2. August 2007

Welches ist eigentlich die Lage im größten islamischen Land der Welt? Welches ist eigentlich die Lage im Land der kommunistischen Massenmörder?

Die Auslandsberichte unserer Medien gleichen Scheinwerfern, die auf einer dunklen Bühne mal diese, mal jene Szene beleuchten. Der Rest bleibt im Dunklen, ist allenfalls zu ahnen.

Wohin die Scheinwerfer sich richten, hängt wesentlich davon ab, wieviel Action an der betreffenden Stelle stattfindet. Action - das heißt in der Regel: Krieg, Anschläge, Hungersnot, politische Unruhen. Nur von den ganz Großen - den USA, China, Indien - wird auch dann berichtet, wenn es dort friedlich zugeht.

Die übrigen Länder geraten in den Kegel der Scheinwerfer und verschwinden wieder daraus.

Die Philippinen waren in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre einmal im Fokus des Scheinwerfers, als Corazon Aquino eine Revolution gegen Präsident Marcos anführte. Heute geht es dort friedlich zu, und das Land kommt kaum noch in den Medien vor.

Südafrika war bis zum Ende des Apartheid- Regimes ein ständiger Gegenstand der Berichterstattung; inzwischen findet es allenfalls als das Land Beachtung, das die nächste Fußball- Weltmeisterschaft ausrichten will.

Heute bin ich, wie der Zufall es will, auf zwei solche aus den Schlagzeilen verschwundene Länder aufmerksam geworden: Indonesien und Kambodscha. Und habe Interessantes, Überraschendes über sie erfahren. Gutes über Indonesien, Deprimierendes über Kambodscha.



Indonesien war bei uns zuletzt in den Schlagzeilen, als 2002 drei Bomben auf der Insel Bali explodierten, die zahlreiche Todesopfer forderten, und dann noch einmal anläßlich des Anschlags auf die australische Botschaft in Djakarta 2004.

Wie hat sich die Lage in Indonesien seither entwickelt? Dazu steht heute ein sehr informativer Artikel in der "Washington Post", verfaßt von zwei Kennnern des Landes: James Castle, Gründer einer Beratungsfirma in Djakarta, und Craig Charney, Präsident eines New Yorker Umfrage- Instituts. Gemeinsam haben sie ein Faktenbuch über Indonesien verfaßt: "Indonesia Outlook Survey 2007".

Die Autoren verweisen zunächst auf die schwere Wirtschaftskrise, die vor zehn Jahre alle "Tiger- Staaten" erfaßt hatte und die Indonesien besonders hart traf. In dieser schweren Krise stürzte der Diktator Suharto, und das Land stand vor einem Chaos.

Und heute?
Today, Indonesia is back: a working, if imperfect, democracy and a recovering economic tiger. The emergence of a solid democratic regime has quelled regional separatism and Islamic militancy. Moreover, Indonesians are bullish on foreign investment and U.S. brands, though they are skittish about economic liberalization. A stable, growing Indonesia is again attracting foreign investors, despite their disappointment with the pace of economic and legal reform.

Heute ist Indonesien zurück: Eine funktionierende, wenn auch nicht perfekte Demokratie und ein wirtschaftlicher Tiger auf dem Weg der Erholung. Die Herausbildung einer gefestigten demokratischen Regierungsform hat den Separatismus der Regionen und die islamische Gewalt zurückgedrängt. Darüber hinaus sind die Indonesier gegenüber ausländischen Investitionen und US-Marken sehr positiv eingestellt; allerdings sind sie schwankend, was eine wirtschaftliche Liberalisierung angeht. Ein stabiles Indonesien auf Wachstumskurs zieht wieder ausländische Investoren an, auch wenn sie von der Geschwindigkeit wirtschaftlicher und juristischer Reformen enttäuscht sind.
Ein paar Details aus dem Artikel, dessen Lektüre ich sehr empfehle:
  • Seit dem Sturz von Suharto haben zwei landesweite demokratische Wahlen stattgefunden; jeweils mit einer Wahlbeteiligung um 90 Prozent.

  • Die von den Autoren durchgeführte Umfrage zeigt eine optimistische Grundstimmung der Indonesier. Dem Präsidenten Yudhoyono wird vor allem der erfolgreiche Kampf gegen die Korruption, die Reform des Schulwesens und die Beendigung regionaler Konflikte zugutegehalten.

  • Die Islamisten kommen in Indonesien nicht voran. Die fundamentalistische Islamische Partei stagniert bei 7 Prozent, während die gemäßigte Nahdlatul Ulama von achtzig Prozent der Bevölkerung unterstützt wird. Der Kampf gegen den Terrorismus wird von der Bevölkerung unterstützt. Der von den USA angeführte Kampf gegen den Terrorismus wird von der Bevölkerung Indonesiens im Verhältnis 5 zu 3 unterstützt.

  • Die Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent. Für dieses Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von 6 Prozent erwartet. Die ausländischen Direktinvestitionen lagen 2006 bei 6 Milliarden Dollar; noch unter dem Wert vor der Krise vor zehn Jahren, aber mit steigender Tendenz.


  • Kommentar: Indonesien ist, wie auch Malaysia, ein Beispiel dafür, daß ein islamisches Land keineswegs zur Rückständigkeit verdammt ist. Daß ein islamisches Land nicht nur nicht dazu verurteilt ist, Fundamentalisten in die Hände zu fallen, sondern daß auch ein islamisches Land sich, wie China, Indien, Thailand, wie längst Korea, auf dem Weg zu einer modernen Industrienation machen kann.

    Warum gelingt das nicht den Ländern Arabiens? Dazu möchte ich auf die kleine Serie hinweisen, in der ich mich mit dieser Frage befaßt habe.




    Kambodscha. Auf die Lage dort bin ich heute durch eine Sendung des französischen Nachrichtensenders "France 24" aufmerksam gemacht worden. Es wurde eine kambodschanische Exil- Politikerin interviewt, deren Mann von den Khmer Rouge gefoltert und ermordet worden war.

    Der Anlaß für das Interview war ein Ereignis, das man als hoffnungsvoll, vielleicht aber auch als bizarr betrachten kann: In Kambodscha hat Anfang dieser Woche ein Prozeß gegen die Kommunisten begonnen, die für die Mordtaten der Khmer Rouge verantwortlich gemacht werden. Dazu wurde ein eigener Gerichtshof eingerichtet, in Kooperation zwischen der kambodschanischen Regierung und der UNO.

    Gestern hat einer der Angeklagten, der Gefängnisleiter Kaing Khek Iev, genannt "Duch", seine Anklageschrift erhalten und sich zur Zusammenarbeit mit dem Gericht bereiterklärt. Dazu wurde die Exil- Politikerin befragt.

    Sie hält den Prozeß für eine Farce. Noch immer, sagte sie, sitzen diejenigen, die für den Massenmord verantwortlich waren, in den Machtpositionen. Kein Kambodschaner könne sich frei äußern. Es gebe, sagte sie, formal eine Demokratie, aber die alten Herren seien keineswegs entmachtet.



    Kommentar: Mit das Deprimierendste daran, wie die Scheinwerfer der Medien ausgerichtet werden, ist der Umstand, daß sie sozusagen nur auf Veränderungen reagieren, nicht auf Zustände.

    Als in Kambodscha gekämpft wurde, da wurde täglich aus diesem Land berichtet. Als man erfuhr, welche Schandtaten die Kommunisten begangen hatten, da war das natürlich auch eine berichtenswerte Nachricht. Aber die heutige Lage, die immer offenbar noch bestehende Unterdrückung - das ist keine Nachricht.

    So, wie die Dikatur in Cuba längst keinen "News Value" mehr hat.

    Bis auf weiteres jedenfalls. Wenn, wie angekündigt, Oskar Lafontaine an der Spitze einer Delegation seiner Partei zum Comandante reist und ihm die Hand schüttelt, dann wird auchCuba gewiß wieder einmal in die Schlagzeilen kommen.

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