2. November 2009

Marginalie: Platzeck kommentiert zur Versöhnung. "Zeit"-Leser kommentieren zu Platzeck. Das möchte ich kommentieren

Eigentlich wollte ich zu diesem Thema, das seit Samstag Gegenstand einer Vorabmeldung in "Spiegel-Online" war, nichts schreiben: Matthias Platzeck hat, nachdem er die Kommunisten in sein Kabinett geholt hat, im gedruckten "Spiegel" ein Plädoyer für die Versöhnung geschrieben; für die Versöhnung mit "den Erben der SED", so heißt es in der Meldung, allerdings nicht als wörtliches Zitat.

Ich hatte darüber deshalb nichts schreiben wollen, weil ich es als peinlich empfinde, wie der von mir einst geschätzte Matthias Platzeck jetzt seine machtpolitische Entscheidung, mit der Partei "Die Linke" zu koalieren, offenbar mit einer zeitgeschichtlichen Überhöhung ausstatten möchte. Hätte er sein Plädoyer vorgetragen, als er noch mit der CDU koalierte, dann hätte ich das überzeugender gefunden.

Nun gibt es aber doch einen Anlaß zum Kommentar. Ich kommentiere nicht den Artikel Platzecks, den ich noch gar nicht kenne - der neue "Spiegel" steckt, während ich das schreibe, noch im Briefkasten -, sondern Kommentare dazu.

In "Zeit-Online" nämlich ist die Meldung über die Vorabmeldung des "Spiegel" - knapp wie diese selbst - im Augenblick der meistkommentierte Artikel. Das finde ich bemerkenswert. Und diese Kommentare geben zu kommentieren. Manche davon jedenfalls. Und vor allem die Kommentierung eines dieser Kommentare durch den "Zeit- Online"- Redakteur ew.



Erstens fällt auf - das freilich ist nicht spezifisch für die Kommentare zu diesem Artikel -, wie außerordentlich bescheiden das Niveau teilweise ist. Die gedruckte "Zeit" mag ja immer noch ein Blatt für Intellektuelle sein; die Leser von "Zeit- Online" hingegen sind, sofern man das an diesen Kommentaren ablesen kann, offenbar ein intellektueller Querschnitt durch die Bevölkerung, eingeschlossen ihre bildungsfernen Schichten.

Und nun kommt das Überraschende und das erste, was mich zu diesem Meta- Kommentar veranlaßt: Die durchdachten, intellektuell anspruchsvolleren Kommentare wenden sich fast durchweg gegen Platzecks "Versöhnungs"- Plädoyer. Platzecks und der Kommunisten Partei ergreifen vor allem diejenigen Kommentatoren, die gedanklich und von der Diktion her eher auf dem Niveau von Lesern der "Bild"- Zeitung zu verorten sind.

Repräsentativ für diese zweite Gruppe ist der Kommentar 24 von "Deftone":
Also si elügen ja wie Gedruckt! Die Linke besteht zur Hälfte aus Westdeutschen. Die Linke hat mehr Aufarbeitung betrieben als jede andere Partei. Und NATÜRLICH wirft die Linke nicht all ihre linken Ideale über Bord. Sonst wär sie ja wohl nicht links oder? Ihnend eswegen vorzuwerfen ihre Aufarbeitung sei gescheitert ist doch hyterisches geschwafel konservativer CDUler.
Die Linke hielt sich ja traditionell viel darauf zugute, besonders viele Gebildete, ja Intellektuelle in ihren Reihen zu haben; eben Linksintellektuelle. Den Kommentaren nach zu urteilen, scheint heute eher das Proletariat in Gestalt von Prolls zu überwiegen.

Auch das hätte, für sich genommen, mich noch nicht zu diesem Artikel veranlaßt. Wohl aber dies:

Gelegentlich nimmt die Redaktion von "Zeit- Online" zu Kommentaren Stellung. Im jetzigen Fall hat sie das bei im Augenblick 50 Kommentaren genau einmal getan. Nicht etwa bei dem oben zitierten oder bei Kommentar 47 von "Reinererich", der in dem Satz besteht: "Aus welcher Anstalt hat man Sie denn entlassen?". Sondern einen Rüffel wert fand "Zeit- Online" den Kommentar 7 von "Staatsdiener":
Wie blind muss man eigentlich sein? Man kann doch nicht gleichzeitig Faschismus und deren Neo- nazi- Nachfolger ablehnen und gleichzeitig eine Partei unterstützen, in deren Reihen sich alte und neue Stalinisten bewegen und die von dieser Partei toleriert werden. Worin besteht denn der wesentliche inhaltliche Unterschied zwischen Herrn Rieger und Frau Wagenknecht? Unterstützer und Propagandisten menschenverachtender Systeme sind/waren beide.
Dazu gibt es von der Redaktion diesen Zusatz:
Anmerkung: Bitte seien Sie vorsichtig mit solchen Vergleichen. Vielen Dank. Die Redaktion/ew.
Kein weiterer Kommentar.



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