23. Mai 2008

Marginalie: "Wer, wenn nicht sie?"

Die Medienkampagne für die Wahl Gesine Schwans nimmt Fahrt auf.

Daß in der TAZ Christian Semler, Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender der KPD/AO, sich für Schwan ausspricht, ist keine Überraschung:
Gesine Schwan ist eine brillante Intellektuelle, in der französischen wie der polnischen Kultur zu Hause, offen, verständigungsbemüht, dem breiten Publikum zugewandt. Es bedurfte schon des selbstzerstörerischen Furors in der SPD, um sogar den unverdienten Glücksfall einer solchen möglichen Kandidatur ins Zwielicht zu rücken. (...)
Gewundert habe ich mich aber doch über das, was heute in der FAZ zu lesen ist. Dort schreibt unter der Überschrift: "Wer, wenn nicht sie?" Christian Geyer:
Eine politisch denkende Philosophin, die sie im Herzen ist und immer war; eine geschmeidige Nonkonformistin, die (da hatte Gerhard Schröder ganz recht, als er sie empfahl) die Herzen im Sturm erobert; eine Unerschrockene, die es mit leichter Hand versteht, die politischen Kategorien auf ihre humane Substanz hin zu öffnen, statt sie im kleingeistigen Taktieren vor die Hunde gehen zu lassen - eine solche Person im höchsten Staatsamt wäre ein Segen fürs Land.
In diesem Stil einer Eloge ist der ganze Artikel abgefaßt; und wie es sich in einem beginnenden Wahlkampf gehört, bekommt der Gegenkandidat sein Fett weg:
Der Bürger hat zur Kenntnis genommen, dass es Köhler darum geht, "notfalls unbequem" zu sein. Warum bloß hat diese seine Lieblingswendung in ihrem ausgreifenden Widerstandspathos so etwas eigentümlich Ungelenkes? Vielleicht deshalb, weil die Welt, die Köhler zu reformieren aufruft - mal mit Ruck, mal ohne - dann doch immer die Wirtschaftswelt bleibt.
Da ist es doch ganz anders, wenn - das schreibt Geyer tatsächlich - "sie zu uns spricht", die Gesine Schwan.

Sie finden, das klingt ein wenig nach "Wort zum Sonntag"? Vielleicht ist das kein Zufall, denn der Feuilletonredakteur Geyer hat sich bisher überwiegend mit kirchlichen Themen befaßt.

Und dabei vielleicht auch nicht mitbekommen, daß die Sache mit dem Ruck von Roman Herzog ist, und nicht von Horst Köhler.



Gut, das steht heute im Feuilleton der FAZ und nicht im politischen Teil. Dort wird man hoffentlich auch noch Anderes über die beiden Kandidaten lesen können.

Aber daß selbst in der liberalkonservativen FAZ nicht der liberalkonservative Präsident Köhler, sondern die voraussichtliche Kandidatin der vereinigten Linken Schwan unterstützt wird, zeigt doch, wie dominant heutzutage in den deutschen Medien diejenigen sind, die nicht nur - was ihnen ja gegönnt sein möge - einen Narren an der charmanten Gesine Schwan gefressen haben, sondern die auch gezielt darauf hinarbeiten, mit ihrer Kandidatur die Weichen für eine Volksfront - Regierung nach den Wahlen 2009 zu stellen.



Für Kommentare zu diesem Artikel gibt es einen Thread in "Zettels kleinem Zimmer". Dort findet man auch eventuelle Aktualisierungen und Ergänzungen.