27. Juni 2012

Deutschland im Öko-Würgegriff (31): Die deutschen Erdgasvorräte sind zehnmal so groß wie bisher angenommen. Haben Sie diese Meldung irgendwo gelesen?

Die Bundesanstalt für Geowissen­schaften und Rohstoffe (BGR) hat eine Untersuchung zu den Möglich­keiten vorgelegt, in Deutschland Schiefergas zu gewinnen; Erdgas, das aus dichten Tongesteinen geholt wird. Eine Pressemitteilung dazu finden Sie hier; der Bericht selbst steht als PDF-Datei zur Verfügung. Reuters brachte zu dieser Unter­suchung vorgestern einen ausführ­lichen Artikel von Vera Eckert. Allerdings in seinem englischsprachigen Dienst; eine deutsche Version konnte ich nicht finden.

Das Thema ist von zentraler Bedeutung für die künftige deutsche Energieversorgung, denn die Behörde hat nachgerade Sensationelles zu melden:
Das BGR ging bislang von einem Schiefergasvorkommen von 227 Mrd. Kubikmetern aus. Die korrigierten aktuellen Schätzungen übertreffen den bisherigen Wert um den Faktor 10 und gehen von 2,7 Billionen Kubikmetern an Schiefergas aus.

Obwohl der konventionelle Abbau von Erdgas rückläufig ist, könnte in Deutschland unter Beibehaltung der derzeitigen Fördermenge noch weitere 50 Jahre Erdgas gefördert werden, wenn man von einer Förderquote von 30 Prozent des Schiefergasvorkommens ausgeht.
Dieses Zitat stammt - nein, nicht aus einem Bericht in "Spiegel-Online", in der FAZ, in "Welt-Online" oder dem Nachrichtenportal der "Tagesschau". Entnommen habe ich es einer der wenigen Quellen, die das Thema überhaupt bringen, und zwar ausgerechnet Preis.de; einem Service für Pfennigfuchser und Schnäppchenjäger.

Googeln Sie einmal nach BGR Schiefergas. Sie finden zur Untersuchung des BGR überwiegend abgelegene Quellen wie das genannte Preisportal oder die digitale Heimatzeitung "Celle Heute". Aus dem Chor der Schweigenden bei den Öffentlich-Rechtlichen erhebt sich allerdings der Deutsch­landfunk, der gestern in seiner Sendung "Forschung aktuell" sachlich berichtete; wie ja überhaupt der Deutschlandfunk und vor allem das Deutschlandradio Kultur Oasen sachlicher Berichterstattung bei den Öffentlich-Rechtlichen sind.

Aber lesen Sie beispielsweise einmal, was der NDR dazu schreibt, der sich immerhin in seinem Regionalprogramm Niedersachsen des Themas angenommen hat:
Wie gefährlich ist Fracking - und ist es überhaupt notwendig? (...)

Damit sich die Förderung aus nicht-konventionellen Vorkommen wirtschaftlich lohnt, muss man es nach Meinung der Experten aber zwingend per Fracking fördern. Eine Einschätzung, die Fracking-Gegner nicht gerade freuen dürfte. Diese wollen ein bundesweites Verbot der Fördermethode erreichen, da sie unter anderem befürchten, dass Fracking das Grundwasser verschmutzt. (...)
Der Bericht erwähnt zwar auch kurz die Ergebnisse des BGR; aber der Schwerpunkt liegt auf dem, was - wie anders - "Gegner der Gasfördermethode" zu sagen haben.



Fracking (von hydraulic fracturing; Aufbrechen mit Wasserkraft) ist ein Verfahren zur Gewinnung von Erdgas, das unter festen Gesteinschichten liegt. Diese werden hydraulisch aufgebrochen, so daß Risse entstehen, durch die das Erdgas nach oben strömen kann. Auch für andere Abbauzwecke (zum Beispiel die Gewinnung von Erdöl) wird das Verfahren eingesetzt.

Wenn Sie sich näher informieren wollen, dann empfehle ich Ihnen dringend, den betreffenden Eintrag in der internationalen Wikipedia und nicht in der deutschen Wikipedia zu lesen. In dieser nämlich finden Sie einen Artikel, der in wenigen kurzen Absätzen über das Verfahren und dann nur noch über die Kritik daran berichtet; die Kritik macht mehr als drei Viertel des Textes aus. Einseitiger kann ein Wikipedia-Artikel kaum sein.

In den USA wird Fracking zur Gewinnung von Erdgas und auch Erdöl bereits erfolgreich eingesetzt und hat dort zu einem erheblichen Sinken des Gaspreises geführt - er wurde nicht weniger als halbiert!

Was das Erdöl angeht, werden die durch Fracking erschließbaren Vorkommen in den USA auf ungefähr das Fünffache der Erdölreserven Saudi-Arabiens geschätzt. Wobei das gilt, was sich jetzt wieder in Deutschland bestätigt hat: Schätzungen liegen in der Regel zu niedrig, weil man logischerweise nicht wissen kann, wieviele unerkannte Vorräte es noch gibt.

Kein Wunder, daß gegen das Fracking eine Kampagne läuft, wie sie der Artikel der deutschen Wikipedia beispielhaft zeigt. Denn zum einen werden dank Fracking die Vorräte an Erdöl und Erdgas nicht "demnächst zu Ende" gehen, wie es das apokalyptische Szenario verlangt, ohne das kein Öko-Würgegriff funktionieren würde. Und zum anderen würde denen, die uns zu "umweltbewußtem Umgang mit der Energie" erziehen möchten, nichts weniger in den Kram passen als ein Sinken der Energiepreise. Eine Halbierung des Erdgaspreises wie in den USA dürfte für sie ein Alptraum sein.

Das Steigen der Energiepreise ist die Peitsche, die geschwungen werden soll, um den Verbraucher zu "umweltgerechtem Energieverbrauch zu erziehen". Zum Glück für die Umwelteiferer steigen sie ja nun endlich; auch die Strompreise (siehe Die Energiepreise steigen drastisch. Die globale Temperatur steigt nicht mehr. Die Ersatzreligion bleibt stabil; ZR vom 26. 10. 2011).

Ja, nun endlich. Denn bis 1970 fielen in Deutschland die Strompreise; und bis zur Jahrtausendwende entsprach ihr Anstieg lediglich der Inflationsrate. Bis zum Jahr 2000 mußten die Deutschen einen immer geringeren Teil ihres Einkommens für Strom ausgeben. Erst die rotgrüne Koalition hat dem ein Ende bereitet; seither steigen die Strompreise oberhalb der Inflationsrate und auch schneller als die Einkommen. Dies sind Daten, die Lukas Emele in einer gründlichen Untersuchung zusammengestellt hat.

Da wäre es doch verheerend für die Erziehung der Deutschen, wenn dank Fracking Erdgas billiger werden würde; wenn sich die Versorgung mit Strom aus fossiler Energie in einem günstigeren Licht darstellte. Also versucht man dieses Verfahren, das in den USA ohne bisher bekannte (wenngleich mannigfache befürchtete) Gesundheits- oder sonstige Schäden praktiziert wird, als des Teufels darzustellen.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Thomas Pauli, R.A. und Fabian Heinzel.