19. Januar 2012

Marginalie: Mitt Romney "strauchelt" schon wieder. "Spiegel-Online" und die Vorwahl in South Carolina

Erinnern Sie sich? Zu der Vorwahl in New Hampshire brachte "Spiegel-Online" einen Bericht, dessen Autoren - Marc Pitzke und Sebastian Fischer - sich schier verzweifelt zeigten über die Lage der Republikaner (GOP) und besonders des armen Kandidaten Mitt Romney, der "gestrauchelt" sei ("Es ist zum Verzweifeln". Wie "Spiegel-Online" über die Lage der Kandidaten im US-Vorwahlkampf desinformiert; ZR vom 10. 1. 2012).

Jetzt ist es dem Bedauernswerten, falls wir "Spiegel-Online" Glauben schenken wollen, schon wieder passiert, das Straucheln. Dort kann man heute einen Artikel mit der Überschrift "Kandidat Superreich strauchelt" lesen; wieder aus der Feder von Sebastian Fischer:
Kurz vor dem Ziel strauchelt Romney, der eben noch souveräne Spitzenreiter. (...) Laut einer am Mittwoch veröffentlichten CNN-Umfrage hat Romney an Vorsprung eingebüßt: Mit 33 Prozent liegt er jetzt nur noch zehn Prozentpunkte vor Gingrich, Anfang Januar betrug der Abstand zwischen den beiden noch 19 Punkte. (...) Dass der bisher so siegessichere Kandidat Romney plötzlich unter Druck gerät, ist natürlich freudig vom Team Obama registriert worden.
Und nicht weniger freudig, so darf man mutmaßen, vom Team Marc Pitzke/Sebastian Fischer.

Nachdem die beiden Autoren Romney vor dem Primary in New Hampshire "gestrauchelt" gesehen hatten, gewann dieser dort bekanntlich souverän; so, wie es alle seriösen Umfragen prognostiziert hatten (Informationen zum Verständnis des Wahlergebnisses in New Hampshire; ZR vom 11. 1. 2012).



Und wie sehen die Fakten diesmal aus?

Das Lager von Newt Gingrich, der bei den Umfragen zu dem Primary übermorgen in South Carolina an zweiter Stelle liegt, sucht gegen Romney die "Multimillionärs"-Karte zu spielen. Gingrich nimmt damit Obamas vermutlichen Wahlkampf gegen Romney vorweg, der sehr wahrscheinlich auf Sozialneid setzen wird.

Zunächst versuchten die Gingrich-Leute, Romney anzuhängen, er hätte in seinen Unternehmen Jobs vernichtet. Das ging nach hinten los (siehe Das Rennen bei der GOP scheint gelaufen; ZR vom 16. 1. 2012): Viele Wähler brachte diese unfaire, auf falschen Behauptungen basierende Attacke gerade auf die Seite Romneys.

In den letzten Tagen nun spielte eine Variante dieses Themas eine gewisse Rolle: "R. Money" zahle nur 15 Prozent Steuern. Das hatte Romney selbst freimütig einem Redakteur von Time Magazine auf eine entsprechende Frage mitgeteilt. Es ist eine Folge des Umstands, daß Romney sein Einkommen überwiegend in Form von Einkünften aus Kaptialanlagen hat, und die werden nun einmal in den USA gering besteuert.

Er zahlt also ehrlich seine Steuern. Daß diese so sind, wie sie sind, ist allenfalls der Regierung Obama und dem Kongreß oder deren Vorgängern anzulasten; aber nicht Romney, der ja nicht mehr Steuern an den Fiskus überweisen kann, als dieser verlangt.

Aber das Thema wird nun disktutiert. Daß es irgendeine Bedeutung für die Vorwahl in South Carolina hätte, ist allerdings nicht erwiesen. Dort spielten in den letzten Tagen aber zwei andere Faktoren eine Rolle:

Wie man der wie immer sorgfältigen Analyse von Nate Silver entnehmen kann, stiegen die Umfragewerte für Mitt Romney in South Carolina bis Anfang dieser Woche kontinuierlich an. Sie können das auch in dieser Grafik sehen (violette Kurve für Romney). Am Montag fand nun aber eine Debatte statt, bei der Gingrich eine deutlich bessere Figur machte als Romney; unter anderem durch ein Rededuell mit einem Journalisten, den er abfertigte. In den - sehr wenigen - seither durchgeführten Umfragen sind in der Tat die Werte für Gingrich leicht gestiegen und die für Romney leicht zurückgegangen.

Neben diesem Debattenerfols spielt dabei (falls diese wenigen Daten überhaupt aussagekräftig sind) laut Silver der Umstand eine Rolle, daß vorgestern Sarah Palin ihre Unterstützung für Gingrich bekanntgab.

Es kann also sein, daß Romney in South Carolina etwas knapper gewinnt, als es bis zum Wochenende zu erwarten gewesen war. Nicht wegen seines Steuersatzes, sondern aufgrund dieser beiden anderen Faktoren. Ganz auszuschließen ist ein Sieg Gingrichs zwar nicht, der lange in South Carolina in Führung gelegen hatte. Aber dessen Wahrscheinlichkeit liegt im Augenblick - so die Berechnungen Nate Silvers - bei nur 27 Prozent; gegen 72 Prozent für Mitt Romney, den "Gestrauchelten".




Nachtrag um 23.50 Uhr: Inzwischen wurden die Ergebnisse von drei Umfragen (Rasmussen, Isider Advantage, Public Policy Polling) publiziert, die alle am Mittwoch durchgeführt wurden, also nach der Debatte vom Montag, aus der Gingrich als Sieger hervorging. Insgesamt wurden 1847 Personen befragt; Republikaner, die wahrscheinlich an der Vorwahl teilnehmen werden. Alle drei Umfragen sehen einen Vorsprung von Gingrich.

Allerdings handelte es sich um automatisierte Umfragen. Andere Umfragen, in denen ein Interviewer mit den Befragten telefonierte, ergaben weiterhin einen Vorsprung von Romney. Da diese Methode mehr Zeit in Anspruch nimmt, begannen diese Erhebungen jedoch teilweise schon vor der Debatte vom Montag. Näheres hier und hier in Zettels kleinem Zimmer.

Nate Silver, der diese Daten ausgewertet hat, sieht im Augenblick Romney und Gingrich Kopf-an-Kopf mit je 34 Prozent. Es wird in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag spannend werden.­
Zettel



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