4. September 2007

Randbemerkung: Über die Konferenz von Helsinki. Nebst einer freundlichen Bemerkung über "Spiegel-Online"

Freundliches über "Spiegel-Online" hier in diesem Blog? Ja. Allerdings anders, als Sie denken.

Es gibt nämlich neben dem "Spiegel-Online", das wir alle kennen und das weitgehend von Agitations- Journalismus beherrscht wird, ein zweites. Eines, das erstaunlich aktuell und objektiv berichtet: Das englischsprachige "Spiegel Online International".

Es ist alles andere als eine Übersetzung des deutschen "Spiegel-Online". Die flapsig- irreführenden Überschriften, der Antiamerikanismus, die Vermischung von Nachricht und Kommentar - kurz, dieser ganze miese TAZ- Journalismus, der das deutsche "Spiegel-Online" immer noch stark prägt, fehlt in der internationalen Ausgabe.



Aktuell ist dort im Augenblick, als zweiter Aufmacher, ein ausführlicher Bericht über die Konferenz von Helsinki zu lesen.

Konferenz von Helsinki? Aktuell? Ja.

Mir war diese wichtige, allerdings geheim tagende Konferenz entgangen, wie vermutlich vielen in Deutschland:

Am vergangenen Wochenende haben sich in Helsinki führende Vertreter der irakischen Schiiten, Sunniten und Kurden getroffen, um über eine Ende der Gewalt in ihrem Land zu beraten.


Angereist waren hochrangige Vertreter der einander bekämpfenden Gruppen: Für den "Irakischen Islamischen Rat", die größte Regierungspartei, unter anderem deren Minister Akram al-Hakim, für die Sunniten zum Beispiel Saleh al-Mutlaq und Adnan al-Dulaimi, Führer der größten sunnitschen Partei. Selbst Vertreter des militanten Muqtada al-Sadr nahmen, wie es hieß, teil.

Das Besondere an dieser Konferenz war, daß auch Politiker aus Nordirland und aus Südafrika beteiligt waren. Als Berater natürlich zu der Frage, wie verfeindete, einander gewaltsam bekriegende Fraktionen in einem Land zu einer friedlichen Verständigung kommen können.

Nicht irgendwelche akademischen Friedensforscher traten da auf, sondern aus Nordirland der Erste Stellvertretende Ministerpräsident Martin McGuinness, führendes Mitglied von Sinn Fein, und Leo Green, der als IRA-Kämpfer im Gefängnis gesessen hatte. Und von der protestantischen Seite Jeffrey Donaldson and Billy Hutchinson von der Progressive Unionist Party, mit Verbindungen zu paramilitärischen protestantischen Milizen.

Aus Südafrika kamen Mac Maharaj vom schwarzen African National Congress und Roelf Meyer, zur Zeit des Apartheid- Regimes Minister der weißen Regierung.



Kommentar: Ist erst einmal eine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt, dann ist es naturgemäß sehr schwer, sie zu stoppen. Auf beiden Seiten gibt es soviel an Verwundungen, an Rachegedanken, an ideologischer Verbissenheit, daß diese irrationalen Momente oft die eigentlichen, ursprünglichen politischen Ziele überwuchern.

Der Kampf verselbständigt sich, er speist sich sozusagen aus sich selbst. Man tötet und foltert allein deshalb, weil auch die Gegenseite tötet und foltert.

Wie man da herauskommt, das haben die zähen, die langwierigen, aber die schließlich doch einigermaßen erfolgreichen Friedensprozesse in Südafrika und in Nordirland demonstriert. Der Versuch, dies für den Irak fruchtbar zu machen, erscheint mir sehr sinnvoll.

Nicht natürlich, was die El Kaida angeht. Diese Terroristen zu Frieden und Demokratie zu bekehren wäre ungefähr so sinnvoll wie der Versuch, einem Kraken die lateinische Grammatik beizubringen.

Aber ein großer Teil dessen, was heute sectarian violence genannt wird, also konfessionelle Gewalt, ist ja von ganz anderer Art. Die Milizen auf beiden Seiten entstanden in der jetzigen Form erst in den letzten Jahren, als die El Kaida mit ihrer Taktik Erfolg gehabt hatte, Schiiten und Sunniten aufeinander zu hetzen, indem sie selbst Anschläge auf Heiligtümer (z.B. auf den Schrein von Samarra) verübte und diese jeweils der anderen konfessionellen Seite in die Schuhe schob.

Anders als die El Kaida sind die Angehörigen dieser Milizen überwiegend keine Berufskiller. Ihre Militanz ist durchaus derjenigen der Bürgerkriegs- Parteien in Südafrika und in Nordirland vergleichbar; sie könnten von den dortigen Erfahrungen profitieren.



Die Konferenz hat gestern um 16.30 Uhr eine Vereinbarung verabschiedet, das Helsinki Agreement. Es kann als (nur 13 KB umfassende) PDF-Datei heruntergeladen werden.

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