stärken addieren sich aber nicht einfach, sondern sie treten in Wechselwirkung; die eine erhöht die andere.

Eine beeindruckende Strategie.

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