27. Juli 2010

Kleines Klima-Kaleidoskop (15): Mojib Latifs seltsame Modell-Logik. Hans-Werner Sinns unerbittliche ökonomische Logik. Zwei bei Illner

Fritzchen bekommt bei einer Rechenaufgabe 10 heraus, obwohl die richtige Lösung 8 ist. Klein-Erna bekommt bei derselben Aufgabe 6 heraus. Der Lehrer gibt Fritzchen eine fünf und lobt Klein-Erna, weil die richtige Lösungszahl höher ist als das, was sie ausgerechnet hat.

Nicht wahr, den betreffenden Lehrer könnte man als ein wenig meschugge bezeichnen? Denn wenn man falsch rechnet, dann ist es egal, ob man oberhalb oder unterhalb der richtigen Lösung liegt. Falsch ist nun einmal falsch.

So ist es auch sonst im Leben; so ist es auch in der Wissenschaft.

Wenn der Jäger den Hasen nicht trifft, dann spielt es selten eine Rolle, ob die Kugel links oder rechts an ihm vorbeifliegt. Er hat nun einmal schlecht gezielt. Und wenn ein meteorologisches Institut für übermorgen eine Temperatur von 25 Grad vorhersagt, dann liegt es daneben, wenn es nur 20 Grad werden; und ebenso liegt es daneben, wenn die Temperatur 30 Grad erreicht. Das Modell, mit dem es gearbeitet hat, war offenbar im einen Fall so schlecht wie im anderen.

Überall ist es so. Nur offenbar nicht in dem interdisziplinären Unternehmen, das "Klimaforschung" genannt wird.



Die Sendung "Maybrit Illner" befaßte sich am vergangenen Donnerstag einmal mehr mit dem "Klimawandel". "Gluthitze hier - Ölpest dort" war der etwas dadaistische Titel.

Berichte über diese Sendung können Sie beispielsweise in "Welt-Online", in "Spiegel-Online" und bei news.de lesen. Berichte allerdings, die so langweilig sind, wie es auch die Sendung war.

Bis auf zwei kurze Highlights.

Das eine, negative steuerte der Professor Mojib Latif bei, und im Rückblick des ZDF auf die Sendung liest sich das so:
Klima- und Meeresforscher Mojib Latif warnte eindringlich davor, noch länger über Klimaschutz nur zu reden und nicht zu handeln. Bereitz [sic] die Öl-Krise in den 1970er Jahren hätte eigentlich zum Undenken [sic!] führen müssen. Selbst die pessimistischsten Modelrechnungen [sic] zur Klimakatastrophe würden inzwischen negativ von der Realität überholt.
Er sagte das mit sichtlicher Selbstzufriedenheit und sprach von "unseren Modellen". Er komme gerade aus der Arktis, sagte der Forscher, und hätte sich dort davon überzeugt, wie schnell die Erwärmung voranschreite. Schneller, als "unsere Modelle" es vorhergesagt gehabt hätten.

Mit anderen Worten: Wenn Latif mit dieser Aussage Recht hat, dann sind die Modelle, die er und andere vertreten, falsch. Sie werden "von der Realität überholt"; so, wie die Lösung, die Klein-Erna für die Rechenaufgabe anbietet, leider von der Realität der richtigen Lösung übertroffen wird.

Fragen sich "Klimaforscher" wie Latif folglich, was denn an ihren Modellen falsch ist? Jedenfalls der Öffentlichkeit wird nichts davon bekannt. Eher ist ein gewisser Stolz darauf zu spüren, daß nun - so heißt es - alles noch schlimmer komme, als die Modelle es prognostiziert hätten.

Aber warum kommt es - vorgeblich - schlimmer?

Latif war in der Arktis. Dort wird es in der Tat wärmer. Aber es spricht vieles dafür, daß diese Erwärmung nicht einfach Ausdruck einer "globalen Erwärmung" ist, sondern daß sie ihre spezifische Ursache in einer Änderung von Meeresströmungen hat, durch die wärmeres und salzhaltigeres Wasser in Richtung Arktis transportiert wird. Entsprechende Beobachtungen und Berechnungen liegen schon seit mehr als zehn Jahren vor; sie haben sich inzwischen weiter erhärtet; siehe Es ist vorerst vorbei mit der globalen Erwärmung; ZR vom 17. 11. 2009.

Gewiß, Mojib Latif ist nicht die Klimaforschung. Aber er ist repräsentativ für die Art, wie diese sich gegenüber dem allgemeinen Publikum darstellt.

Man benimmt sich nicht wie ordentliche Wissenschaftler, sondern wie prophetische Warner. Wenn sich die eigenen Modelle als falsch erweisen, dann nennt man das nicht falsch, sondern man sieht sich erst recht bestätigt. Es ist ja noch schlimmer gekommen, als man prognostiziert hatte.

So argumentieren Unheilspropheten. So argumentiert kein guter Wissenschaftler.



Es gab in dieser ansonsten unersprießlichen Sendung aber noch ein zweites Highlight, und das war ein positives: Die Beiträge von Hans-Werner Sinn.

Sinn machte auf einen simplen ökonomischen Umstand aufmerksam, dessen Logik aber von den anderen Diskussionsteilnehmern offenbar nicht erkannt wurde:

Je mehr wir in Europa den Verbrauch fossiler Energien reduzieren, umso mehr sinkt die Nachfrage, umso billiger werden also Kohle und Erdöl. Je billiger sie werden, umso mehr werden sie von Ländern wie China und Indien zur Stillung ihres Energiehungers eingesetzt. Es ist ein Nullsummenspiel.

In der Tat. Statt "Energiebilanzen" diversester menschlicher Aktivitäten zu ermitteln, vom Einschalten einer Glühbirne bis zum Verzehr eines Apfels, sollte man das Problem wohl eher von der anderen Seite sehen: Es liegen begrenzte Mengen an Erdöl und an Kohle im Boden. Werden sie herausgeholt und verfeuert, dann entsteht C02. Wer das tut und wann das geschieht, ist für die Menge an C02 belanglos.

Es spricht vieles dafür, daß die noch vorhandenen Erdölreserven bis zur Neige ausgebeutet werden, solange sich das rechnet. Es spricht vieles dafür, daß das auch für die Kohlevorräte gelten wird; schon wegen des genannten immensen Energiebedarfs von Ländern wie China und Indien, auch von anderen großen Schwellenländern wie Brasilien und Indonesien.

Wenn das so ist, dann wird es den damit verbundenen C02-Ausstoß geben; und die ganze schöne europäische Umweltpolitik verschiebt ihn nur in einem gewissen Umfang in andere Weltregionen. Wir "sparen Energie ein", wir "steigen auf alternative Energien um". Das Ergebnis ist, daß die Kohle woanders verfeuert, daß das Erdöl woanders verbraucht wird.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Drei Bilder, die sich durch das Schütteln eines Kaleidoskops ergeben. Fotografiert und in die Public Domain gestellt von rnbc.