15. November 2013

Fack ju Goethe: Eine kleine Filmkritik

Hätte man mir vor einem Jahr gesagt, ich würde einmal freiwillig ins Kino gehen, um mir eine deutsche Komödie anzusehen, in der Katja Riemann eine prominente Rolle spielt, dann hätte ich ihn wohl für verrückt erklärt. Mein Bild von deutschen Komödien besteht spätestens seit den neunziger Jahren daraus, daß unglaublich dämliche Männer, deren Tollpatischigkeit und intellektuelle Inkontinenz nur durch die noch unglaublicher witzigen Intrigen irgendwelcher "Superweiber" vor der evolutionsbiologischen Ausmerzung (schon wieder dieses Wort!) bewahrt worden sind. Damals, so scheint mir rückblickend, war die feministisch-ideologische Entwertung des männlichen Geschlechts auf ihrem vorläufigen Höhepunkt angelangt und gleichsam kultureller Mainstream geworden. Folglich war meine Erwartung, daß eine deutsche Komödie, die mit einem türkischstämmigen Hauptdarsteller aufwartet, in simplen und unverfänglichen Botschaften die Maria Böhmersche Doktrin der "kulturellen Bereicherung" durch jegliche Form ungesteuerter Migration, fortschreiben wird. Kultureller Mainstream halt.
­Aber bereits der Trailer ließ mich diesbezüglich aufhorchen. Hier wurde ein Feuerwerk politisch-unkorrekten Sprachwitzes ("Kanack mich nicht an, Alter") abgefackelt, das mich neugierig gemacht hat. Kurzum, gestern Abend habe ich ihn mir angesehen, und ich war begeistert. Die Handlung ist simpel und könnte fast aus den Zeiten jener unsäglichen "Pauker-Filme" um 1970 stammen. Übrigens bildet Uschi Glas in einer köstlich ausgefüllten Nebenrolle tatsächlich eine personelle Klammer zu ebenjenen Filmen. Auch die, im Vergleich zu den Realitäten an deutschen Hauptschulen, harmlos anmutenden "Streiche" wie das Beschmieren des Lehrerstuhls mit Klebstoff, erinnern daran. Der Moment als Glas (in der Rolle einer dauersuizidalen Lehrerin) Riemann, die die Schulleiterin darstellt, eine "in einer Burnoutklinik" angefertigte, selbstgetöpferte Skulptur von ätzender Häßlicheit "zum Abschied" hinstellt, ist einer der Nebenhöhepunkte des Films.

Aber kurz zum Plot: Frisch aus dem Knast entlassen, muß Ganove Zeki Müller (Elyas M'Barek) feststellen, daß über der von ihm bzw. einer Komplizin vergrabenen Beute aus einem Banküberfall inzwischen eine Schulturnhalle errichtet worden ist. Unter einem Vorwand schleust er sich als "Aushilfslehrer" in die Schule ein (indem er dort zunächst einen Amokalarm auslöst und so alle Mitbewerber in die Flucht schlägt), um so in den Besitz eines Generalschlüssels zu kommen. Tagsüber verdingt er sich nun also als völlig  unmotivierter Nichtpädagoge ("Chantal, heul leise!"), der seine Schüler schon mal mit dem Paintball-Gewehr zum Unterricht ballert, während er nachts einen Tunnel unter der Turnhalle gräbt, um an die Beute zu gelangen. Natürlich entwickelt sich auch die unvermeidliche Liebesgeschichte, die aber nur an wenigen Punkten, insbesondere zum Ende hin, ins Kitschige abgleitet.

Die eigentliche Hauptgeschichte entwickelt sich zwischen den Schülern der 10b, einer ausgewiesenen "Horrorklasse"  mit hohem Lehrerverschleiß, die den Aushilfslehrer Zeki zunächst nahezu buchstäblich teert und federt, und ebenjenem Kleinganoven, der den Fehdehandschuh der Klasse gekonnt aufnimmt und ihr mit wirksamen, aber völlig unpädagogischen Methoden zu Leibe rückt, zunächst mit sehr überschaubaren Lehrzielen ("Ihr steht alle auf eins. Wer mich nervt, bekommt eine Note Abzug"). Nach und nach entwickelt sich gleichsam eine doppelte Geschichte um das Thema Bildung. Zum einen überdenkt Zeki anläßlich seiner wachsenden Verliebtheit zur pädagogisch hochmotivierten Lehrer-"Kollegin" Lisi Schnabelstedt (brillant gespielt von Karoline Herfuth, vor allem während ihrer theatralisch-kindlichen Heulsuseneinlagen) seine kriminelle Vergangenheit, und zum anderen entdeckt er schließlich sein Herz für die Schüler, denen er, auf immer noch äußerst unkonventionelle Weise, Bildungsinhalte, die er sich parallel selbst aneignet, nahebringt. Das phasenweise etwas triefig geratene Ende stört dabei den Gesamteindruck nur wenig.

Es ist sehr stark zu vermuten, daß ein solches Feuerwerk politischer und pädagogischer Unkorrektheiten ("Heute Klassenausflug? Wohin denn? Bitte, nicht schon wieder ins KZ!") in Deutschland wohl nur dann ohne Skandal abgefackelt werden kann, wenn, wie in diesem Fall, sowohl Regisseur Bora Dagtekin als auch der Hauptdarsteller migrantische Wurzeln haben und somit nur wenige Angriffsflächen für die üblichen öffentlichen Empörungsrituale bieten. Ein wirklicher Mißstand in diesem Land.

Natürlich kann man, wenn man will, auch manches kritisieren. Ist der Film in Teilen idealistisch? Natürlich. Ist er schönfärberisch mit Blick auf die Wirklichkeit an deutschen Haupt- und Gesamtschulen, insbesondere in sogenannten Problemkiezen? Allemal. Aber Himmel, es ist eine Komödie! 

Dennoch wird klar, daß Bildung und Beherrschung der deutschen Sprache (und das, weiß Gott, nicht nur bei Kindern ausländischer Herkunft!) den eigentlichen Schlüssel, nicht nur zu gelungener Integration, sondern überhaupt für ein lebenswertes Leben darstellt. Sehr deutlich macht der Film aber auch die Hilflosigkeit, mit der ein auf Kuschelpädagogik ausgerichtetes Bildungssystem den Kindern aus bildungsfernen Familien (Zeki: "Das sind Asoziale!") begegnet.

Der sensationelle Erfolg des Films (zweitstärkster Start von allen Filmen dieses Jahres in Deutschland; zwölftstärkster Start eines deutschen Filmes überhaupt) mag als Hinweis verstanden werden, daß viele Menschen der sprachlichen und gedanklichen Vereinnahmung durch die Political Correctness überdrüssig sind, was eine mehr als begrüßenswerte Entwicklung wäre.

Abseits davon ist Fack ju Goethe einfach handwerklich gut gemachtes Kino mit einer großen Zahl Gags, die, auf mich zumindest, nie gezwungen gewirkt haben. Das letzte Mal, daß ich so ablachen konnte war, glaube ich, in Hangover 1.


Andreas Döding


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