9. November 2012

Zitat des Tages: "Ich muß aufpassen, daß Erhard sich nicht wegdreht". Die Energiewende und das Dilemma der FDP. Erinnerung an die Rede Frank Schäfflers vom 30. Juni 2011

Im Foyer des Bundeswirtschaftsministeriums steht eine Büste von Ludwig Erhard. Ich muss aufpassen, daß die sich nicht wegdreht, wenn ich reinkomme.
Der FDP-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, gestern zitiert von "Welt-Online".

Kommentar: Dieses trefflich Bild für seine Lage, für die Lage der liberalen Partei überhaupt, fand Rösler auf dem Energiewendekongreß, den der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gestern im Industriemuseum "Umspannwerk Alexanderplatz" in Berlin veranstaltete.

Genauer gesagt: Es war der Energiewendekongreß der Kompetenzinitiative Energie unter Federführung des BDI. Für die "Welt" haben Daniel Wetzel und Claudia Ehrenstein sich das angehört und angesehen. Ihrem sehr lesenswerten Bericht habe ich das Zitat entnommen



Es ging gestern Vormittag im Umspannwerk natürlich nicht um die Lage der FDP. Es ging um die Lage Deutschlands angesichts der "Energiewende". Lesen Sie in dem "Welt"-Artikel die Einzelheiten nach; dargelegt in einer Untersuchung, die der BDI in Auftrag gegeben hatte und über die BDI-Chef Hans-Peter Keitel berichtete:
Während die Ampel bei den Indikatoren Innovation und Akzeptanz gerade noch auf Gelb stehe, seien die Daten zur Wirtschaftlichkeit der Energiewende "beunruhigend tiefrot", stellte der BDI-Präsident fest. (...)

Im Detail ergibt die Studie, dass die "Stückkosten" der Stromerzeugung und der Netze mit der Energiewende bis zum Jahr 2030 zwischen 15 und 35 Prozent teurer sind, als es bei Beibehaltung des heutigen, konventionellen Versorgungssystems der Fall wäre. (...)

Da Deutschland bereits heute im europäischen Vergleich hohe Strompreise habe, sei ein weitere Kostenanstieg des gesamten Versorgungssystems um 25 Prozent in den kommenden zehn Jahren nicht hinnehmbar, sagte Keitel.
Auch wenn diese jetzige Untersuchungen es exakter als bisher im Detail berechnet - als solches ist dieses Ergebnis nicht neu. Über die exorbitanten Kosten der "Energiewende", die zwangsläufig den Strompreis in die Höhe treiben werden, habe ich in diesem Blog immer wieder berichtet; siehe zum Beispiel Aktuelles zu den Kosten der "Energiewende" für den Verbraucher; ZR vom 4. 5. 2012; sowie Deutschland im Öko-Würgegriff (34): Die ernüchternden Fakten zur Offshore-Windenergie; ZR vom 8. 9. 2012.

Die Kosten sind nun einmal da und - solange Deutschland bei der "Energiewende" bleibt - auf keinem Weg zum Verschwinden zu bringen. Die Frage ist, wer sie zu tragen hat.

Es findet jetzt ein sozusagen negativer Verteilungskampf statt: Diese Kosten werden die Wirtschaft treffen und damit unseren Wohlstand mindern. Sie werden den Steuerzahler treffen und damit unseren Wohlstand mindern. Sie werden uns als Konsumenten treffen und damit unseren Wohlstand mindern. Die Frage ist nur, wer wie stark bluten muß.

Die "Energiewende" ist technisch und sie ist ökonomisch unvernünftig. Wenn ein Staat das beschließt, was wirtschaftlich und was technisch unvernünftig ist, dann gibt es, um die Folgen halbwegs zu beherrschen, nur eine Lösung: Planwirtschaft. Die Mechanismen des Markts hat man mutwillig außer Kraft gesetzt; also muß man staatliche Planung an ihre Stelle setzen.

Vor vier Wochen habe ich dazu Holger Steltzner zitiert, unter den Herausgebern der FAZ für Wirtschaft zuständig:
Mit detaillierten Plänen für die Marktanteile einzelner Energieträger und dem Schrauben an Fördersätzen will Altmaier die Energiewende als Planwirtschaft zu seinem Projekt machen. (...) Hat Deutschland aus seinen schlimmen Erfahrungen mit der Planwirtschaft so wenig gelernt?
Ja, was sollte Deutschland denn lernen? Das Kind ist im Brunnen. Die Vorstellung, eine nicht marktgerechte "Energie­wende" könne mittels der Mechanismen des Markts realisiert werden, ist naiv.

Deutschland macht nicht jetzt den Fehler, mutwillig die Planwirtschaft einzuführen. Der Bundestag hat dies am 30. Juni 2011 in einem Klima kollektiver Besoffenheit der Deutschen so beschlossen.



Nun hat diese Wende hin zur Planwirtschaft nicht nur der Umweltminister Altmaier zu vertreten, sondern auch der ebenso zuständige Wirtschaftsminister Rösler.

Er ist zugleich Vorsitzender der liberalen Partei. Wie lange kann seine Partei, kann die Freie Demokratische Partei es mitmachen, daß Deutschland diesen Weg geht; kann ihr Vorsitzender das gar als Minister mit verantworten? Das ist das Dilemma der FDP: Ausgerechnet ihr Vorsitzender muß jetzt den Weg in die Planwirtschaft exekutieren.

Die FDP hat es selbst verschuldet, jetzt in diesem Dilemma zu stecken. Denn die liberale Partei hat sich der kollektiven Besoffenheit nicht entzogen, vielleicht bei Strafe des Bruchs der Koalition nicht entziehen können, als der Bundestag am 30. Juni 2011 den Marsch der Lemminge in die Planwirtschaft beschloß (siehe "Verblendet". Der solare Gau. Nebst einer Erinnerung an den 30. Juni 2011; ZR vom 15. 1. 2012).

Allerdings gab es zwei aufrechte Liberale, die gegen den "Ausstieg" votiert haben; Frank Schäffler und Dr. Rainer Stinner. Die Persönliche Erklärung von Frank Schäffler habe ich damals dokumentiert. Er sagte unter anderem:
Wir verordnen Deutschland im europäischen Alleingang eine vollständige Reorganisation seiner Energieerzeu­gungs­branche. Das ist mit enormen Kosten verbunden. (...)

Wir zwingen die Energieerzeuger, für sich ein anderes Geschäftsmodell zu entdecken. Wir zwingen viele Millionen Menschen zur Umstellung ihres Verhaltens beim Konsum von Energie. Wir greifen tief in die Eigentumsrechte der Unternehmen ein, indem wir deren Investitionen mit einem Federstrich entwerten. Um die Überland­leitungen zu bauen, werden viele Landbesitzer enteignet werden müssen. Durch die umfangreichere Einspeisevergütung belasten wir die privaten und gewerblichen Stromverbraucher.

Die enorme Tragweite der Energiewende allein sollte uns dazu anhalten, unsere Entscheidung wenigstens durchdacht, überlegt und mit der gebotenen kühlen Rationalität zu treffen. Dies tun wir nicht. (...)

Wir planen von der Spitze herab, wie viele Gaskraftwerke zu bauen und Kilometer Überland­leitungen zu errichten sind. Wir greifen ein in das Preisgefüge bei Strom aus so genannter erneuerbarer Energie, indem wir umfangreiche Subventions­tat­bestände schaffen. Wir planen hier in Berlin, welcher Anteil des Stroms aus welcher Quelle produziert werden soll.

Wir ignorieren dabei sämtliche ökonomischen Einsichten über das Funktionieren von Märkten und die Wichtigkeit des Preissystems als Mechanismus zur Vermittlung von Informationen. Wir planen einen kompletten Wirtschafts­zweig von oben herab und zentral. Wir gehen einen langen Schritt in die überkommene Zentralverwaltungswirtschaft. An die Stelle der privaten und dezentralen Pläne der Unternehmer und ihrer Kunden setzen wir unsere angeblich überlegene Kenntnis, wie sich Wirtschaft und Gesellschaft organisieren sollen. (...)

Die verhängnisvolle Anmaßung, dass man wissen könne, wie zentrale Planung erfolgreich zu bewerkstelligen sei, hat letztendlich zum Scheitern aller Sozialismen geführt. So wird auch die Energiewende letztlich scheitern. (...)

Die Eingriffe in die Energiewirtschaft werden zur Deindustrialisierung in energieintensiven Branchen und zur Zuteilung von Strom-Verbrauchszeiten führen. Wir werden die wohlstandsfeindlichen Folgen der zentral verwalteten Energiewirtschaft in Deutschland beobachten können. Denn die ökonomischen Gesetze sind von der Politik unbezwingbar.
Es ist alles so gekommen, wie Frank Schäffler es vorhergesagt hat. Wenn er durchs Foyer des Wirtschafts­ministeriums geht, wird sich Ludwig Erhard nicht abwenden.
Zettel



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