7. April 2008

Über die Vernunft der hessischen Wähler. Nebst einem Vorschlag für das Amt des hessischen Ministerpräsidenten

Sortieren wir einmal die Parteien im Hessischen Landtag anders als nach dem Links- Rechts- Schema. Ordnen wir sie danach, ob sie sich nach den Wahlen so verhalten haben, wie sie es vor den Wahlen versprochen hatten. Und benutzen wir für diese Beurteilung nach Vertrauenswürdigkeit Schulnoten von eins bis sechs:
  • Die SPD hat ihr Wahlversprechen schlichtweg gebrochen, nicht mit "Die Linke" zu kooperieren. Fast genau so schlimm ist die Rabulistik, mit der dann auch noch versucht wurde, den Wortbruch zur Einhaltung von Wahlversprechen umzufälschen. Note sechs in Vertrauenswürdigkeit.

  • Mit großem Abstand folgt die CDU, die zwar nicht förmlich versprochen hatte, nicht mit den Grünen zu koalieren, die aber einen heftigen Wahlkampf gegen sie geführt hatte. Jetzt hofiert Roland Koch die Grünen wie weiland der Don Quijote seine Dulcinea. Der vormalig so tiefe Graben zwischen den beiden Parteien schrumpft in Kochs aktueller Darstellung zum Freiburger Bächle. Note drei.

  • Es folgen die Grünen, die ebenso massiv gegen die CDU in Stellung gegangen waren, wie diese umgekehrt gegen sie. Die Grünen werben zwar jetzt nicht um die CDU, schließen aber einen Bund mit ihr auch nicht schlankweg aus. Deshalb keine eins, sondern nur Note zwei plus.

  • Und schließlich die FDP. Sie hat angekündigt, sie werde nicht mit Ypsilanti koalieren, und sie hat keinen Augenblick auch nur leise gewackelt. Note eins. Vertrauenswürdigkeit musterhaft.



  • Am Wochenende wurde eine Umfrage aus Hessen veröffentlicht, in der sowohl die Sonntagsfrage gestellt als auch danach gefragt wurde, wen man als Ministerpräsidenten wollte.

    Und siehe da - die Noten, die die Befragten vergeben haben, entsprechen fast exakt den obigen Noten für Vertrauenswürdigkeit:
  • Die SPD (Note sechs) verliert jeden fünften Wähler - sie rutscht von 36,7 auf 30 Prozent.

  • Die CDU (Note drei) hält ihr Ergebnis (Wahlen 36,8 Prozent; Umfrage 37 Prozent).

  • Die Grünen (Note zwei plus) gewinnen deutlich; von 7,5 Prozent auf 10 Prozent.

  • Die FDP schließlich (Note eins) wächst von 9,4 auf nicht weniger als 12 Prozent, einen Traumwert für diese Partei in Hessen.
  • Und wer soll an der Spitze stehen? Koch wollen 41 Prozent, Ypsilanti noch ganze 31 Prozent.

    Nicht berauschend für beide. Aber für Ypsilanti, die ja vor den Wahlen in der Beliebtheit geführt hatte, ein Desaster.

    Wie sich die übrigen 28 Prozent geäußert haben, geht aus der Meldung nicht hervor. Vielleicht war "keiner von beiden" oder "weiß nicht" vorgegeben.

    Eigentlich hätte man aber eine weitere Alternative zur Auswahl stellen müssen: Den hessischen FDP-Vorsitzenden Jörg- Uwe Hahn. Er hat sich so verhalten, wie ich es am Dienstag nach der Wahl von ihm erwartet habe: Überzeugend.

    Und warum soll eigentlich nicht einmal der kleinere Koalitionspartner den Ministerpräsidenten stellen? Unüblich in Deutschland, aber gegeben hat es auch das schon: Reinhold Maier (ebenfalls FDP) war Anfang der fünfziger Jahre Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

    Freilich braucht es erst einmal Neuwahlen, bevor Jörg-Uwe Hahn Ministerpräsident werden kann. Aber an diesen führt meines Erachtens mittelfristig ohnehin kein Weg vorbei.



    Selten hat mich ein politischer Text so empört wie das "Lob der Lüge" des Göttinger Politologen Franz Walter, mit dem dieser den Wortbruch von Ypsilanti offensichtlich mit einem wissenschaftlichen Mäntelchen zu umhängen trachtete.

    Nicht nur, weil sein Bild davon, wie es in der Politik zugeht, auf Stammtischniveau ist, sondern vor allem, weil der Text von einem Zynismus durchzogen ist, der Stammtisch- Brüdern gerade fremd ist.

    Ich habe mir damals vorgenommen, bei passender Gelegenheit immer einmal wieder darauf hinzuweisen, wie falsch diese bauernschlaue Vorstellung ist, in der Politik werde ständig gelogen, und das sei für den politischen Erfolg auch unabdingbar.

    Nein, es ist nicht unabdingbar. Der Lügner kriegt aus der Sicht der Wähler ganz schnell eine sehr lange Nase. Und dann einen auf dieselbe; wie jetzt bei Frau Ypsilanti zu besichtigen.

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