4. August 2007

Randbemerkung: "Völlig verfehlt". Oder: Wann ist jemand ein Terrorist?

Während der dreißigste Jahrestag des "Deutschen Herbst" 1977 sich nähert, wird in diesen Tagen für alle sichtbar, daß der linke Terrorismus in Deutschland noch keineswegs Geschichte ist.

Jetzt wurden in Berlin vier mutmaßliche Mitglieder einer Terror- Organisation festgenommen, die sich "militante gruppe" nennt, abgekürzt "mg". (Sogar die Kleinschreiberei haben sie von der RAF übernommen). Der Name soll offenbar ein Anklang an die MG seligen Angedenkens sein, die "Marxistische Gruppe".

Der meines Erachtens beste Hintergrund- Bericht zu diesen Festnahmen stand gestern in der Online-Ausgabe der "Zeit", verfaßt von Kai Biermann.

Die Terroristen der mg sind schon seit mindestens 2001 "tätig", als sie Drohbriefe an verschiedene Adressaten schickten, unter anderem Otto Graf Lambsdorff. In den Briefen lagen scharfe Patronen.

Solche Drohungen sind offenbar die eine Taktik der Terroristen. Die andere besteht in Brandanschlägen. Man zündet Autos an, aber auch Bürogebäude, Gerichte, auch schon mal ein Gebäude mit Privatwohnungen, in denen Polizisten wohnen. Offenbar ist das Ziel dieser Anschläge auf Gebäude nicht, einen großen Brand zu entfachen, sondern Angst zu verbreiten. Wie mit den Anschlägen auf Autos.

Es ist die klassische Taktik des Terrorismus: Drohen, einschüchtern, eben terrorisieren. In der Hoffnung offenbar, daß die Opfer - Politiker, Beamte zum Beispiel des Ordnungsamts, Richter, Geschäftsleute - auf die Drohungen, die Einschüchterungs- Versuche reagieren und sich willfährig im Sinn der Terroristen verhalten.

So macht es ja auch die Mafia. Auch sie verschickte gern Patronen oder Kugeln. Man muß ja nicht immer gleich töten. Angst machen, das genügt oft schon.



Mit Anschlägen, mit Drohungen dieser Art hat es auch Anfang der siebziger Jahre begonnen; man nannte das damals "Gewalt gegen Sachen", und es mündete bekanntlich sehr schnell in "Gewalt gegen Personen".

Ob es sich diesmal wieder so entwickelt, dürfte davon abhängen, wie schnell es der Polizei und dem Verfassungsschutz gelingt, den Terroristen das Handwerk zu legen.



Gefaßt wurden drei der mutmaßlichen Terroristen auf frischer Tat, als sie am 31. Juli versuchten, LKWs der Bundeswehr anzuzünden. Der vierte wurde festgenommen, weil er offenbar konspirativen Kontakt zu diesen drei hatte.

Drei der Verhafteten haben einen Verteidiger names Wolfgang Kaleck. Und der äußerte sich in einer Weise, die es verdient, dokumentiert zu werden:
Der Verteidiger von drei der Verhafteten, der Anwalt Wolfgang Kaleck, hält den Vorwurf des Terrorismus denn auch für überzogen und spekulativ. Es sei völlig verfehlt, das fehlgeschlagene Anzünden dreier Fahrzeuge ohne Gefährdung von Menschen als Terrorismus zu bezeichnen, sagte er der Berliner Zeitung.
Das erinnert an die Sache mit dem Wecker.

Zwischen den siebziger und den neunziger Jahre gab es in Deutschland eine terroristische Vereinigung namens "Rote Zora", die sich auf Bomben- Anschläge spezialisiert hatte. Zur Zündung der Bomben benutzte man Wecker einer bestimmten, seltenen Marke. Bei dem Versuch, einen solchen Wecker zu kaufen, wurde die Journalistin Ingrid Strobl festgenommen und später wegen Beihilfe zu einem Sprengstoff- Anschlag zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt.

Damals gab es Äußerungen ähnlich denen, die jetzt der Verteidiger Kaleck getan hat: Seit wann sei es denn strafbar, einen Wecker zu kaufen?

Das Anzünden eines LKW mag, in einem anderen Tatzusammenhang, nichts mit Terrorismus zu tun haben. Wenn das aber drei Leute tun, die in dem Verdacht stehen, Drohbriefe geschrieben und zahlreiche andere terroristische Anschläge begangen zu haben, dann ist es natürlich Terrorismus.



Die Unschuldigen, die Naiven, die vom bösen Repressions- Apparat zu Unrecht Verfolgten zu spielen - das ist immer Teil der Taktik von Terroristen gewesen.

Sie spekulieren damit auf die liberale Öffentlichkeit, auf die "liberalen Scheißer", die sie zwar verachten, deren Hand- und Spanndienste sie aber gern annehmen.

Da ist kein Argument zu dumm, wie jetzt das dieses Anwalts. Irgendwelche freundliche und naive Menschen, die das ernst nehmen, wird es immer geben.



Noch ein anderer interessanter Aspekt der "militanten gruppe": Wie die RAF verstehen sich diese Terroristen offenbar als orthodoxe Kommunisten. Die Texte ihrer "Bekennerschreiben", schreibt Kai Biermann,
beziehen sich ... alle auf kämpfende kommunistische Gruppen und Strömungen der jüngeren Vergangenheit. So reicht die Sympathie der Täter von der marxistisch-leninistischen Terrorgruppe DHKC in der Türkei, über die wahrscheinlich zerschlagene kommunistische Grapo in Spanien, bis zu einer Gruppe in Italien, die sich neue Rote Brigaden nennt (BR-PCC).
Mir scheint, es wird Zeit, den kommunistischen Terrorismus wieder in den Blick zu nehmen. Er ist so wenig tot, wie die kommunistische Bewegung überhaupt erledigt ist. In Venezuela vollzieht sich gerade eine kommunistische Machtübernahme - wenig beachtet, so wie bei uns der Linksterrorismus.

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