1. Februar 2009

Zitat des Tages: Präsident Obama gratuliert dem Irak zu den Wahlen. Grund, an den Gesetzentwurf des Senators Obama vom 30. Januar 2007 zu erinnern

I congratulate the people of Iraq on holding significant provincial elections today. Millions of Iraqi citizens from every ethnic and religious group went peacefully to the polls across the country to choose new provincial councils. It is important that the councils get seated, select new governors, and begin work on behalf of the Iraqi people who elected them..

(Ich gratuliere dem Volk des Irak zur heutigen Abhaltung bedeutsamer Provinzwahlen. Millionen irakischer Bürger aus jeder ethnischen und religiösen Gruppe gingen quer über das ganze Land friedlich zu den Wahllokalen, um neue Provinzräte zu wählen. Es ist wichtig, daß die Räte sich konstituieren, neue Gouverneure bestimmen und ihre Arbeit im Dienst des irakischen Volks beginnen, das sie gewählt hat.)

Präsident Obama in einer Erklärung zu den Provinzwahlen im Irak. Über die Bedeutung und den Ablauf dieser Wahlen habe ich kürzlich hier berichtet.

Kommentar: Vor fast genau zwei Jahren, am 30. Januar 2007, brachte der Senator Obama einen Gesetzesentwurf ein, den Iraq War De- Escalation Act of 2007 (Gesetz von 2007 zur De- Eskalation des Irak- Kriegs).

In Irak war damals ein Höhepunkt der Gewalt erreicht. Die Zahl der Angriffe war innerhalb des vorausgehenden Jahres, seit Januar 2006, steil angestiegen, wie man in dieser Grafik sehen kann (für die volle Größe bitte anklicken):


Die militärische Situation hatte sich im Lauf des Jahres 2006 so verschlechtert, daß trotz der Anwesenheit der Koalitionstruppen der Ausbruch eines Bürgerkriegs, der Zerfall des Landes und ein Scheitern der irakischen Demokratie zu befürchten waren.

In dieser Situation entschloß sich Präsident Bush - unter anderem auf Anraten des Senators McCain und von General Petraeus, der damals die US-Truppen im Irak befehligte - zum Surge. Durch eine Aufstockung der Truppen um rund 20.000 Mann sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die Aufständischen in einer groß angelegten Offensive (Surge heißt wörtlich Anstieg, Schub, Stoß, Welle) niederzuzwingen.

Bereits im Februar 2007 gab es eine erste große Offensive unter dem Namen Imposing Law. Im Juni waren die zusätzlichen Truppen eingetroffen, und es begann der eigentliche Surge.

Der Erfolg stellte sich bald ein. Bereits ab Juli ging - siehe die obige Grafik - die Zahl der Angriffe drastisch zurück.

Sowohl die Kaida als auch die Ba'ath- Aufständischen sind inzwischen weitgehend besiegt; die Gefahr eines Bürgerkriegs zwischen sunnitischen und schiitischen Milizen besteht im Augenblick nicht mehr.

Zugleich gingen, trotz der Offensive der US-Truppen zusammen mit den irakischen Streitkräften, die Verluste vom Beginn des Surge an stetig zurück:




Hätte sich damals freilich der Senator Obama mit seinem Gesetzentwurf durchgesetzt, dann sähe es im Irak heute anders aus.

Die Kernsätze des Gesetzentwurfs von Barack Obama lauteten:
Except as otherwise provided in this section, the phased redeployment of the Armed Forces of the United States from Iraq shall commence not later than May 1, 2007.

The redeployment of the Armed Forces under this section shall be substantial, shall occur in a gradual manner, and shall be executed at a pace to achieve the goal of the complete redeployment of all United States combat brigades from Iraq by March 31, 2008.

Sofern in diesem Abschnitt nicht anders bestimmt, wird der phasenweise Abzug der Streitkräfte der Vereinigten Staaten aus dem Irak spätestens am 1. Mai 2007 beginnen.

Der Abzug der Streitkräfte unter den Bestimmungen dieses Abschnitts wird umfangreich sein, wird schrittweise erfolgen und wird in einem solchen Tempo durchgeführt werden, daß das Ziel eines vollständigen Abzugs aller Kampfbrigaden der Vereinigten Staaten aus dem Irak bis zum 31. März 2008 erreicht wird.

Wo der Irak heute wäre, hätte dieser Entwurf Gesetzeskraft erlangt, kann man sich ausmalen: Im günstigeren Fall noch im Bürgerkrieg; im ungünstigsten Fall bereits zerfallen, teils von schiitischen und teils von sunnitischen Extremisten beherrscht.

Die Provinz Anbar war am Beginn des Surge bereits nahezu von der Kaida übernommen worden. Hätten die US-Truppen damals, statt die Offensive zu ergreifen, den Rückzug angetreten, dann hätte die Kaida dort heute ihr zweites Afghanistan, komplett mit Ausbildungslagern, in denen Terroristen auf weltweite Operationen vorbereitet werden würden.

Eine solche Entwicklung hätte nicht nur den amerikanischen Einfluß im Nahen Osten drastisch reduziert, sondern auch den Iran zu dessen Vormacht gemacht und Israel in eine bedrohliche Lage gebracht.



Was wurde eigentlich aus dem Gesetzentwurf des Junior- Senators von Illinois?

Nichts wurde daraus. Ich habe ein wenig recherchieren müssen, um das herauszufinden, denn auch die Wikipedia schweigt dazu. Bei GovTrack.US bin ich aber fündig geworden:

Der Gesetzentwurf wurde, nachdem Obama ihn zusammen mit drei Co-Sponsoren eingebracht hatte, am 30. Januar zweimal gelesen und an den Auswärtigen Ausschuß überwiesen. Dort blieb er hängen. Er wurde nie zur Abstimmung an das Plenum zurückgeleitet. Mit dem Ende der damaligen Sitzungsperiode des Kongresses schied er automatisch aus der Gesetzgebung aus.

Obama hatte versucht, sich mit diesem Entwurf an die Spitze einer Bewegung innerhalb der Demokratischen Partei zu setzen, die mit aller Macht versuchte, den Surge zu verhindern. Er kam nicht zum Zuge, aber die Bewegung führte zu einem Ergebnis im Senat.

Es bestand in der Resolution vom 16. Februar 2007, über die ich damals berichtet habe. Diese forderte, anders als das von Obama eingebrachte Gesetz, nicht den sofortigen Beginn des Abzugs aus dem Irak, verurteilte aber den Surge.

Auch wenn diese Resolution umgesetzt worden wäre (die aber für Präsident Bush nicht bindend war), sähe es heute im Irak weit schlechter aus. Hätte Obama sich durchgesetzt, sähe es katastrophal aus.



Vielleicht sollte Obama weniger den Irakern gratulieren als sich selbst. Dafür, daß er damals mit seinem Gesetz gescheitert ist.



Abbildung 1: U.S. Military or Department of Defense. Abbildung 2: Mgerb. Beide in der Public Domain. Für Kommentare bitte hier klicken.