4. Januar 2012

Marginalie: Wulffs Interview. Welch ein Jammerschauspiel. Transkript der Kernsätze. Eine Bemerkung zur Person Christian Wulff

Seit 19 Uhr sind Ausschnitte aus dem Interview mit Wulff als Video zu sehen.

Ein Jammerschauspiel. Wulff meist mit gesenktem Haupt, den Blick à la Dackel schräg nach nach oben gerichtet, mit einem eingefrorenen Lächeln um die Lippen. Seine Stimme brüchig, kieksend, oft nachgerade gepreßt. Der personifizierte ertappte und nun Reue demonstrierende Sünder.

So sieht einer aus, so spricht einer, der am Boden ist. Hier die Kernsätze seines mea culpa, mea maxima culpa:
Der Anruf bei dem Chefredakteur der "Bild"-Zeitung war ein schwerer Fehler, der mir leid tut, für den ich mich entschuldige. Ich hab' das auch sogleich nach der Rückkehr aus dem Ausland persönlich getan. Das ist auch akzeptiert worden.

Ich habe in der Erklärung vor Weihnachten mich ausdrücklich zum Recht der Presse- und Meinungsfreiheit bekannt und halte das für meinem eigenen ... für mein eigenes Amtsverständnis nicht vereinbar. Denn ich will natürlich besonnen, objektiv, neutral, mit Distanz als Bundespräsident agieren.

Und ich möchte vor allem Respekt vor den Grundrechten, auch denen der Presse- und Meinungsfreiheit haben und hab' offenkundig mich in dem Moment eher als Opfer gesehen, als denjenigen, der Bringschuld hat gegenüber der Öffentlichkeit, Transparenz herzustellen und auch berechtigte Fragen zu beantworten.
Nach Guttenberg schon wieder einer, der offenbar unfähig ist, sein eigenes Handeln zu kontrollieren.

Wie kann jemand, der erwachsen ist, der Herr seines Handelns ist, etwas tun, das mit seinem eigenen Amtsverständnis nicht vereinbar ist? Wie kann sich der Inhaber des höchstens Amts im Staat als temporär nicht zurechnungsfähig rechtfertigen; sich wie ein ertappter Pennäler herauszuwinden versuchen?

Und was sollen diese verquasten Sätze, er hätte sich als einen gesehen, der eine "Bringschuld ... gegenüber der Öffentlichkeit" hat, "Transparenz herzustellen"? Deshalb also hat er Diekmann anzurufen versucht, oder wie? Und nicht etwa, weil er die Veröffentlichung in "Bild" verhindern wollte?



Wulff hat einen Fehler gemacht. Der Fehler bestand darin, daß er seinen Versuch einer Intervention auf den Antwortbeantworter gesprochen, daß er ihn damit nachgerade dokumentiert hat. Das war eine sträfliche Dummheit. Im übrigen hat er keinen Fehler gemacht, sondern er hat Pression auszuüben versucht. Sein Pech war es, daß die Gegenseite dem Pressionsversuch widerstanden hat.

Die, sagen wir, klebrige Art, wie Wulff sich jetzt per Sündenbekenntnis und Bitte um Absolution aus der Nummer zu ziehen versucht, ist jämmerlich.

Ich habe, als die Affäre begann, die Kritik an Wulff für überzogen gehalten und bin immer noch der Meinung, daß es auch einem Ministerpräsidenten erlaubt sein muß, von einem väterlichen Freund einen Privatkredit anzunehmen, solange er dies eben als Privatmann tut; und ohne irgendeine "Gegenleistung" bei der Ausübung seines Amts.

Ich war und bin auch der Meinung, daß es nicht dem Respekt vor dem Amt des Präsidenten entsprach, wegen dieser als solche unerheblichen Angelegenheit eine Medienkampagne in Gang zu setzen.

Aber was die Einschätzung der Person Wulff angeht, habe ich mich geirrt. Hier in diesem Blog hat ihn DrNick von Anfang an kritischer gesehen als ich, und er hatte Recht (siehe Wie man eine parlamentarische Anfrage "korrekt beantwortet": Christian Wulff auf den Spuren Bill Clintons; ZR vom 13. 12. 2011).
Zettel



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