22. September 2010

Marginalie: Werden Lehrer besser, wenn man sie nach Leistung bezahlt? Ein Programm in Washington, D.C. Eine Untersuchung aus Nashville, Tennessee

Die Debatte darüber, wie man bessere Schulleistungen erreichen kann, wird in den USA mindestens so intensiv geführt wie bei uns. Dort nimmt man auch einen Faktor ins Visier, der in Deutschland bisher kaum Beachtung gefunden hat: Liegt es nicht vielleicht auch an den Lehrern? Könnte es nicht sein, daß die Lehrer sich zu wenig anstrengen?

Wenn man will, daß ein Arbeitnehmer sich anstrengt, dann kann man das durch ein Bonus-System erreichen. Ein solches System soll jetzt in Washington, D.C., eingeführt werden (also dem keinem Bundesstaat zugehörigen Distrikt der Hauptstadt). Darüber berichtete am vorvergangenen Sonntag die Washington Post.

Solche Besoldungssysteme gibt es schon verschiedentlich in den USA; aber in Washington, D.C., sollen die Boni besonders üppig ausfallen.

Bewerben können sich für das Bonus-Programm nur die Lehrer mit den besten Beurteilungen (gegenwärtig sind das ungefähr 16 Prozent).

In einem Jahr kann ein Lehrer (bei einem Grundgehalt von ungefähr 80.000 Dollar) einen einmaligen Bonus von bis zu 25.000 Dollar erreichen. Ist er zweimal nacheinander erfolgreich, dann kann sein Gehalt auf Dauer um bis zu 26.500 Dollar steigen.

Der Erfolg wird am Abschneiden der Schüler bei (standardisierten) Leistungstests gemessen. Das Bonus-System orientiert sich aber nicht nur am Erfolg der Schüler, sondern auch an, sagen wir, der Schwere der Aufgabe:

Gibt es an einer Schule mindestens 60 Prozent Schüler aus armen Familien (d.h. Schüler, welche die Schulmahlzeiten kostenlos oder verbilligt bekommen), dann erhalten die Lehrer einen Bonus von 10.000 Dollar. Sodann zählt die Nachfrage nach Lehrern des betreffenden Fachs. Wer beispielsweise auf der Sekundarstufe Mathematik oder eine Naturwissenschaft unterrichtet, erhält einen Bonus von 5.000 Dollar.

Und wer soll das alles bezahlen? Typisch amerikanisch: Die Schulverwaltung hat private Sponsoren aufgetrieben, die insgesamt 31,5 Millionen Dollar gespendet haben. Damit soll das Programm in den ersten Jahren finanziert werden, bevor öffentliche Gelder dafür zur Verfügung stehen.



Klingt gut, nicht wahr? Jedenfalls als Idee. Aber die Wirklichkeit ernüchtert. Gestern erschien in der Washington Post ein weiterer Artikel, in dem über ein ähnliches Experiment in Nashville, Tennessee berichtet wird.

Es war wissenschaftlich begleitet; von Forschern der örtlichen Vanderbilt-Universität. 300 Mathematiklehrer nahmen teil, die in der 5. bis 8. Klasse unterrichteten. Die Hälfte bildete eine Kontrollgruppe ohne Bonuszahlungen. Die anderern 150 Lehrer konnten je nach den Leistungen ihrer Schüler einen jährlichen Bonus von 5.000, 10.000 oder 15.000 Dollar erreichen.

Das Ergebnis war ernüchternd: Die Leistungen der Schüler, die bei den Bonus-Lehrern gelernt hatten, unterschieden sich nicht von denjenigen der Schüler, die von Lehrern aus der Kontrollgruppe unterrichtet worden waren.

Die Autoren der Untersuchung vermuten, daß alle Lehrer auch ohne Bonus schon ihre maximale Leistung erbrachten, so daß Bonuszahlungen sich nicht leistungssteigernd auswirken konnten.

Aber so schnell geben Bildungsforscher und Bildungspolitiker nicht auf. Der Forscher Eric A. Hanushek meinte, ein Bonussystem wirke wohl nicht kurzfristig, könnte aber langfristig dafür sorgen, daß sich die Zusammensetzung der Lehrerschaft verbessert; daß motiviertere Personen für diesen Beruf gewonnen werden könnten.

Und ein Mitglied der Regierung Obama äußert sich auch. Der Mann heißt Peter Cunningham und trägt den schönen Titel assistant U.S. education secretary for communications and outreach; etwa "Staatsekretär im Bildungsministerium für Kommunikation und Kontaktaufnahme". Er kommentierte das Ergebnis der Untersuchung so:
What we are trying to do is change the culture of teaching by giving all educators the feedback they need to get better while rewarding and incentivizing the best to teach in high need schools, hard to staff subjects. This study doesn't address that objective.

Was wir versuchen, ist dies: Wir wollen die Kultur des Lehrens ändern, indem wir allen Lehrenden die Rückmeldung geben, die sie benötigen, damit sie besser werden, wobei wir die Besten belohnen und ihnen einen Anreiz geben, in Schulen mit großem Bedarf Fächer mit Lehrermangel zu unterrichten. Die jetzige Untersuchung befaßt sich nicht mit diesen Zielen.
Ich fürchte, das habe ich nicht verstanden und kann Ihnen deshalb diesmal auch nicht zusichern, daß meine Übersetzung stimmt. Haben Sie es verstanden?



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