3. Februar 2013

Sieben Jahre als Deutscher in Mali – Erfahrungen und Folgerungen (4): Das Scheitern der Entwicklungshilfe / Ein Gastbeitrag von Diarra

Norbert Lammert hat in seiner Rede, die er aus Anlass von 50 Jahren Zusammen­arbeit im Bereich der Entwicklungs­hilfe zwischen Mali und Deutschland gehalten hat, auf die vielen Projekte verwiesen, die in dieser Zeit realisiert worden seien. Ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich wusste, wovon er da gesprochen hat.

Wer mit offenen Augen durch Mali fährt, der sieht die Reste der vielen geschei­ter­ten Projekte, z.B. neuwertige Traktoren am Straßenrand, von denen im Jahr 2007 Mali 50 Stück von Indien erhalten hatte. Aber niemand im Land kann sie reparieren, weil das Know How fehlt und die Ersatzteile. Also verrotten sie in der malischen Sonne.

Die vielen Milliarden US-Dollar, die Mali seit seiner Unabhängigkeit an direkter staatlicher Entwicklungshilfe oder als Sachleistungen aus aller Welt erhalten hat, haben nichts am maroden inneren Zustand dieses Landes und der Armut in weiten Teilen der Bevölkerung geändert; im Gegenteil. Eigentlich weiß man schon lange, dass direkte Transfer­zahlungen von Land zu Land nur die korrupten Eliten fördern, aber nicht bei den Bedürftigen ankommen..

Auch gute und richtige Ansätze im Bereich der Projekt­finanzierung (Micro-Finanzierung) und andere Projekt­ideen ändern nichts am Grunddilemma der staatlichen Entwick­lungs­hilfe: Man kann ein durch und durch korruptes System nicht mit Geld verändern. Man hält es damit vielmehr am Laufen. Das gilt weitgehend auch für die vielen nicht- und halbstaatlichen Entwicklungsorganisationen (NGO, franz. ONG).

In Mali haben sich bis zum Putsch im März 2012 alle großen und kleinen Entwicklungshilfeorganisationen dieser Welt die Klinke in die Hand gegeben. Schließlich galt Mali als das fünftärmste Land der Welt, unterboten nur von Ländern wie Nordkorea. Und jeder kam mit dem Anspruch, es besser zu machen als die anderen. Alle hatten sie etwas für Kinder, für Frauen, für die Natur und im Bereich der Bildung im Angebot, und alle waren auf dem neusten Stand der Forschung im Bereich Community Developement.

Zwar gibt es im Bereich der NGO wirklich gute Ansätze, aber man muss ehrlich feststellen, dass auch die nichtstaatliche Entwicklungshilfe oft genug Teil des Problems ist und nicht Teil der Lösung. Langjährige Entwicklungshelfer sind oft sehr zynische Menschen, denn sie kommen mit einem Herz voll Empathie, bester Ausbildung und dem echten Wunsch zu helfen und haben doch so wenig Erfolg damit. Ich weiß, wovon ich rede.

Jeder mit gesundem Menschenverstand wird irgendwann einsehen, dass man ein dermaßen tief verwurzeltes und korruptes System wie in Mali nicht mit Geld und guten Ideen verändern kann. Wer das tun zu können behauptet, ist entweder naiv oder hat ganz andere Absichten. Staatliche Entwicklungshilfe ist wie ein süßes Gift. Es wird gerne genommen und "schmeckt" gut, aber es zerstört die wirtschaftlichen Eigenkräfte eines Landes nachhaltig. Mein persönliches Fazit im Hinblick auf Mali und die Entwicklungshilfe lautet daher: Wirtschaftliche Entwicklung kann immer nur aus einem Land heraus erfolgen, nie in ein Land hineingetragen werden.

Hätte Mali eine starke Wirtschaft, dann hätte es auch eine starke Armee – so einfach ist das. Die jahrzehntelange Entwicklungshilfe hat eine starke Wirtschaft verhindert. Aber das unwürdige Spiel beginnt ja wieder von vorn. Die Geberkonferenz in Addis Abeba hat am 29. Januar beschlossen, dass Mali 455 Millionen Dollar an Wieder­aufbauhilfe erhalten soll. Alassane Outtara, Staatschef der Elfenbeinküste und Vorsitzender der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, hat sogar 960 Millionen Dollar für den Unterhalt der Soldaten gefordert, die in Mali stationiert sind.

Fast eine Milliarde Dollar für vielleicht 3500 Soldaten?! Was für ein Irrsinn. Natürlich braucht Mali jetzt auch finanzielle Hilfe, und der Kampf gegen den Islamismus ist nicht umsonst zu haben. Aber wenn man genau hinschaut, dann erkennt man, dass die Malier Überlebenskünstler sind, selbst in der Krise. Um sich selbst helfen zu könne, brauchen sie sicher nicht Millionen an Dollar, sondern stattdessen faire Rahmenbedingungen, Rechtssicherheit, neue lokale Absatz­märkte, Wiederbelebung des Tourismus, gute Bildung etc. Das alles kann man nicht kaufen, das muss sich entwickeln.
Diarra



© Diarra. Der Verfasser hat von 2004 bis 2008 und wieder von 2009 bis 2012 in Mali gelebt und gearbeitet. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Ein Baobab (Affenbrotbaum) in Mali. Diese Bäume sehen äußerlich groß, stark und gesund aus, sind innerlich aber oft hohl und werden deshalb von starken Winden leicht umgeknickt - ein Sinnbild für Mali. Eigene Aufnahme des Verfassers. (Für eine vergrößerte Ansicht bitte zweimal auf das Bild klicken).