10. August 2008

Zettels Meckerecke: Ein Fall Rushdie, der nicht stattfand. Wie Islamisten die Publikation eines Buchs verhinderten

Die Sache passierte schon im Mai dieses Jahres, aber erst jetzt sind die Einzelheiten bekannt geworden. Ich habe gestern darüber in einem Artikel von David Paulin im American Thinker gelesen, der sich seinerseits auf eine Kolumne im Wall Street Journal vom vergangenen Mittwoch bezieht.

Die Autorin ist Asra Q Nomani, eine amerikanische Autorin indischer Herkunft und islamischen Glaubens, die früher als Reporterin für das Wall Street Journal arbeitete und die jetzt freie Publizistin ist. Was sie berichtet, ist - wenn es so stimmt - ein Skandal ersten Ranges.

Es geht um ein Buchmanuskript, das der amerikanische Verlag Random House zur Publikation angenommen hatte. Random House ist nicht irgendwer, sondern der weltgrößte englischsprachige Verlag; der Besitzer ist Bertelsmann.

Das Manuskript, für das Random House zusammen mit einem zweiten Manuskript 100.000 Dollar gezahlt hatte und dessen Publikationstermin bereits feststand (der 12. August), stammt von der Autorin Sherry Jones und trägt den Titel "The Juwel of Medina", das Kleinod von Medina. Es handelt von Aischa, der Frau des Propheten Mohammed.

Wie Frau Nomani schreibt, bewundert die Autorin ihre Heldin als eine Frau von Mut und erzählt "a tale of lust, love and intrigue in the prophet's harem", eine Geschichte von Lust, Liebe und Intrige im Harem des Propheten.

Eine Geschichte, die man nun nicht lesen wird. Jedenfalls nicht als Publikation von Random House. Der Vertrag ist inzwischen nämlich gelöst. Die Autorin kann jetzt versuchen, ihr Manuskript bei einem anderen Verlag loszuwerden. Was nicht leicht werden könnte.



Das Manuskript war bereits in Satz gegangen und der Verlag schickte, wie es üblich ist, Druckfahnen an ausgewählte Empfänger, von denen man sich erhoffte, daß man vielleicht freundliche Äußerungen für den Waschzettel bekommen würde; oder später eine Rezension.

Zu den Empfängern gehörte auch Denise Spellberg, Professorin für Geschichte des Islam an der University of Texas in Austin.

Ihr sagte das Manuskript nun freilich gar nicht zu. Nachdem sie es gelesen hatte, rief sie Shahed Amanullah an, einen Mitarbeiter bei ihren Lehrveranstaltungen, und forderte ihn auf, Moslems in Bezug auf das Manuskript zu alarmieren. Ihr Urteil: "You can't play with a sacred history and turn it into soft core pornography", man könne nicht mit geheiligter Geschichte herumspielen und aus ihr Softcore- Pornografie machen.

So ähnlich hatten auch die Verdikte gegen Rushdies "Satanische Verse" geklungen; und wie offenbar geplant, zog der Stein, den die Professorin Spellberg ins Wasser geworfen hatte, schnell Kreise.

Amanullah alarmierte, wie gewünscht, über eine Mailingliste andere Moslems. Daraufhin stellte ein gewisser Shahid Pradhan die Mail von Amanullah auf seine WebSite "Hussaini Youth" und warnte vor einem "Versuch der Verunglimpfung des Propheten Mohammed".

Zweieinhalb Stunden später schlug ein gewisser Ali Hemani eine Strategie von sieben Schritten vor mit dem Ziel, daß "the writer withdraws this book from the stores and apologise all the muslims across the world" - daß die Autorin dieses Buch aus den Läden zurückzieht und sich bei allen Moslems rund um die Welt entschuldigt.

In den Läden war es nun noch gar nicht, dieses Buch über das Kleinod von Medina. Und es kam auch nicht dorthin.

Denn nun rief wiederum die empörte Professorin Spellberg die zuständige Redakteurin bei Random House, Jane Garrett, an und sagte ihr, sie befürchte eine reale Gefahr für das Gebäude von Random House und die Mitarbeiter und "verbreitete Gewalt". Sie sprach von einer "Kriegserklärung" von einem "Fall nationaler Sicherheit", von einer weit größeren Kontroverse als bei den "Satanischen Versen".

Und forderte die Zurücknahme des Buchprojekts, die Frau Professorin.

Das wirkte. Es gab viel Aufregung bei Random House, und am 2. Mai teilte der Verlag der Autorin mit, daß die Publikation des Buchs auf unbestimmte Zeit verschoben sei. Wegen "fear of a possible terrorist threat from extremist Muslims" und Sorgen um "the safety and security of the Random House building and employees." Wegen der Angst also vor einer möglichen terroristischen Bedrohung durch extremistische Moslems und aufgrund von Sorgen um die Sicherheit und den Schutz des Gebäudes von Random House und seiner Mitarbeiter.



Zur Zeit der Affäre Rusdhie mußten die Extremisten noch auf die Straße gehen, um Angst zu verbreiten. Heute erledigt man das per Email und Telefonanruf.

Damals erreichten sie nicht nur ihr Ziel nicht, sondern es gab sogar eine breite Solidarisierung mit dem Autor. Heute ist davon nichts mehr zu bemerken.



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