29. April 2011

Marginalie: "Elisabeth II macht sich auf das Schlimmste gefaßt". François Caviglioli über das Royal Wedding

François Caviglioli (74), Redakteur beim Nouvel Observateur, ist, wie man so sagt, journalistisches Urgestein. Ein Reporter, kein "Publizist". Er war Gerichtsreporter, hat über die Terrororganisation OAS geschrieben, war vor Ort, als im April 1975 Saigon von den Kommunisten erobert wurde.

Dann, des Reisens müde, widmete er sich dem, was im Französischen faits divers heißt, wörtlich "verschiedene Tatsachen". "Bunte Meldungen" oder "Vermischtes" oder "Aus aller Welt" nennen das deutsche Tageszeitungen; gehobene Blätter schreiben "Gesellschaft" oder "Modernes Leben" über diese Rubrik.

Meist geht es bei Caviglioli um um die eher düsteren Seiten des Bunten Lebens - ungeklärte Kriminalfälle, Korruption, aus den Fugen geratene Biographien; dergleichen. Das sind auch die Themen der Romane und Drehbücher, die dieser korsische Bonvivant nebenher schreibt.



Und gestern nun schrieb er zum Royal Wedding. Überschrift: "Elisabeth II s’attend au pire ... elle n'est pas la seule"; Elisabeth II mache sich auf das Schlimmste gefaßt, und sie sei nicht die Einzige.

Vielleicht steht das auch in der deutschen bunten Presse; das weiß ich nicht. Ich fand es jedenfalls amüsant; ohne den Nouvel Observateur wäre es mir durchaus entgangen.

Und da ich fürchte, daß auch viele von Ihnen, liebe Leser von ZR, die bunte Presse nicht mit der erforderlichen Sorgfalt verfolgen, möchte ich Sie jetzt über Cavigliolis Informationen informieren. Auf daß Sie am Frühstückstisch, auf daß Sie am Arbeitsplatz heute mitreden können.



Ein Sorgenkind des heutigen Tags war Carol Anne Duffy. Sie ist seit Mai 2009 die Hofdichterin der britischen Krone. Für ein Honorar von 5000 Pfund im Jahr ist sie verpflichtet, die großen Ereignisse der britischen Dynastie lyrisch zu würdigen.

Nun schien es, als hätte sie noch gar nichts von der Hochzeit erfahren. Vielmehr sei, so munkelte man in den Gängen des Buckingham Palace, diese homosexuelle Schottin noch damit beschäftigt, die 600 Flaschen Sherry zu leeren, die sie anläßlich ihrer Berufung zum Geschenk erhalten hatte.

Jetzt gab es Entwarnung: Sie hätte durchaus von der Hochzeit vernommen, hieß es kürzlich, und sei auch eifrig am Dichten (elle a rimaillé d’arrache-pied schreibt Caviglioli - sie habe wie verrückt gereimt). Einige durften das inzwischen fertige Werk schon sehen. Nicht eben Shakespeare, war ihr Kommentar. Aber sie hätte sich viel Mühe gegeben.



Ein Problemfall ist auch Prinz Harry. Er wird heute Trauzeuge sein. Aus diesem Anlaß wurde er vom Leutnant zum Hauptmann befördert. Es heißt, er hätte die Beförderung in Anbetracht seiner militärischen Leistungen nicht unbedingt verdient.

Nun will es die Tradition, daß der Trauzeuge zur Hochzeit eine humorvolle, eine launige Rede über die Hochzeit hält; eine Rede über die petits ridicules du mariage, die kleinen Lächerlichkeiten oder Lustigkeiten der Heirat. Die Königin befürchte das Schlimmste, heißt es. In Anbetracht nämlich des besonderen Humors von Prinz Harry, der es schon einmal lustig fand, als Nazi verkleidet aufzutreten. "Ulkig" (drôle) findet ihn Elton John.



Dann ist da das Gedächtnisproblem der Braut Kate Middleton.

Wenn sie der Dekan von Westminster, der Very Reverend Dr. John Hall, zum Jawort auffordert, dann muß sie den Prinzen mit allen seinen Vornamen nennen: William Arthur Philip Louis Windsor. Es heißt, sie habe Schwierigkeiten, das zu memorieren, gehemmt durch die Erinnerung an Lady Di, die damals bei ihrer Heirat mit Charles dessen Vornamen nicht auf die Reihe bekommen hatte.



Besser wird es um das leibliche Wohl der 650 Gäste stehen. Mark Flanagan, der Leiter der Königlichen Küchen, hat ein Büffet aufbauen lassen, das er als "Ausstellung der besten Produkte Englands" bezeichnet. Er wolle, daß die Leute nach dem Essen ausriefen "Wow, das war toll!"

Offenbar konnte er nicht alle überzeugen. Guy Ritchie, der Ex von Madonna, reagierte mit dem trockenen Kommentar: "Wir werden uns darauf beschränken, Champagner zu trinken".



Und nun noch das Schlimmste: Die Sache mit der Krone. Eigentlich sollte Kate die Krone tragen, die auch Lady Di bei ihrer Hochzeit getragen hatte. Das lehnte sie ab, was nachvollziehbar ist. Man bot ihr eine andere, alte Krone an, genannt die "Krone der Töchter Großbritanniens und Irlands". Auch das verweigerte sie.

Sie wird, wenn wir François Caviglioli glauben, vielmehr mit einem aus Blumen geflochtenen Kopfschmuck vor den Traualtar treten. Kommentar von Prinz Andrew, dem jüngeren Bruder von Charles: "Nichts gegen modern, aber mußte es gleich die Gärtnerei sein ...".
Zettel



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