28. Juli 2011

Von Japan lernen

Im öffentlichkeitswirksamen Schuldenstreit zwischen Präsident Obama und dem Repräsentantenhaus wird unter anderem die Frage diskutiert, was denn passieren würde, wenn die Rating-Agenturen den USA das begehrte "AAA" entziehen würden. Eine Blaupause dafür könnte Japan liefern, wo Moody’s deren Kreditwürdigkeit für langfristige Yen-Schulden Ende Mai 2002 um zwei Stellen von „Aa3“ auf „A2“ herabgestuft hatte. Das bedeutete, daß die damals weltweit zweitgrößte Wirtschaft dieselbe Bonität wie unter anderem Griechenland aufwies. Nach nunmehr über 9 Jahren läßt sich die Antwort auf eben diese Frage, was denn furchtbares aufgrund der Herabstufung durch Moody's für Japan geschehen wird, präzise geben: nichts.
Der aktuelle Blick auf Bloomberg heute, den 28. Juli 2011, zeigt einen Zinsverlauf von 0% (in Worten: Null Prozent) für kurzfristige Anleihen bis 6 Monate und 2.2% (in Worten: Zwei Komma Zwei Prozent) für 30 Jahre laufende Staatsanleihen. Ein Staat könnte es sichtlich schlechter haben, als mit einem Rating von "A2" leben zu müssen.

Auch die Betrachtung der Zinssätze im Verlauf der letzten Jahre zeigt, daß die Reaktion auf das Downgrade nicht bloß verhalten war, nein: es gab schlicht keine. "Nicht einmal ignoriert" hat man es, würde man in Teilen Österreichs die Ignoranz gegenüber der Rating-Agentur beschreiben.

Aber warum machen sich dann - mit Verlaub - alle ins Hemd, wenn die Rating-Agenturen drohen, den USA ihr "AAA" zu entziehen, oder wenn - wieder einmal - ein EU-Staat vorgeführt wird? Weil in der EU niemand die cojones hat, die Rating-Agenturen in ihre Schranken zu weisen. Es gäbe gute Gründe dafür:
[...] the ratings agencies own internal analysis shows that they are terrible at rating government debt.  Their ratings are all off, as government, especially those with a printing press for their own currency, simply don’t behave like the corporate world they were designed to analyze.  And rather than just being wrong, they are wrong in that they are always overestimating the liklihood that governments will default.  
[...] die eigenen internen Analysen der Rating-Agenturen zeigen, wie schlecht sie bei der Bewertung von Staatsschulden sind. Die Ratings stimmen einfach nicht, weil Staaten, vor allem die mit einer Notenpresse für die eigene Währung, sich einfach nicht wie Privatunternehmen verhalten, für die Rating-Agenturen ursprünglich geschaffen wurden. Und sie liegen nicht einfach nur daneben, sie überbewerten regelmäßig die Chance, daß ein Staat seine Schulden nicht begleichen kann. 
Staaten wie England, Dänemark oder Japan können schon rein technisch nicht zahlungsunfähig werden. Ein anderes Rating für Japan als "AAA" ist eine glatte Lüge. Und dabei ist es völlig egal, ob der Staat mit 70% des BIP verschuldet ist (USA), mit 220% (Japan) oder England (250% in 1830 und 1945). Die Chance, daß wahnsinnige Republikaner fundamentalistische Politiker in Japan die Existenz des eigenen Landes zugunsten ihres persönlichen Vorteils aufs Spiel setzen, ist gleich null. Warum die Rating-Agenturen wider besseren Wissens ihre noch immer vorhandene Macht ausspielen, dann offenbar weil:
[...] when S&P or Moody’s speaks, that’s not the voice of “the market”. It’s just some guys with an agenda, and a very poor track record. 
wenn sich S&P oder Moody's äußern, dann ist das nicht die Stimme "des Marktes". Dann sind es bloß Typen mit versteckten Absichten und einer sehr schwachen Leistungsbilanz. 
Kein noch so großer Hedge-Fond würde sich trauen, gegen die Bank of Japan oder die Bank of England zu spekulieren. Solange die Europäische Zentralbank sich passiv verhält, wird sich die Spekulation - befeuert durch immer neue Rating-Downgrades - auf die EU-Länder konzentrieren. Japan hat Moody's vor 9 Jahren marginalisiert. Die EU sollte das gleiche tun.
Johann Grabner



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