4. Juni 2011

Zitat des Tages: "Überdurchschnittlich viele Kinder". Da stimmt doch was nicht!

Überdurchschnittlich viele Kinder haben übrigens Einwanderer aus Nordafrika – natürlich kümmert sich der Herr Marokkaner nicht vornehmlich um die lieben Kleinen, aber "haben" tut er sie schon gern, als Visitenkarte seines ökonomischen Erfolgs. Kinder sind Statussymbole geworden: Man zeigt, was man sich leisten kann.

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Kommentar: Wo, denken Sie, ist das erschienen? Wie finden Sie es? Zynisch vermutlich, menschenverachtend. Vielleicht trauen Sie Thilo Sarrazin zu, so etwas geschrieben zu haben (dann haben Sie ihn allerdings definitiv nicht gelesen). Vielleicht tippen Sie als Quelle auf eine rechtsextreme Publikation?

Aber die Quelle ist "Zeit-Online"; und die Autorin ist keine bornierte Rechtsextreme, sondern ausgesprochen weltläufig:
Lehraufträge und Schriftstellerstipendien führten sie nach Los Angeles, Meadville/Pennsylvania, Bristol, Barcelona, Paris, nach Prag, Krakau, Bukarest, Hermannstadt, nach Sylt und Ahrenshoop, Gotland/Schweden, nach Vollezele/Flandern, Salzburg, Zypern und an weitere Orte
teilt sie über sich selbst mit, die Autorin von "Zeit-Online" Tanja Dückers, die "ihr Studium mit einer interdisziplinären Arbeit über die 'Ästhetik des Erhabenen in der modernen Malerei' abgeschlossen" hat.

Da stimmt doch was nicht, werden Sie jetzt denken. Und Recht haben Sie. Ich habe mir nämlich den kleinen Kunstgriff erlaubt, das Zitat aus dem Artikel "Ohne Kinder ins Abseits", der seit gestern um 17.30 Uhr bei "Zeit-Online" zu lesen ist, ein wenig zu verfremden. Unverfremdet lautet es so:
Überdurchschnittlich viele Kinder haben übrigens die Vorstandsvorsitzenden der 30 größten deutschen DAX-Unternehmen – natürlich kümmert sich der Herr Vorstand nicht vornehmlich um die lieben Kleinen, aber "haben" tut er sie schon gern, als fotogene Visitenkarte seines soliden bürgerlichen Hintergrunds. Kinder sind Statussymbole geworden: Man zeigt, was man sich leisten kann.



Da stimmt doch was nicht. Wieso schreibt eine Autorin ungerührt über Spitzenmanager etwas, das als menschenverachtend gelten würde, hätte sie es über Einwanderer geschrieben? Wieso darf sie, offenbar ohne Anstoß zu erregen, Menschen zuschreiben, sie wollten Kinder nur als "fotogene Visitenkarte" ihres "soliden bürgerlichen Hintergrunds" haben?

Wieso bringt "Zeit-Online" eine solche unglaubliche Unterstellung, während dessen Redaktion doch eine entsprechend zynische Äußerung über die Kinderzahl von Einwanderern, wäre sie woanders gedruckt worden, rigoros kritisiert hätte?

In der alten Klassengesellschaft durfte man über die Unteren das sagen, was über die Oberen zu sagen als zumindest unschicklich gegolten hätte, was vielleicht als Beleidigung verfolgt worden wäre. In unserer gegenwärtigen Gesellschaft hat sich das herumgedreht: Je weiter oben in der gesellschaftlichen Hierarchie jemand steht, umso ungehemmter darf man ihn herabsetzen; umso weniger zählt seine Menschenwürde.
Zettel



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