16. September 2007

Marginalie: "Schlag den Raab!" Der Tom-und-Jerry- Effekt

Gestern bin ich beim Herumzappen in eine Sendung geraten, deren Namen ich schon gelesen, die ich aber noch nie gesehen hatte: "Schlag den Raab!". Ich bin dort hängengeblieben, d.h. sie lief im Hintergrund, während ich am Rechner saß. Und es machte mir Spaß, sie dort laufen zu haben.

Worin bestand dieser Spaß, worauf basierte er?

Die Sendung war in Konzept und Realisierung so öde, wie eine Sendung nur sein kann. Zwei Männer, die mal gegeneinander liefen, mal die Kugel stießen, mal Memory spielten. Der jeweilige Sieger bekam Punkte, und am Ende gab es noch ein Stechen in Gestalt des beliebten Werfens auf Blechdosen, das schon in meiner Kindheit der Knüller auf der Dorfkirmes gewesen ist, weil es auch damals, in der Nachkriegszeit, leere Dosen gab.

Warum also habe ich mir diesen unsäglichen Schund angesehen? Aus einem einzigen Grund: Da spielte ein Underdog gegen einen arroganten Fiesling. Darauf hoffte ich, darauf spekulierte ich: Daß der stille, aber drahtige Martin es dem bräsigen Grinser Stefan Raab zeigen würde.

Was er ja denn auch tat, wenn auch denkbar knapp.



Nur weil es einen Kampf "Underdog gegen Leitwolf" gab, habe ich dieses Gewerfe und Gequatsche nicht abgeschaltet. Ein sehr irrationales, also ein vermutlich sehr normales Verhalten. Wir sind, wenn es Tom gegen Jerry geht, auf der Seite von Jerry, und zwar spontan und emotional.

Ich frage mich, wieviel an politischen Entscheidungen, an emotionaler Parteinahme diesem Tom- und- Jerry- Effekt zu verdanken ist.

Die Kurden - ein "kleines, unterdrücktes" Volk. Also sind viele auf ihrer Seite. Die Hartz-4-Empfänger. Die "Kinderarmut" (womit nicht gemeint ist, daß Familien wenige Kinder, sondern daß Kinder wenig Geld haben). Selbst die Sorge um die "geschundene Natur" hat Momente einer solchen Parteinahme für den Schwächeren.

Wieviele, die im Nahost- Konflikt auf der Seite Israels stehen, tun dies wohl, weil sie in Israel ein kleines Land sehen, das sich verzweifelt einer arabischen Übermacht erwehrt? Wieviele, deren Sympathien auf der arabischen Seite sind, sehen wohl spiegelbildlich die Palästinenser als die Underdogs, von den reichen und überlegenen Israelis kujoniert?

Wir sind auf der Seite von Jerry, wen immer wir als den jeweiligen Jerry sehen. Und wir sind gegen Tom. Also sind viele gegen den Tom aller Toms, die USA. Mit dem Super-Tom Bush an der Spitze.

Sie können tun, was sie wollen, die USA, Präsident Bush - sie lösen offenbar bei vielen Menschen ungefähr dieselben Empfindungen aus wie bei mir der grinsende, breitbeinige Stefan Raab. Weil sie die Stärkeren sind.

Für Kommentare und Diskussionen zu diesem Beitrag ist in "Zettels kleinem Zimmer" ein Thread eingerichtet. Wie man sich dort registriert, ist hier zu lesen. Registrierte Teilnehmer können Beiträge schreiben, die sofort automatisch freigeschaltet werden.