20. September 2009

Wahlen '09 (19): Ich rate, EfDePe zu wählen

Der Titel dieses Artikels ist ein Plagiat. "Ich rate, EsPeDe zu wählen" dichtete Günter Grass einst als Wahlkämpfer für Willy Brandt.

Wahlkampf habe ich in diesem Blog nicht gemacht, auch nicht für die FDP. Ich habe deren Wahlkampf allerdings mit kritischer Solidarität begleitet; vor allem, was die Möglichkeit - aus meiner Sicht: die Gefahr - einer Ampel- Koalition angeht. Am 18. Februar habe ich hier geschrieben:
Viel wird davon abhängen, ob die FDP sich entschließen kann, eine eindeutige Wahlaussage zu machen: Daß sie nur unter Führung der CDU in eine Regierung eintreten wird. Bevorzugt natürlich als deren einziger Partner. Falls das Ergebnis das nicht erlauben sollte, dann unter Einbeziehung der Grünen. Wenn die FDP sich so festlegt, dann hat sie am 27. September meine Stimme. Wenn sie in diesem Punkt wackelt, dann werde ich sie nicht wählen.
Die FDP hat für mein Verständnis viel zu lange mit ihrer Festlegung gewartet, nicht in ein Kabinett Steinmeier einzutreten. Heute endlich hat sie diese Entscheidung getroffen. Eindeutig.

Gewiß spielten bei der monatelangen Zögerlichkeit taktische Überlegungen eine ausschlaggebende Rolle: Man wollte es unter allen Umständen vermeiden, als "Anhängsel" der Union zu erscheinen.

Die FDP hat dafür auf einen entscheidenden Vorteil im Wahlkampf verzichtet; nämlich denjenigen, die SPD immer wieder zu fragen, mit wem ein Kanzler Steinmeier denn eigentlich regieren will, wenn nicht in einer Koalition mit den Grünen und den Kommunisten.

Eine auf Schwarzgelb festgelegte FDP hätte diesen Punkt glaubwürdig vertreten können; eine wackelnde konnte es nicht. Daß die SPD und die Grünen jetzt mit einem Anschein von Recht argumentieren können, eine so späte Festlegung sei nicht glaubhaft, ist die logische Folge der FDP- Taktik.



Die Wahrheit aber ist: Seit heute kann jeder, der die FDP wählt, sicher sein, damit seine Stimme nicht für einen Kanzler Steinmeier und für die Minister Trittin und Künast abzugeben. Einen Bruch des heutigen Versprechens kann sich die FDP nicht leisten.

Also wählen Sie, lieber Leser, am Sonntag mit Ihrer Zweitstimme die FDP?

Vielleicht sind Sie ja noch unentschlossen. Dann möchte ich, geradeheraus gesagt, mit diesem Artikel Ihre Überlegungen zugunsten der FDP zu beeinflussen versuchen.

Dazu stelle ich mir vor, welche Erwägungen Sie veranlassen könnten, sich gegen eine Stimmabgabe für die FDP zu entscheiden.

Daß jemand zwischen der FDP und einer extremistische Partei schwankt, halte ich für abwegig; jedenfalls für zu vernachlässigen. Von der NPD, der Partei "Die Linke", der DVU usw. wird also im Folgenden nicht die Rede sein.

Vorstellen kann ich mir aber, daß jemand zwischen der FDP und der SPD oder den Grünen schwankt; sehr gut vorstellen kann ich mir, daß er unschlüssig ist, ob er die FDP oder nicht lieber die Piraten oder die Union wählen soll. Und ebenfalls vorstellen kann ich mir die Erwägung, statt einer Stimmabgabe für die FDP lieber zu Hause zu bleiben oder ungültig zu wählen.



Sie erwägen das Nichtwählen oder eine ungültige Stimmabgabe? Es gibt nicht wenige politisch Interessierte, die sich für eine dieser beiden Optionen entscheiden, weil sie mit keiner der zur Wahl stehenden Parteien einverstanden sind; weil sie vielleicht überhaupt Zweifel an der Gedeihlichkeit des Zustands unserer Demokratie haben.

Ihnen möchte ich zu bedenken geben, daß ein solcher demonstrativer Akt schlicht nicht funktioniert.

Ungültige Stimmen werden als solche gezählt und dann kaum noch erwähnt. Niemand weiß ja, warum eine Stimme ungültig ist. Vielleicht hat ein Wähler aus Unwissenheit sein Kreuz bei zwei Parteien gemacht; vielleicht hat er "Heil Hitler" auf den Wahlzettel geschrieben.

Ungültigen Stimmen sieht man es nicht an, ob sie möglicherweise ernsthaften und respektablen Überlegungen entstammen. Sie fallen einfach unter den Tisch; oder vielmehr: Sie landen beim Zählen alle auf demselben Häufchen. Niemand interessiert sich für das, was auf ihnen steht.

Ebenso wirkungslos ist das demonstrative Nichtwählen. Denn auch da weiß man ja nicht, ob jemand wegen des schönen oder schlechten Wetters nicht zur Wahl ging; ob ihm die Politik schnuppe ist oder ob er mit der Wahlenthaltung irgend etwas ausdrücken wollte.

Immerhin erspart sich der Nichtwähler den nutzlosen Gang zur Wahlurne, den der demonstrativ ungültig Wählende auf sich nimmt; für nichts und wieder nichts.

Mein Rat ist also: Wenn Sie sich schon nicht zur Stimmabgabe für die FDP durchringen können, dann bleiben Sie zu Hause, statt sich der sinnlosen Mühe des Ungültig- Wählens zu unterziehen.

Sie sollten sich aber durchringen; denn die Taube in der Hand ist immer noch besser als der Fasan auf dem Dach.


Sie erwägen, die SPD oder die Grünen zu wählen? Sie wählen damit nicht die Ampel, sondern Sie wählen die Volksfront.

Die FDP hat heute eindeutig und per bindendem Parteitagsbeschluß die Ampel ausgeschlossen. Sprecher der Grünen und der SPD bezweifeln, daß das wirklich gilt. Besser können SPD und Grüne nicht dokumentieren, was von ihren eigenen Aussagen zu halten ist, sie würden nicht mit der Partei "Die Linke" zusammenarbeiten.

Sie trauen der FDP das zu, was zu tun sie selbst in ihrer großen Mehrheit längst bereit sind. Wenn Schwarzgelb scheitert, dann wird es die Volksfront geben. Vielleicht nicht sofort; aber es wird sie geben. Es wird sie geben, weil sie in einer zwingenden politischen Logik liegt, die der kluge Linke Erhard Eppler bereits vor zweieinhalb Jahren formuliert hat; siehe Marginalie: Erhard Eppler und die Volksfront; ZR vom 19. Januar 2007.


Sie erwägen, die Union zu wählen? Wenn Sie zwischen der FDP und der Union schwanken, dann stehen Sie vermutlich nicht den Linken und den Ökologen in dieser Partei nahe, sondern den Liberalkonservativen. Diese können Sie aber nicht besser stärken, als durch eine Stimmabgabe für die FDP.

In der Großen Koalition ist die Union nach links gerückt, so wie in der seinerzeitigen sozialliberalen Koalition die FDP nach links gerückt war. Koalitionen stärken in der Regel denjenigen Flügel einer Partei, der dem Koalitionspartner nahesteht. Wenn Ihre Partei die Union von Ludwig Erhard ist und nicht diejenige des Ministerpräsidenten Rüttgers, dann sollten Sie diesmal die FDP wählen.


Sie erwägen, die Piraten zu wählen? Tun Sie's nicht! Tun Sie's bittebitte nicht! Bei dieser Wahl steht zu viel auf dem Spiel, als daß ein rationaler, liberaler Wähler es sich leisten könnte, seine Stimme zu verschenken. Tun Sie's, wenn es denn sein muß, bei der nächsten Wahl, bei der wenig auf dem Spiel steht. Tun Sie's als Brandenburger von mir aus bei der Landtagswahl; Platzeck wird eh weiterregieren.

Aber jetzt wo die Entscheidung zwischen einer liberalkonservativen Regierung und der Volksfront fallen wird, muß ein Liberaler schon mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn er der FDP seine Stimme verweigert.



Jeder Liberale sollte sich allerdings sehr genau überlegen, was er mit seiner Erststimme macht.

Hier kann die Entscheidung logischerweise nur unter Berücksichtigung der Verhältnisse in den einzelnen Wahlkreisen getroffen werden. Überall dort, wo ein Direktmandat für den Kandidaten der Union möglich, aber nicht sicher ist, sollten rational handelnde Liberale ihm ihre Erststimme geben.

Denn Überhangmandate der Union könnten am Ende darüber entscheiden, ob Guido Westerwelle Außenminister wird oder Jürgen Trittin. Und - wer weiß - Gregor Gysi Justizminister.

© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Der Reichstag. Vom Autor Norbert Aepli unter Creative Commons Attribution 2.5 - Lizenz freigegeben. Ausschnitt.