26. Juli 2011

Zitat des Tages: "Aufschwung in Richtung Etatismus". Warum in den USA die Debatte über die Obergrenze der Verschuldung so erbittert geführt wird

Obama's money gusher has driven federal spending from under 20 percent of GDP to almost 25 percent. Democrats consider this the new normal — until it becomes the base from which they launch their next surge of statism.

This fact refutes those who loftily dismiss the debt-ceiling debate as much ado about not very much. And those who are loftily contemptuous of today's supposedly "dysfunctional" Washington have forgotten that the branches of government are supposed to be jealous rivals.


(Obamas Geldregen hat die Ausgaben des Bundes von unter 20 Prozent des Bruttosozialprodukts auf fast 25 Prozent hochgetrieben. Die Demokraten betrachten das als die neue Normalität - bis es zu dem Basiswert wird, von dem aus sie ihren nächsten Aufschwung in Richtung Etatismus starten.

Dieser Sachverhalt widerlegt diejenigen, welche die Debatte über die Schuldenobergrenze als viel Lärm um sehr wenig abtun. Und diejenigen, die sich hochmütig über das heutige "dysfunktionale" Washington erheben, haben vergessen, daß die Regierungsgewalten konkurrierende Rivalen sein sollen.)
George F. Will in seiner aktuellen Kolumne in der Washington Post unter der Überschrift "Congress stands its ground" (Der Kongreß hält stand).

Kommentar: Dieses Zitat macht deutlich, warum die Debatte um die Obergrenze für die Staatsverschuldung in Washington mit einer solchen Erbitterung geführt wird. In ihr prallen auf zwei Ebenen diametral entgegengesetzte politische Grundüberzeugungen aufeinander:

Erstens geht es um die Macht des Präsidenten und diejenige des Kongresses.

In der amerikanischen Begrifflichkeit besteht die Regierung (Federal Government) nicht nur aus dem Präsidenten mit seinem Kabinett, sondern diese bilden lediglich eine der drei Regierungsgewalten, nämlich deren Executive Branch, die Administration. Auch das Oberste Bundesgericht und der Kongreß sind Teile des Federal Government. Wenn Sie zum Internetportal der US-Regierung gehen, finden Sie dort alle drei Gewalten.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Kongresses ist es, über den Haushalt zu beschließen. Wenn der Präsident einen Haushaltsentwurf vorlegt, dann "bittet" er den Kongreß um Geld für die einzelnen Ausgabenposten (asks Congress for money).

Beim jetzigen Machtkampf benimmt sich Präsident Obama nach Ansicht seiner Kritiker aber so, als sei er und nicht der Kongreß für den Haushalt verantwortlich. George F. Will:
At his Friday news conference-cum-tantrum, Barack Obama imperiously summoned congressional leaders to his presence: "I’ve told" them "I want them here at 11 a.m." (...) Inordinate self-regard is an occupational hazard of politics and part of the job description of the rhetorical presidency, this incessant tutor. Still, upon what meat doth this our current Caesar feed that he has grown so great that he presumes to command leaders of a coequal branch of government?

Auf seiner Pressekonferenz-mit-Wutanfall am Freitag befahl Barack Obama den Führern des Kongresses gebieterisch, vor ihm zu erscheinen: "Ich habe" ihnen "mitgeteilt, daß ich sie um 11 Uhr Vormittags hier haben will." (...) Unmäßige Selbstachtung ist ein Berufsrisiko in der Politik und gehört zur Berufsbeschreibung eines Rhetorikers als Präsident, dieses unermüdlichen Belehrers. Aber von welchem Fleisch nährt sich dieser unserer heutiger Cäsar, daß er zu einer derartigen Größe gewachsen ist, zu meinen, er könne die Führer einer gleichberechtigten Regierungsgewalt vorladen?
Obama ist ein ungewöhnlich herrischer Präsident. Die Besorgnis, daß er die Balance der Macht zugunsten des Präsidenten und damit auf Kosten der Volksvertreter verschieben könnte, ist einer der beiden Gründe dafür, daß die jetzige Diskussion derart erbittert geführt wird.



Der andere ist, daß es um eine Frage geht, die traditionell Demokraten und Republikaner spaltet: government spending, die Regierungausgaben. Aus konservativer Sicht sollte der Staat dem Bürger nur soviel von dessen Geld wegnehmen und für Regierungsausgaben verwenden dürfen, wie das unbedingt erforderlich ist. In der Demokratischen Partei, die heute eine (nach amerikanischen Maßstäben) weitgehend linke Partei ist, sieht man das umgekehrt: Der Staat hat seine Aufgaben zu erfüllen und kann vom Bürger soviel an Steuern verlangen, wie er nach seiner - des Staats - eigener Einschätzung benötigt.

Auch wenn das etwas holzschnittartig formuliert ist - es trifft die Stimmung in den USA unter einem Präsidenten, der die Gunst der Weltfinanzkrise nutzen wollte und will, um mittels eines gigantischen Anstiegs der Staatsausgaben die Vereinigten Staaten zu sozialdemokratisieren (siehe Mutmaßungen über Barack. Will Obama der große Transformator werden? Eine provokante These von Charles Krauthammer; ZR vom 16. 12. 2008 sowie Obamas Unredlichkeit, Merkels Aufrichtigkeit; ZR vom 9. 3. 2009). Ein Teil der Bürger sieht das als Fortschritt; der andere sieht darin eine grundlegende Abkehr von den amerikanischen Werten.

Steuerpolitik und Staatsverschuldung sind die beiden konkreten Themen, bei denen sich dieser Kampf zwischen den Republikanern und den Demokraten traditionell abspielt. Entscheidend war dabei bisher stets, wer den Kongreß beherrscht, und nicht, ob ein Demokrat oder ein Republikaner im Weißen Haus sitzt; weil eben Haushaltspolitik Sache des Kongresses ist und nicht des Präsidenten. Man kann das sehr schön an der folgenden Graphik sehen (für eine vergrößerte Ansicht bitte darauf klicken):


Dargestellt ist der jährliche Schuldenstand der USA in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des jeweiligen Jahrs. Die Farbe der Balken zeigt, welche Partei jeweils den Kongreß kontrollierte: Rot die Republikaner, blau die Demokraten. Ein violetter Balken bedeutet, daß in dem betreffenden Jahr eines der beiden Häuser des Kongresses von der einen und das andere von der anderen Partei kontrolliert wurde.

Man kann sehen, wie in den Jahren mit einem republikanisch kontrollierten Kongreß der auf das BIP bezogene Schuldenstand sank oder gleichblieb und wie er unter einer Kontrolle durch die Demokraten anstieg; am steilsten seit dem triumphalen Wahlsieg der Demokraten im Jahr 2006. Teilten sich die beiden Parteien die Macht im Kongreß, dann war das Bild bisher uneinheitlich.

Obama will auch in einer solchen Situation, die ja heute besteht - die Republikaner haben eine große Mehrheit im Repräsentantenhaus, die Demokraten eine knappe Mehrheit im Senat - seine etatistische Ausgabenpolitik fortsetzen.

Eine wesentliche Ursache für die jetzige hohe Verschuldung ist das gigantische Ausgabenprogramm ARRA im Umfang von 787 Milliarden Dollar, das Obama bereits kurz nach seiner Amtsübernahme durch den damals demokratisch beherrschten Kongreß brachte und welches das Herzstück seiner Sozialdemokratisierung der USA sein sollte. Dieses Ziel will Obama nicht aufgeben, auch wenn es eine steigende Verschuldung bedeutet. Die Republikaner aber sehen in der geltenden Schuldenobergrenze eine Chance, die Sozialdemokratisierung der USA doch noch zu verhindern oder wenigstens zu bremsen.

Darum geht es bei dieser Auseinandersetzung; und nicht darum, daß uneinsichtige Politiker ihrem Präsidenten einen Knüppel zwischen die Beine werfen wollen, wie es in unseren Medien gern dargestellt wird.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Abbildung vom Autor LibertyUSArocks in die Public Domain gestellt.