4. Juli 2010

Marginalie: Schüler wünschen sich längere Laufzeiten für Atomkraftwerke

Ein Leser hat mich auf einen Artikel im hessischen Kreisanzeiger, Lokalausgabe Gedern im Vogelsberg aufmerksam gemacht. Darin heißt es unter der Überschrift "Schüler wünschen sich längere Laufzeiten für AKWs", daß "die Mädchen und Jungen der Klasse 3a der Erlenbachschule" jetzt ihre Wünsche vorgetragen hätten, was die künftige Energiepolitik angeht. Unter anderem hätten sie die Verlängerung der Laufzeiten von AKWs gefordert.

Seltsam, nicht wahr? Denn erstens sind Drittklässler Kinder von ungefähr neun oder zehn Jahren. Wie sollten Schüler in diesem Alter eine Vorstellung von Energiepolitik haben und gar über den Nutzen und Nachteil von AKWs urteilen können? Wie sollten sie dazu überhaupt eine Meinung haben?

Das könnte doch - zweitens - nur von den Lehrern kommen. Und dann wäre es ein Skandal. Denn dann würden die Kinder, die in die dritte Klasse der Erlenbachschule in Gedern im Vogelsberg gehen, offenkundig von ihren Lehrern politisch indoktriniert werden.

Von Lehrern, die vielleicht von der Atomlobby gekauft sind oder die der FDP nahestehen. Von Lehrern, die ihre Pflichten gröblich verletzen, indem sie den Kindern ihre persönliche politische Meinung als Lehrstoff aufdrängen.



Sie werden es gemerkt haben, lieber Leser: Ich habe mich des Mittels bedient, etwas kenntlich zu machen, indem ich es in einem unwesentlichen Punkt verändert habe.

Denn natürlich lautet die Überschrift des Artikels nicht "Schüler wünschen sich verlängerte Laufzeiten für AKWs", sondern "Schüler wünschen sich Ausstieg aus der Atomenergie". Und natürlich sind es keine von der Atomlobby beeinflußten FDP-Lehrer, die den Schülern ihre persönliche Meinung als Lehrstoff aufdrängen, sondern es sind Lehrer auf der Linie der Parteien "Die Grünen" und "Die Linke" sowie des linken Flügels der Sozialdemokratie.

Aus dem Artikel im "Kreis-Anzeiger":
Während der ersten Hessischen Kinder-Klimakonferenz im Wiesbadener Landtag trugen die Mädchen und Jungen der Klasse 3a der Erlenbachschule jetzt ihre Wünsche vor. Die hatten es in sich: mehr umweltfreundliche Kraftwerke zur Stromerzeugung, ein schneller Ausstieg aus der Atomenergie, ein geringerer CO2-Ausstoß durch industrielle Filteranlagen, weniger Autofahrten. (...)

Gründlich vorbereitet hatten sich die Erlenbachschüler seit dem Ende der Osterferien. Mit ihrer Klassenlehrerin Elke Emmel waren sie Klimakillern auf der Spur, erstellten ein Landschaftsmodell, machten sich Gedanken über alternative Stromerzeugung durch Wind, Wasser und Sonne, drehten einen Video-Clip und nahmen ein Hörspiel auf, befassten sich im Unterricht mit den drei Säulen Klima, Medien und Politik und nahmen mit dem Klima-Karl im Internet Kontakt auf.
Wie die Jungen Pioniere in der DDR, ging es mir durch den Kopf, als ich das las. Nur hätte man dort keine Kinder-Klimakonferenz veranstaltet, sondern eine Kinder-Solidaritätskonferenz oder eine Kinder-Friedenskonferenz.

Wer hat sie denn eigentlich veranstaltet, diese "Konferenz"? Hier finden Sie die Liste der Initiatoren:

Ein "Fachzentrum Klimawandel Hessen", das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie, das Hessische Kultusministerium, das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der Hessische Landtag, eine Organisation namens "kontextmedien - Interaktive Bildungskonzepte" sowie eine "Medieninitiative Schule@Zukunft", die als ihre Adresse das Hessische Kultusministerium angibt.

Des weiteren werden als Kooperationspartner ein "Medienzentrum Offener Kanal Offenbach" sowie ein "Umweltzentrum Hanau" genannt, dessen Zielsetzung die "Herbeiführung eines Bewußtseinswandels bei den Menschen" ist, "damit sie in der Lage sind, ihre Anliegen und Bedürfnisse in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung abzuschätzen und anzugehen".

Also der übliche rotgrüne Filz. Und so ist es denn auch die Hessische Landesregierung, die am 30. Juni stolz diese Kinder-Klimakonferenz präsentierte:
Die Folge von zu viel Kohlendioxid ist, dass es auf unserer Erde immer wärmer wird und das Klima sich verändert. Dadurch schmilzt das Eis an Nord- und Südpol, der Meeresspiegel steigt an, es kommt zu Überschwemmungen und die Winter sind nicht mehr so kalt. Tiere und Pflanzen leiden darunter. (...)

Um darüber nachzudenken und vielleicht sogar Lösungen zu finden, haben sich 320 Grundschülerinnen und Grundschüler aus Hessen kürzlich im Hessischen Landtag in Wiesbaden zur 1. Hessischen Kinderklimakonferenz getroffen. Das war eine ziemlich spannende Angelegenheit für die Drittklässler, deren Eltern und Lehrer. (...)

Kultusministerin Dorothea Henzler sagte zu Beginn: "Umweltschutz ist ein Thema, dass [sic] uns alle angeht" und Umweltministerin Silke Lautenschläger fand es so wichtig, "dass nicht nur Erwachsene darüber reden sollten."
Aber Moment mal, wer regiert doch gleich in Hessen? Richtig, Roland Koch, und zwar seit 1999. Und die Kultusministerin, in deren Ministerium diese "Kinderkonferenz" offenbar wesentlich vorbereitet wurde, ist Dorothea Henzler, seit 1981 Mitglied der FDP.

Wundert sich da noch jemand darüber, daß in Deutschland nicht Liberale und Konservative, sondern Linke und Grüne die Meinungsführerschaft haben?



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Reiner Engler.